Sie nehmen alles wörtlich.

"Wurdet Ihr geboren, um dumm zu sein, Mylord?" spottete ich und knirschte mit den Zähnen, als ich merkte, dass er sich nur über mich lustig machte. Ohne dich wäre ich nicht in dieser verzweifelten Lage!

Meine Frage überraschte ihn und seine Augen zwinkerten unzählige Male, während er meine Worte verarbeitete.

"Könnt Ihr nicht begreifen, dass ich kein Masochist bin? Als Beute angesehen zu werden macht niemanden glücklich." Ich versuchte so mutig wie möglich zu klingen, aber meine Stimme versagte, und ich spürte, wie sich die Ecken meiner Augen mit Tränen füllten. Trotzdem kämpfte ich dagegen an zu weinen. Ich ballte meine Faust fester, während meine Unterlippe zitterte.

"Ich möchte jetzt einfach nur sterben, wenn ich sowieso sterben muss. Ich erliege nicht der oberflächlichen Freude, die du von mir erwartest. Ich habe euch gebeten, mich zu töten, wenn das von Anfang an euer Plan war."

Ich versagte. Eine Träne rollte meine Wange hinunter, nachdem ich meine Rede beendet hatte. Keiner von uns sprach ein Wort. Das sanfte Zischen der Morgenbrise streifte mein Ohr.

Hätte dieser Mann letzte Nacht nicht auftaucht, könnte ich mir vorstellen, die Morgenbrise zu genießen. Aber jetzt konnte ich nichts genießen, denn ich musste diese erdrückende Angst aushalten.

Nach einer langen Stille steckte der silberhaarige Mann seinen kleinsten Finger in sein Ohr. Er bewegte ihn mit einer leichten, schnellen Bewegung. "Wisst Ihr, Ihr hättet bitten sollen, nicht geboren zu werden, wenn Ihr nicht sterben wolltet", belehrte er mich in einem gleichgültigen Tonfall.

Langsam zog er seinen kleinen Finger aus dem Ohr und betrachtete ihn. Dann pustete er den Schmutz fort, bevor er seinen Blick wieder zu mir wandte. "Statt jemanden anzuflehen, dich zu töten, genieße das Leben! So kannst du, wenn du stirbst, schöne Erinnerungen mitnehmen." Er zuckte mit den Schultern und warf mir einen lässigen Blick zu, während das Licht der Sonne hell hinter ihm strahlte.

Dies war das erste Mal, dass ich sein Gesicht klar und deutlich sah. Sein Haar ähnelte der Farbe von Holzasche und war an den Spitzen struppig, seine karminroten Augen funkelten hell und wirkten am Tag dunkler. Die Nase war schmal, die Wangen sehnig, die Lippen dünn und etwas blass. Sein Erscheinungsbild fesselte mich für einen Moment und seine Züge schrieen geradezu nach Adel. Ich hatte schon unzählige Adlige gesehen, besonders gut aussehend waren oft die mit Vampirgenen.

War er einer von ihnen? Offensichtlich war er wahrscheinlich einer dieser merkwürdigen Adligen, die ihre Macht missbrauchten. Huh ... Adlige ... Ich verabscheue ihre Existenz, Vater. "Aber Ihr seid nicht wie die anderen", platzte es aus mir heraus, ohne meinen Blick von ihm abzuwenden.

Er war anders. Daher konnte er meine Gefühle nicht verstehen.

Ein Vampir wie er konnte das Leben genießen, solange es ihm beliebte. Sie konnten es leichtfertig wegwerfen, sobald sie genug hatten.

Was mich betrifft... ich wollte einfach nur friedlich leben. Selbst wenn es unmöglich war, Frieden zu finden, so wollte ich leben.

Als ich meine letzten Worte hörte, sah ich, wie er für einen Moment innehielt. Langsam hob sich seine Lippe zu einem kaum merklichen Lächeln.

"Ich weiß", sagte er in einem eher ungewöhnlichen Ton. "Ich bin lange durch einen dunklen Tunnel gegangen, ohne wundervolle Erinnerungen zum Zurückdenken."

Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich entspannter, als ich ihn sprechen hörte, und atmete ruhig. Ich konnte es nicht verstehen, aber in meinem Herzen wurde es warm.

"Deshalb ..."

Ich schluckte schwer und biss mir auf die Unterlippe, während mein mitfühlendes Herz für ihn schmerzte. War ich vielleicht zu hart gewesen? Ich bin ein Mensch und es mag ihm schwerfallen, meine Gefühle zu verstehen. Aber war es nicht auf die gleiche Weise auch für mich schwer?Er war ein Vampir. Deshalb konnte ich mich nicht in seine Lage versetzen, denn ich hatte niemals in seinen Schuhen gesteckt oder war in ihnen gegangen.

"Deswegen sagte ich mir, dass ich bei meiner letzten Mahlzeit sicherlich das Allerbeste essen werde. Zumindest würde ich glücklich sterben."

Als ich etwas Emotionaleres erwartete, täuschte ich mich. Langsam entwickelte sich sein beiläufiges Lächeln zu einem boshaften Grinsen. "Und nur ich kann diese Mahlzeit perfektionieren, mit bemerkenswert zartem Fleisch, verfeinert mit Sahne... cremigem Blut." Er leckte sich die Unterlippe und wischte sich dann die Mundwinkel mit dem Arm ab. Allein bei dem Gedanken sabberte er bereits.

"..." Ich fand keine Worte für meine Gedanken.

Nie hätte ich gedacht, dass ich mich seiner unvernünftigen Logik so geschlagen geben würde. Mein Vater sagte immer, ich sei stur. Doch hätte er diesen Mann getroffen, wäre er sicherlich stolz darauf gewesen, wie fügsam ich war.

"Stimmt's? Also, lass uns unsere Zeit damit verbringen, unvergessliche Erinnerungen zu schaffen!" Nachdem er von seiner Essensfantasie zurückkehrte, sah er mich mit einem schiefen Grinsen an. "Ich schwöre, ich wäre zärtlich; du würdest keinen Schmerz fühlen und ich würde jeden Zentimeter von dir verschlingen."

Sollte mich das beruhigen? Ich schüttelte leicht den Kopf, wandte meinen Blick von ihm ab und ließ den tiefsten Seufzer aus, zu dem ich fähig war. Wenn ich nur den Mut hätte, mir das Leben zu nehmen, würde ich es tun. Doch ich konnte es nicht. Mit anderen Worten, ich konnte nur zulassen, dass dieser Mann mein Leben beanspruchte. Ich hoffte nur, er hatte nicht gelogen, als er sagte, ich würde keinen Schmerz verspüren.

"Du hast mein Wort; ich wäre sehr, sehr sachte", wiederholte er und grinste von einem Ohr zum anderen.

War er wirklich so glücklich, nur indem er an mich als seine Mahlzeit dachte?

"Wenn das geklärt ist... sollen wir dann reingehen und anfangen, ... Erinnerungen zu schaffen?"

Je länger ich sein bösartiges Grinsen betrachtete, desto mehr fürchtete ich mich innerlich. Wie konnten wir in dieser Hütte Erinnerungen schaffen? Hätte er das nur gesagt, weil er das Licht nicht ertragen konnte?

Der letzte Gedanke gab mir Mut. "Ich fürchte, das geht nicht, Mylord. Ich muss auf dem Feld arbeiten und im Dorf verkaufen."

Hastig stand ich auf, warf ihm ein gequältes Lächeln zu und machte mich auf den Weg, wobei ich mein Tempo allmählich beschleunigte.

'Geh und schaffe deine eigenen Erinnerungen. Ich werde für mich selbst Erinnerungen schaffen!', spottete ich innerlich und entfernte mich schnell von ihm.

**

Als Lilou davonstürmte, lachte der silberhaarige Mann, Samael, und beobachtete, wie sie ging.

"Was für ein albernes kleines Mädchen..." Samael schüttelte leicht den Kopf und biss sich auf die Unterlippe, während seine Lippen sich weiter zu einem Lächeln spannten.

"Nimmt alles wortwörtlich."