Wie eine Motte zur Flamme

Einige Menschen wollten Gott spielen, und dann gab es solche, die die Verkörperung Gottes waren.

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Eine ganze Reihe von Prinzessinnen strebten danach, ihn zu heiraten, doch Eltanin verabscheute die Vorstellung der Ehe.

"Ich will nicht heiraten!" knurrte er seinem Vater Alpha Alrakis entgegen, während er das Ölgemälde der Prinzessin des Pegasii-Reiches zerriss. Er warf die Fetzen in die Luft und schritt dann hochmütig auf die Bibliothektür zu. In den letzten Monaten hatte sein Vater unentwegt Druck ausgeübt.

"Ich habe es dir schon tausend Mal gesagt. Wenn du nicht heiratest, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass du in eine Dunkelheit fällst, aus der du nie wiederkehren wirst. Dein Leben und dieses Königreich stehen auf dem Spiel. Nimm die Prinzessin zur Frau, und wenn sie dir nicht zusagt, kannst du dich wieder scheiden lassen." Drei- oder viermal zu heiraten, war für Könige nichts Ungewöhnliches.

Zorn summte in seiner Brust, streichelte sein inneres Tier, ließ seine Ader pulsieren. Er ballte die Fäuste und unterdrückte seine Gefühle, wenn sich das Eather in ihm regte. Es wollte heraus, aber es brach nicht an die Oberfläche. Sein Körper spannte sich unter dem Druck, der gegen seine Haut drängte und sein Fleisch kribbeln ließ. Er wusste nicht, wie es einen Ausweg finden würde, aber er wartete ... auf irgendetwas. Er wusste nicht auf was.

Mit zusammengebissenen Zähnen schlug er die Tür hinter sich zu und marschierte verärgert davon.

Eine Woche später

Der große Festsaal, Königreich Draka, Araniea

König Eltanin beobachtete sie über den Rand seines Bechers hinweg mit seinen rabenschwarzen Augen wie ein Habicht. Sein goldener Reif saß in seinem Mitternachtshaar, das leicht nach links verrutscht war.

Auf einem hohen Schemel nahe der Bar sitzend, war er von einer Schar junger Mädchen umringt, die darauf warteten, sich ihm an den Hals zu werfen. Sie benötigten nur ein Zeichen von ihm, doch er hatte kein Interesse an ihnen. Sein Blick blieb unverwandt auf sie gerichtet, er trank jede ihrer Bewegungen in sich auf.

Er fühlte sich zu ihr hingezogen wie eine Motte zum Licht. Egal wo er hinschaute oder mit wem er sprach, er fand seinen Blick immer wieder auf sie gerichtet, suchte nach ihr. Sie sah aus wie eine Fee in diesem weißen Chiffonkleid, das bei jeder ihrer Bewegungen im Wind tanzte, genau wie sein Herz. 

Ihr Haar, blassgolden, beinahe silbern, war auf einer Seite hochgesteckt, während der Rest über ihre Schulter bis zu ihrem Busen fiel. Sie trug eine goldene Gesichtsmaske, und es missfiel ihm, dass der Rest ihres Gesichts mit Goldstaub bedeckt war, der ihre Züge verdeckte. Das Kleid war knapp über ihrer Taille geschnürt, mit einem spitzen, viereckigen Ausschnitt und langen, glockenförmigen Ärmeln. In ihrem schlichten weißen Gewand erschien sie wie ein Schwan in einem Teich voller Schlangen. 

Als er sie das erste Mal erblickte, raubte ihm das Gefühl beinahe den Atem. Sie wirkte erfrischend wie der erste Tautropfen auf dem Gras und so rein wie die erste Schneeflocke. Sie war gut einen Fuß kleiner als er und schlanker als die meisten Mädchen hier. Er war sich sicher, dass ihre schlanke Taille bis zum Ende der Nacht von der Spanne seiner linken Hand umfasst sein würde.

"Was geht Euch durch den Kopf, mein Herr?" fragte Eri, die Prinzessin des Königreichs Eridanus, während sie sein trügerisch schönes Antlitz betrachtete. Ihr gieriger Blick wanderte zu seinem langen, schwarzen Samtmantel, dessen Kragen mit dem Sternenmuster bestickt war, das sein Königreich repräsentierte. Er war in der Mitte offen und fiel zu den Seiten hin ab, sodass seine breite Brust offenlag. Darunter trug er ein schwarzes Hemd, das bis zur Brustmitte aufgeknöpft war und seine straffen Muskeln sowie das Drachensternbild-Tattoo, mit dem er zur Welt gekommen war, zeigte. 

Jeder Welpe in Araniea wurde mit einem Tattoo geboren, das den Geist des Königreiches zeigte, zu dem er gehörte. Männchen trugen es auf der Brust, Weibchen am linken Oberarm.

Eri bot ihm mehr Wein aus der Karaffe an der Bar an... nur dass der Wein, den sie ihm einschenkte, eine tiefere Rotnuance hatte. Heute Abend hatte sie endlich eine Gelegenheit gefunden, als sie heimlich eine Prise eines giftigen Pulvers in seinen Wein mischte, stark genug, ihn so lange zu betäuben, dass sie ihr Schäferstündchen mit ihm vollenden konnte. Sie hatte schon lange versucht, ihn ins Bett zu bekommen."Mein Herr?"

Eltanin, aus seinen Gedanken gerissen, knurrte sie bedrohlich an, um sie zu verscheuchen, und richtete dann seinen Blick wieder auf seine Muse, ohne ihr zu antworten.

Eri schreckte zurück. Er war der stärkste Werwolf in ganz Araniea, dessen Bestie so mächtig war, dass sie ihren Feind allein mit ihren Krallen und Zähnen töten konnte. Sie traute sich nicht, ihm weitere Fragen zu stellen, weil sie dachte, es sei klüger, darauf zu warten, dass die Droge wirkte.

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Eltanin fragte sich oft, wer seine Gefährtin sein würde. Werwölfe konnten ihre Gefährten erst riechen, wenn sie achtzehn Sommer alt waren, aber Eltanin war fünfhundert Jahre alt. Er war allen Göttern dankbar, dass er seine Gefährtin noch nicht gewittert hatte.

Warum also zog ihn dieses Mädchen so an, wie es noch keine andere getan hatte?

Sie hielt das Weinglas fest in ihren Händen, an ihre Brust gepresst, und hatte noch keinen Schluck getrunken. Wie alt war sie? Plötzlich wanderte ihr Blick zu ihm und ihre Lippen öffneten sich. Eltanin hielt den Atem an, als sich ihre Blicke trafen, seine Brust vibrierte mit einem Grollen. Ihre Lippen zitterten und kurz darauf wich ihr Blick von ihm ab. Ein tiefes, rauhes Knurren der Missbilligung stieg aus seiner Brust auf.

Er warf einen Blick in die Große Halle, die mit zahlreichen Mädchen in reich verzierten Gewändern, herausgeputzten Frisuren und dicken Schichten Make-up bevölkert war. Es waren Dutzende von Menschen im Raum, alle gekleidet in die extravagantesten Seiden und Samte, Gold und Diamanten. Er war überdrüssig des Prunks und der Pracht. Sie waren alle gleich, buhlten um seine Aufmerksamkeit oder die von Rigel, zu dessen Ehren er diesen Ball abgehalten hatte.

Rigel, der Kronprinz des Königreichs Orion, war zu Besuch. Das letzte Mal war es vor fünf Monaten gewesen. Rigel und Eltanin hatten zusammen Kriege geführt, an Wettbewerben teilgenommen und waren engste Freunde. Sie hatten sich immer gegenseitig unterstützt, nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in unangenehmen und außergewöhnlichen Situationen.

In diesem Augenblick hatte sich Rigel geschickt entschuldigt und war nach oben gegangen, um sich "leidenschaftlichen Angelegenheiten" zu widmen, während er Eltanin den Launen des Banketts überließ.

Obwohl Eltanin hinaufgehen und sich ebenfalls vergnügen wollte, konnte er nicht. Er war wie festgenagelt, seine Aufmerksamkeit galt ihr. Und jetzt verblich die Welt um ihn herum, während er sie intensiv und besitzergreifend anstarrte.

Eltanin spürte einen seltsamen Drang in seiner Kehle, sie an sich zu reißen und im höchsten Turm des Palastes einzuschließen. Das Gefühl war so überwältigend, dass er seinen Becher an die Lippen führte und einen großen Schluck trank. Er war sich sicher, dass es nur ein Jucken war, oder vielleicht auch mehr als das… er musste es herausfinden, und dazu würde er heute Nacht seinen zerbrechlichen Schmetterling aus dem Wald der Monster in seine Gemächer entführen. Er musste sich beeilen. Was, wenn sie verschwand und nie zurückkehrte? Unruhe erfasste ihn.

Er bemerkte, wie sie die Halle absuchte. Der Raum duftete nach Wein, Myrrhe und brennendem Lavendel. Große Kronleuchter, die von der Decke hingen, waren mit Tausenden hellen Kerzen bestückt, die den Raum von einem Ende zum anderen erleuchteten. An den Wänden prangten rare Gemälde. Schimmernde Wandteppiche in Weiß und Gold hingen an den Wänden, und Diener in tiefroten Uniformen eilten umher. In der hinteren rechten Ecke spielten Musiker auf Geigen, Ukulelen und Flöten. Einige Männer und Frauen tanzten zu den gespielten Balladen. Plötzlich wollte er wissen, ob sie davon beeindruckt war oder nicht.

Als Eltanin sie beobachtete, erinnerte er sich daran, wie sein Vater, Alrakis, darauf bestand, dass er so schnell wie möglich heiraten und seine Frau markieren sollte. Das würde seine Position irgendwie stärken. Nicht nur sein Vater und seine Berater, sondern auch die Ältesten des Draka-Königreichs drängten ihn zur Heirat.

Eltanin hasste den Gedanken, an irgendjemanden gebunden zu sein, aber diejenige, die ihm ins Auge gefallen war, wollte er für diese Nacht, und vielleicht auch für noch mehr.

Die Wahrheit war…