Der Kuss

Es dauerte nicht lange, bis Nicholas und Sophie das heilende Kraut gefunden hatten, das sie als Desinfektionsmittel verwenden und seine Wunden reinigen konnten. Doch gerade als Nicholas sich mit Sophie darüber einigen wollte, nach Hause zu gehen, ertönte plötzlich das vertraute Rauschen des Regens.

Sophies Augen weiteten sich. „Oh nein, es hat schon wieder angefangen zu regnen."

Obwohl es in den letzten drei Tagen, seit sie hier waren, nicht geregnet hatte, abgesehen von gelegentlichen leichten Schauern, die schnell aufhörten, sobald Sophie und Nicholas Schutz unter den Bäumen suchten, war dieses Mal alles anders. Sophie sah zum Himmel hoch und bemerkte, dass die Wolken jetzt dunkler und dichter waren.

„Wir müssen Unterschlupf suchen", entschied Nicholas.

Sophie stimmte seinem Urteil zu. Hilflos sahen sich die beiden im Wald um, unsicher, in welche Richtung sie gehen sollten. Es kam ihnen fast wie ein Wunder vor, dass sie bisher unter den Bäumen schlafen konnten, doch jetzt mussten sie handeln. Sophie atmete tief durch und wählte eine Richtung. „Wie wäre es, wenn wir dort langgehen? Vielleicht finden wir einen Baum mit größeren Blättern?"

Sie wies in die Richtung, in die auch die Waldkatzen davongelaufen waren. Sicherlich hatten selbst solche Tiere einen Weg gefunden, sich vor dem Regen in Schutz zu bringen.

„...In Ordnung, dann gehen wir dort hin", gab Nicholas nach. Er war tatsächlich bereit, eine weitere Runde mit diesen Katzen zu drehen, falls sie eine geeignete Unterkunft mit Dach über dem Kopf fanden. Er wollte ihnen für ihr fastiges Benehmen gegenüber Sophie eine Lektion erteilen.

Dies war ihre beste Chance.

Auf ihrem Weg dorthin entdeckten sie bald eine ungewöhnliche Besonderheit des Waldes: eine Höhle. Sie war kleiner als die letzte Höhle, die sie zuvor gefunden hatten, und als sie hineingingen, bemerkten sie, dass sie ungewöhnlich sauber war, als hätte sie jemand – oder etwas – bewohnt.

„Dieser Ort sieht gepflegt aus. Vielleicht wohnt hier tatsächlich jemand. Könnte es nicht als Hausfriedensbruch gelten, wenn wir einfach so hineingehen?", fragte Sophie besorgt.

„Lass uns hier bleiben, bis der Regen aufgehört hat", schlug Nicholas vor. „Sollte uns ein Bär heimsuchen, werde ich ihn in die Flucht schlagen."

Da sie keine andere Möglichkeit hatten, sich vor dem wieder einsetzenden Sturm zu schützen, wagten sie es und traten in die Höhle ein. Glücklicherweise gab es keine Bären oder gefährlichen Raubkatzen, die ihnen zu schaffen machten.

Kaum waren sie angekommen, flatterte eine Schar Fledermäuse auf, doch Nicholas schreckte sie ab, und die meisten zogen es vor zu fliehen, anstatt bei den Menschen zu bleiben. Die Fledermäuse ließen die beiden schließlich in Ruhe.

„Wir sind schon wieder nass geworden", sagte Sophie, während sie das Wasser aus ihren Haaren wrang und dabei auf Nicholas' kräftigen Rücken blickte. Sein Hemd war mittlerweile ein wenig durchsichtig, doch sie räusperte sich. „Wie geht es deinem Arm, Nick?"

„Gut", erwiderte Nicholas mit einem Grinsen. „Mir geht es eigentlich schon viel besser."

„Das ist eine Erleichterung", sagte Sophie und schaute sich in der Höhle um. Sie war trocken und schützte tatsächlich sehr gut vor dem Regen.

Es sah fast so aus, als wäre es noch immer das Zuhause jemandes, doch die Spinnweben deuteten darauf hin, dass es schon lange her war, dass hier jemand gelebt hatte. Wer könnte das gewesen sein? Eine Hexe? Jemand anderes? Oder vielleicht nur ein Tier, das sich ein neues Zuhause gesucht hatte?

„...hier gibt es Holz", murmelte Nicholas, während er die Augen zusammenkniff beim Anblick einiger Holzscheite, die in der Höhle gestapelt waren, und den Spuren, die auf einen Bewohner hindeuteten. Er hätte sich gewünscht, sie hätten einen anderen Platz gefunden, aber sein Instinkt verriet ihm, dass sie allein waren.

Sophies Augen weiteten sich erneut, allerdings stellte sie rasch fest, dass es nur wenige Holzscheite waren. „Äh, das wird uns nicht die ganze Nacht über ausreichen."

„Na ja, besser als gar nichts", gab Nicholas zurück und hustete. Er wollte den Zwischenfall mit der Umarmung nicht erwähnen ... doch bedeutete das, dass so etwas wieder geschehen könnte?

Nicholas gelang es, ein Feuer zu entzünden.

Sophie und Nicholas kuschelten sich aneinander und konnten sich zumindest umziehen, denn jeder hatte Ersatzkleidung dabei. Dabei schlossen sie jeweils die Augen, wenn der andere sich umzog, so dass keiner von ihnen frieren musste.Es war immer noch kalt, und das Feuer würde sie nicht die ganze Nacht über warm halten.

"Ich denke, dieses Mal ist es etwas besser", bemerkte Sophie.

"Hm?" Die Augen von Nicholas weiteten sich.

"Das Feuerholz ist nicht nass", kicherte Sophie, als sie sich ein wenig näher zu ihm bewegte. Im Unterschied zu vorher war es Sophie, die sich dem Jungen näherte. "Aber wir sollten wohl besser wieder etwas näher zusammenrücken, um die Körperwärme zu teilen."

"Das klingt vernünftig," sagte Nicholas und bemühte sich, nicht zu erröten. "Du kannst dich ausruhen, und ich passe heute Nacht auf, damit keine Eindringlinge kommen."

Sophies Schultern berührten die von Nicholas, und sie blickte ihn stirnrunzelnd an. Nach allem, was sie in den letzten Tagen durchgestanden hatten, behandelte er sie noch immer, als wäre sie ein Kind.

Er brauchte sich nicht ständig für ihre Sicherheit aufzuopfern.

"Das ist keine faire Entscheidung, Nicholas", sagte Sophie und zog die Stirn in Falten. "Du wirst auch müde. Was, wenn ich dir stattdessen heute Nacht Gesellschaft leiste?"

"Du brauchst ordentlich Schlaf, wenn wir morgen nach Hause fahren wollen", gab Nicholas zu bedenken. "Du wirst alle deine Energie brauchen. Also schlaf ein wenig, okay?"

"Ich bestehe darauf, mit dir wachzubleiben", schmollte Sophie. "Es wird auch für dich langweilig und anstrengend sein, die ganze Nacht alleine wach zu sein. Wir können jedenfalls ausgiebig schlafen, wenn wir zu Hause ankommen."

"In Ordnung, es ist deine Entscheidung", erwiderte Nicholas schließlich, etwas abgelenkt.

Die Art, wie sie sich nicht scheute, ihm in die Augen zu schauen, und mit ihren vollen Lippen völlig unbefangen schmollte, reizte ihn mehr als je zuvor.

Selbst der Regen konnte ihren verlockenden Duft nicht unterdrücken.

"Oh, danke." Sophies Lächeln wurde breiter, aber dann wurde ihr Gesicht warm, als ihr bewusst wurde, wie nahe ihre Gesichter wieder zusammen waren.

Sie konnte tatsächlich den heißen Atem von Nicholas auf ihrem Gesicht spüren.

Es erinnerte Sophie an die Zeit, als Nicholas ihr ins Ohr flüsterte und seine Lippen beinahe ihr Ohr streiften. Das Gefühl von damals kam zurück, und sie fragte sich, ob die Luft um sie herum dichter geworden war.

Sophies Herz klopfte und sie neigte sich instinktiv zu Nicholas.

Sie küsste ihn.

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Von Missrealitybites:

Hehehe... ENDLICH küssen sie sich!

PS: Vielen, vielen Dank für die ganzen lieben Geburtstagswünsche, die ihr mir heute gesendet habt. Ich melde mich bei euch mit einer Antwort, sobald ich mich etwas erholt habe. Ich habe immer noch Rückenschmerzen (das sind wohl die Nebenwirkungen des Älterwerdens... ahaha).

PPS: Danke auch für die Geschenke. Despina, Rose, Kendra, ich liebe euch! Und meinen Autorenfreunden (die dieses Buch eigentlich nicht lesen, mir aber heute Geschenke geschickt haben) - eine Person nutzte sogar ein Konto namens "HappybirthdayMRB", um das Geschenk zu versenden XD.

Ich bin wirklich dankbar, so viele wundervolle Menschen um mich herum zu haben, die mich auf meiner Schreibreise begleiten.