Verloren in den Bergen (2)

Was für ein Tier war das? Ein Fuchs? Ein Wolf? Sie fragte sich genau das, als sie das Tier betrachtete. Es sah aus wie ein Hund, aber viel größer, und hatte komplett schwarzes Fell mit jeweils einer kleinen weißen Spitze an beiden Ohren.

Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um das Tier zu bestimmen, Alicia, sagte sie schnell zu sich selbst. Die Art des Tieres würde irrelevant sein, sollte es gelingen, sie zu verschlingen. Es würde dann einfach heißen, ein Wildtier hätte sie gefressen. Ja, genau das würde man sagen. Es wäre ein Wildtier. Sie würde auf keinen Fall zulassen, dass dieses Wildtier sie verschlingt.

Schnell schweiften ihre Augen umher auf der Suche nach etwas, um sich gegen das Wildtier verteidigen zu können. Als hätte es gespürt, was sie dachte, knurrte das Tier als Warnung und machte einen Schritt vorwärts... Nicht nur einen Schritt, es humpelte.

Das war der Moment, als ihr auffiel, dass das Tier verletzt war. Sie bemerkte eine blutende Wunde an den Vorderbeinen des Tieres.

Sie könnte sicherlich ein verletztes Wildtier überholen, nicht wahr? Was sollte sie tun? Warum hatte sie sich damals nicht die Zeit genommen, Natgeo Wild zu schauen? Hätte sie das damals getan, hätte sie zumindest die Grundlagen der Tierarten gekannt und hätte wahrscheinlich gewusst, wie sie sich diesem Tier nähern sollte. Ohne den Kopf zu bewegen, betrachtete sie sorgfältig ihre Umgebung. Sie wusste, dass sie im Nachteil war, denn das Tier war vermutlich besser mit dem gebirgigen Gelände vertraut als sie.

Das Tier knurrte erneut und ging einen weiteren Schritt nach vorne. Daraufhin hob sie ihre Laterne abwehrend, " Wage bloß nicht, noch einen Schritt weiter zu gehen, verstanden? Ich kann sehr unberechenbar sein, und glaub mir, du willst mich wirklich nicht wütend erleben." Sie warnte mit vorgespielter Kühnheit, obwohl sie vor Angst zitterte.

Als es ihre Drohung hörte, näherte sich das Tier, als würde es herausfinden wollen, was sie zu tun imstande war.

Alicia ging einen weiteren Schritt zurück und hielt dabei ihre Laterne abwehrend hoch. "Ich warne dich, komm nicht näher." Sie warnte und trat auf den Boden vor ihr, wodurch kleine Steine in Richtung des Tieres flogen.

"Ich möchte dir nicht weh tun, aber ich werde nicht zögern, das zu tun, wenn du auch nur versuchst, mir nahe zu kommen. Ich bin Alicia Queen und werde nicht zulassen, dass ich oder wer auch immer dieser Körper gehört, von einem verdammten wilden Tier verschlungen werde, hörst du? Ich habe eine Mission zu erfüllen, also, falls du weißt, was gut für dich ist, dreh dich um und verschwinde." schnauzte Alicia und deutete mit dem Kopf in die Richtung, aus der das Tier kam.

Das Tier neigte seinen Kopf zur Seite, als wäre es verwirrt über das, was sie sagte. Sie wollte erleichtert aufatmen, aber gerade in diesem Moment sprang das Tier auf sie und Alicia schrie vor Schreck, als sie mit dem schweren Tier auf ihr zu Boden ging und ihr die Laterne aus der Hand flog.

Was für ein verfluchtes Leben war das? Sie hatte versucht, Selbstmord zu begehen und hatte sich in letzter Minute umentschieden, nur um an diesem gottverlassenen Ort zu landen und von einem Wildtier gefressen zu werden? Welchen grausamen Scherz spielte das Universum ihr da vor? War das wirklich das, was Menschen passierte, die Selbstmord begehen wollten? Wurden sie meist mit einem schlimmeren Tod bestraft, als sie sich gewünscht hatten?

Sie beschloss, dass ihr Schicksal anders sein würde und kämpfte mit aller Kraft. Sie drückte, schlug und kniff. Sie trat, wenn sie konnte und keuchte schwer, während sie um ihr Leben kämpfte.

"Wenn du glaubst, mir einen Biss zu verpassen, dann hast du dich geirrt, Miststück. Ich bin Alicia Queen und ein verdammter Überlebenskünstler!" rief Alicia atemlos als ihr einfiel, dass sie eine Wunde am Bein des Tieres gesehen hatte. Sie griff danach und drückte auf die Verletzung, bevor sie das Tier in das andere Bein biss.

Das Tier wimmerte und kratzte ihren Arm mit seinen scharfen Klauen, als es von ihr herunter rollte. Es versuchte wieder aufzustehen, schwankte aber und viel wieder auf die Beine. Alicias Blick auf das Tier war zwar immer noch geprägt von Angst, aber es bereitete ihr Sorgen. Das Wimmern erinnerte sie an ihren Hund Ruby.

Sie rollte schnell auf ihre Füße, behielt aber das Tier wachsam im Blick. Sie riskierte nicht, auf ihren Arm zu sehen, welcher brannte und schmerzte, um zu sehen, wie schlimm die Verletzung war. Nicht, solange das Tier sie so intensiv anschaute.

Sie bemerkte, dass das Tier erschöpft und schwach aussah, während es sie beobachtete. Es stieß einen leisen Seufzer aus, als es sich schwach auf den Boden legte. Aber es nahm seine Augen nicht von ihr, als ob es Angst hätte, dass sie einen Trick versuchen könnte.

Erst jetzt bemerkte Alicia, dass das Tier, das zuvor auf ihr gelegen hatte, nicht versucht hatte, sie anzugreifen oder zu beißen. Es hatte sie nur beschnuppert.

Sie überlegte, zu fliehen, aber sie hatte Angst. Sie wusste nicht, wo sie hinrennen sollte und ihre Laterne war fast ausgebrannt. Darüber hinaus waren die Menschen immer noch auf dem Berggipfel. Was, wenn sie sie töten würden?

"Brauchst du... Hilfe?" Sie fragte mit zitternder Stimme, während sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Wenn das Tier sie wirklich hätte töten wollen, hätte es das wahrscheinlich schon getan, dachte sie.

"Wenn du... meine Hilfe brauchst... setz dich auf deine... Hinterbeine." stotterte Alicia, als ob er sie verstehen könnte.

Nachdem es sie misstrauisch einen Moment lang angesehen hatte, setzte sich das Tier überraschenderweise auf seine Hinterbeine.