Kapitel 30: Überrumpelt

Der Boden bebte.

Der Staub vom Kampf hatte sich noch nicht gelegt, zitterte in der Luft, als hätte die Welt selbst Angst vor dem, was nun kam. Elias spürte die Vibrationen durch seine Fußsohlen kriechen – wie ein warnendes Flüstern. Dann – aus dem Kreis aus Schatten – formten sie sich:

Dunkle Gestalten, erst nur Schemen, dann greifbare Albträume. Ihr Fell schwelte in der Dunkelheit, als wäre es aus Rauch und Glut gewebt. Flammen leckten zwischen ihren geöffneten Lefzen hervor, klein und scharf wie Dolchklingen. Ihr Blick glühte wie die Augen eines ausgehungerten Löwen, den man in seinem Käfig vergessen hatte. Und sie waren groß. So groß wie er. Vielleicht größer.

Elias wich einen Schritt zurück. Die Nunchucks in seinen Händen zitterten leicht – nicht vor Angst, sondern vor Anspannung. Er konnte es sich jetzt nicht leisten, seine Waffen zu verlieren.

Der erste Hund stieß ein Knurren aus, tief und vibrierend wie ein aus der Hölle selbst heraufbeschworenes Lied. Dann explodierte er förmlich nach vorne.

Elias reagierte.

In einer fließenden Bewegung drehte er sich zur Seite, ließ die Nunchucks kreisen – kraack! – der Aufprall des Holzes gegen den Schädel des Biests war wie ein Donnerschlag. Der Hund jaulte auf, taumelte, zischte wie ein Feuerwerk, als seine Flammen aufflackerten und dann zusammen fielen.

Der nächste war direkt dahinter. 

Mit einer gekonnten Bewegung ließ Elias den Nunchuck in seiner rechten Hand rotieren. Er konnte es sich nicht erlauben, auch nur eines der Viecher zu nah an sich ranlassen.

Der zweite Hund war etwas vorsichtiger. Er hatte eben gesehen, wie sein Artgenosse eben vor ihm zerschmettert worden war. Elias konnte erkennen, dass die Augen des Hundes nach einem Anzeichen von Schwäche bei ihm suchten.

Eine Schwäche, welche der Hund ausnutzen könnte, war aber nicht vorhanden. Elias war trainiert genug und hatte genug Erfahrung, um sich keine Blöße zu geben.

Die beiden starrten sich an. Keiner wollte eine Bewegung von sich geben, ohne sicher zu sein, was der jeweils andere machen würde. 

Doch aus dem Nichts kam ein anderer Hunde angeflogen und nahm Elias' Gegner mit sich. Elias drehte sich zur Seite und sah, dass Luc und Elena ebenfalls gut mit Gegnern zu tun hatten.

Luc hatte gerade noch rechtzeitig reagiert, einen Höllenhund von Elena weggeschleudert. Elena hatte gerade einen ihrer Feuerzauber gewirkt und nicht bemerkt, dass einer der Hunde sich von hinten an sie angeschlichen hatte.

Für Luc war diese Art von Kampf neu. Er war es nicht gewohnt, jemandem so stark den Rücken freihalten zu müssen. Bisher waren die meisten Kämpfe für ihn entweder in großer Gruppe oder alleine gewesen.

Luc schob sich zwischen Elena und dem nächsten Hund, dessen Maul bereits geöffnet war, bereit, sich auf Elena zu stürzen. Sein Wakizashi sirrte durch die Luft, schloss den Abstand in einem Halbkreis. Metall traf Feuer – der Aufprall ließ Funken und Asche aufstieben. Der Hund wurde zur Seite geschleudert, rappelte sich aber sofort wieder auf.

“Bleib bei mir”, rief Luc Elena über die Schulter zu.

Elena nickte, während sie die Hand hob, eine neue Zauberformel auf den Lippen. Ihr Stab leuchtete bereits, als sie einen Feuerball an seiner Spitze formte – konzentriert, pulsierend, wie ein Herz aus Lava. 

In diesem Moment krachte etwas neben Luc in den Boden. Erde und Asche stoben auf. Der nächste Hund – größer als die anderen, seine Schultern breiter, seine Flammen heller – hatte gerade so Luc und Elena verfehlt, aber sein Ziel nicht aus den Augen verloren. Luc wich instinktiv zur Seite, seine Bewegungen präzise wie ein Tanz. 

Bevor der Hund auch nur reagieren konnte, griff Luc in seine Tasche und zog mit Glyphen versehene Steine hervor. Mit dem Daumen schnippte er sich aus seiner geschlossenen Hand in Richtung des Hundes

Der Hund fing den ersten Stein Steine mit seinem Maul – ein fataler Fehler. Der Stein explodierte in einer Druckwelle aus Erde und Hitze, doch das riesige Vieh schien relativ unbeeindruckt. Die restlichen Steine schlugen in den Boden ein, warfen Staub und Rauch auf, der sich wie ein Schleier über die Angreifer legte.

“Hatte mehr erwartet”, brachte Luc grummelnd hervor.

Luc nutzte die kurze Ablenkung, welche die Steine gebracht hatte. Er rannte los, stieß sich mit der linken Hand kraftvoll vom Boden ab – die Luftglyphe in seinem Handschuh entlud sich, schleuderte ihn über den wirbelnden Schatten hinweg. In der Luft drehte er sich, warf neue Steine, aktivierte ihre Glyphen noch im Flug. Die Splitter verwandelten sich augenblicklich in Nadelfeine Geschosse.

Die improvisierten Projektile schlugen ein, wie Gewehrkugeln. Erst die Schulter, dann auch am Kopf und auf dem Rücken. Aber die Verletzungen schienen nach wie vor den Höllenhund nicht zu beeindrucken.

Luc landete hart, rutschte auf einem Knie durch den Staub. Den Blick nach wie vor auf den Hund und Elena gerichtet.

Er stürmte vor. Die erste Bewegung war ein diagonaler Hieb, gefolgt von einem Drehschritt nach links. Der Hund konterte mit einem Prankenschlag, doch Luc war schneller, duckte sich unter dem Angriff hinweg und stieß zu. Die Klinge traf auf das schwelende Fell – Rauch zischte auf, doch das Biest schien härter zu sein als seine Artgenossen.

Das Wakizashi trat nicht tief genug ein, traf auf eine magische Schutzschicht unter der Oberfläche, die wie eine zweite Haut fungierte.

Luc setzte nach, wirbelte herum, seine Klinge tanzte – eine Bewegung wie Wasser und gleichzeitig auch kraftvoll wie ein Sturm. Doch der Höllenhund wich nicht zurück. Stattdessen öffnete er das Maul und spuckte einen Feuerball direkt auf Luc.

Luc hielt das Wakizashi zum Schutz vor sich. Im selben Moment fing die Luft vor Luc an zu flimmern. Ein schimmerndes Schild aus verdichteter Luft spannte sich auf, fing die Flammen ab – der Druck ließ ihn zurück taumeln, doch er blieb auf den Beinen.

Elena hatte es geschafft in einem Bruchteil eines Augenblicks Lucs Situation zu realisieren und ein Zauber in seine Richtung zu wirken.-

“Alles In Ordnung bei dir”, wollte sie wissen.

„Danke, der ist irgendwie anders als die bisherigen!“, rief Luc, ohne den Blick von seinem Gegner zu nehmen.

Elias, der gerade einen weiteren Hund niederstreckte, erkannte aus dem Augenwinkel mit was für einem Gegner Elena und Luc gerade zu tun hatten.

„Alpha“, knurrte er. „Natürlich gibt es einen Alpha.“

Ab da ging alles den Berg hinab. Elias sah wie ein Funke vor dem Magier auftauchte und dann alles in gleißendes Licht hüllte.

Er hatte den Magier für einen kurzen Moment tatsächlich vergessen.

In der Ferne konnte er noch erkennen, wie Elena erneut einen Schild erschuf, um sich und Luc zu schützen. 

Doch die Wucht der Explosion schleuderte die beiden durch die Wand des nächsten Hauses.

Elias wollte den beiden etwas zu brüllen, aber aus seinem Mund konnte kein Ton entweichen.

Die folgende Druckwelle ließ jegliche Luft aus seinen Lungen entweichen. Aber er schaffte es noch, bei Bewusstsein zu bleiben.

Es dauerte nicht lange, bis sich der Staub legte.

Vor ihm Stand ein kleine Armee. Mit Rüstung und diversen Waffen ausgestattete Kämpfer standen in geordneten Reihen, wo bis eben noch ein Platz voller Höllenhunde gewesen war.

Elias erkannte das Logo auf den Oberteilen. Es waren Wappen aus Neria.