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Der Gott des Windes

Der Gott des Windes verliebt sich in ein Mädchen auf der Erde. Oder verliebt sie sich in den Wind?

Eine tragisch-romantische Geschichte mit viel Träumerei, Sehnsucht, Unerreichbarkeit....

Wenn sie läuft, hat sie Rückenwind.

Wenn sie fällt, dann Gegenwind.

Wenn sie traurig ist, streicht er ihr sanft durchs Haar.

Wenn sie lacht, dann spielt er mit ihr.

Das Rauschen der Bäume ist wie ein flüstern.

Das Pfeifen im Dach des Hauses ist wie ein Gruß.

Er lässt im Herbst die Blätter tanzen und im Winter den Schnee.

Wenn er wütend ist, bricht ein Orkan los. Wenn er emotional ist, gibt es Wirbelstürme.

Erschöpfung und Lustlosigkeit führen zur Flaute.

Der Gott des Windes hat viel gesehen, begleitet, erlebt. Er liebt die Tiere, die mit ihm rennen und auf ihm gleiten. Menschen beschweren sich in aller Regel nur, lachen ihn aus oder fürchten ihn.

Selten sieht er einen Menschen, der ihn bewusst wahrnimmt und seine Gegenwart genießt. Doch diese Momente verwehen schnell. Oft folgt er diesen Menschen eine Weile, bis sie hinein gehen in ihre Häuser.

Eines Tages folgt er ihr, die auf der Klippe stand. Er fragte sich, ob sie springen würde und zuckelte neugierig um sie herum. Doch sie schloss die Augen und lauschte dem rascheln des Laubes und dem brechen der Wellen. "Ich kann dich hören, doch ich verstehe dich nicht", sagte sie plötzlich.

Für einen Moment ebbte der Wind ab. Dann nahm er wieder zu. Sanft pflücke er ein buntes Blatt und ließ es auf sie zusegeln. Sie öffnete die Augen und fing es aus der Luft. "Ist das für mich? Dankeschön!"

Wer war sie nur, die praktisch mit dem Nichts sprach? Der Wind war unsichtbar, der Wind war nicht greifbar und man konnte Wind auch nicht schmecken oder riechen. Dennoch sprach sie zu ihm, mit dem nie ein Mensch gesprochen hatte. Doch halt! Das stimmt nicht. Kinder sprachen manchmal zu ihm. Sie waren sensibler, wenn es darum ging, eine Seele wahrzunehmen, auch wenn sie keinen festen Körper hatte.

Seine Seele war mächtig und alt, aber vergleichen mit seiner Lebensdauer, hatte er vielleicht ein Viertel seines Lebens hinter sich.

Der Tag, an dem er ihr begegnete, war ein ganz besonderer. Von da an wich er ihr nicht mehr von der Seite. Wenn sie im Haus war, rauschte er durch die Nachbarschaft und hielt Wache. Wenn sie in der Uni war, suchte er jedes offene Fenster, um herein zu gelangen. Ob sie es wohl bemerkte?

Für Außenstehende mochte es verrückt klingen, wie ein unsichtbarer Stalker, ein kranker Typ, eine Manie. Doch ein Romantiker würde es eine tiefe Verbundenheit nennen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Dem Wind war nie bewusst gewesen, dass ihm etwas fehlte, doch die ständige Unruhe, die andauernde Nervosität in seinem tiefen Inneren war wohl der Einsamkeit geschuldet. Überall, wo er war, waren Menschen, Pflanzen und Tiere doch auch wenn ihn jeder hören und spüren konnte, so nahm ihn doch niemand wirklich war. Niemand hatte je zu ihm gesprochen. Doch halt! Das ist nicht wahr. Der eine oder andere hatte ihn bemerkt. Mönche, Weisen, Blinde, Kinder und Tiere. Es gab immer wieder besonders sensible Wesen. Doch eine, wie sie, traf er das erste Mal.

Eines Tages sah er sie weinen. Er wusste, warum sie weinte. Der Mann, dem sie ihr Herz geschenkt hatte, hatte es nicht gewollt. Er war einer anderen Frau verfallen. So eine Liebe ist schön und schmerzhaft zu gleich. Es ist wie die Einsamkeit: die Sehnsucht nach Geborgenheit wird von einer tiefen Enttäuschung und Ausweglosigkeit abgelöst, bis die Kälte kommt, die dein Herz einfriert.

Er wollte ihr auch Wärme schenken, obwohl es mitten im Winter war. Er wollte ihr zeigen, dass sie nicht alleine war und er auf sie Acht gab. Sie konnte sich bei ihm fallen lassen und musste nicht mehr stark sein.

Angestrengt versuchte er alle Wärme, die er in der Luft fand zu konzentrieren, zu verdichten und wie einen Wirbel um sie herum streifen zu lassen.

Als sie die Wärme spürte, hörte sie auf zu weinen und sah sich um. Niemand war in der Nähe, nur der Wind strich ihr sanft über die tränennassen Wangen. Ob sie es bemerkte?

"Danke", flüsterte sie und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. Der Wind hielt die Wärme um sie, solange er konnte. Irgendwann war er aber so erschöpft, dass er nicht einmal ein Lüftchen mehr zustande brachte. Die Kälte kam zurück und das Mädchen begann zu zittern. Sie drehte sich einmal im Kreis, als wolle sie sich bedanken und lief dann nach Hause. Der Wind blieb an Ort und Stelle. Er war am Ende. Nie hatte er so gegen die Naturgesetze gearbeitet, wie jetzt. Alles nur für sie.

Doch hatten sie eine Zukunft? Sie wusste nicht, was er war und konnte ihn nicht sehen. Er konnte nicht reden. Ob es eine Möglichkeit gab, sich in einen Menschen zu verwandeln, um sie wenigstens einmal umarmen zu können? Sie zu lieben und sie zu halten? Ob sie ihn erkennen würde?