Die Wiedergeburt

Ava kam im Haus ihres Vaters an und fand ihn im Arbeitszimmer vor, ihr Herz pochte, als sie ihn erblickte. Der Anblick ihres Vaters, lebendig und wohlauf, an seinem Schreibtisch sitzend mit einer Akte in der Hand, überwältigte sie mit Emotionen. Sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten.

Als er das Knarren der Tür hörte, blickte Thomas auf. Er war angenehm überrascht, seine Tochter zu sehen.

"Ava! Bist du das wirklich?" Die Freude war deutlich in seinem Ton zu hören.

"Papa!" würgte Ava hervor, eilte durch den Raum und warf sich in seine Arme, wie sie es als Kind getan hatte.

Thomas' Herz sank, als er sie schluchzen hörte. "Warum weinst du, Ava? Hat jemand etwas zu dir gesagt? Hat Dylan dich traurig gemacht?"

Die Erwähnung von Dylan machte ihre Stimmung noch bitterer. Ava hörte sofort auf zu schluchzen. Sie wollte nicht an diesen Mann denken, geschweige denn über ihn sprechen.

"Ich habe dich einfach sehr vermisst." Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg und versuchte, sich zu beruhigen. "Ich war all die Jahre nicht die Tochter, die du verdient hast. Ich habe dich vernachlässigt. Ich habe mich nicht so um dich gekümmert, wie ich es hätte tun sollen. Aber ich möchte meine Fehler wiedergutmachen."

Ihre Stimme gewann wieder an Festigkeit, als sie seinen Blick erwiderte. "Du wolltest immer, dass ich dich im Geschäft unterstütze. Nun, ich bin jetzt bereit. Ich werde in die Firma einsteigen und an deiner Seite arbeiten."

In ihrem früheren Leben hatte sie törichterweise ihre Anteile an Williams Holdings an Dylan übergeben und ihm blind vertraut. Aber nicht dieses Mal. Dieses Mal würde sie kämpfen, um ihren Vater, ihr Unternehmen und ihr Erbe zu schützen. Dylan würde keine zweite Chance bekommen, alles zu ruinieren.

Thomas blinzelte, sichtlich bewegt von ihren Worten, aber er konnte die Veränderung in Ava sehen, die im vergangenen Jahr gefehlt hatte. Es war, als hätte sie das Selbstvertrauen wiedererlangt, das sie vor ihrer Heirat mit Dylan gehabt hatte.

Er lächelte und schätzte die Veränderung an ihr. "Das ist großartig. Ich bin stolz auf dich. Aber bevor du irgendwelche Entscheidungen triffst, musst du mit Dylan sprechen."

"Warum? Das ist meine Entscheidung," protestierte sie, Frustration war deutlich auf ihrer gerunzelten Stirn zu sehen. "Warum sollte ich seine Erlaubnis brauchen?"

Thomas seufzte, sein Gesichtsausdruck wurde düster. "Die Dinge waren im letzten Jahr schwierig," gab er zu, seine Stimme schwer von der Last seiner Worte. "Das Unternehmen kämpft. Wir machen Verluste, verlieren Kunden und Projekte werden storniert," erklärte er grimmig.

"Dylan hat uns geholfen, in unsere Projekte investiert. Mit anderen Worten, wir sind von ihm abhängig. Wenn du in unserem Unternehmen arbeiten willst, musst du ihn zuerst überzeugen."

Avas Herz sank, als sie seine Worte verarbeitete. Es war genauso wie zuvor. Damals hatte sie Dylans Absicht nicht vermutet und geglaubt, dass er wirklich versuchte, ihrem Vater zu helfen. Aber jetzt, mit dem Wissen ihres früheren Lebens, sah sie das klare Bild.

Dies war nur Dylans Plan, um die Kontrolle über Williams Holdings zu erlangen.

'Nein, ich werde nicht zulassen, dass er uns dieses Mal zerstört,' beschloss sie.

Sie nickte entschlossen und sagte: "In Ordnung, Papa. Ich werde mit Dylan sprechen, wenn er von seiner Reise zurück ist. Aber bis dahin möchte ich hier bei dir bleiben." Ihr Lächeln kehrte zurück, als sie ihn erneut umarmte.

"Dies ist dein Zuhause. Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest." Thomas tätschelte liebevoll ihren Kopf.

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Nach einem langen Meeting kam Dylan endlich im Hotel an. Er lockerte seine Krawatte und zog sein Handy heraus, in Erwartung einer Flut von verpassten Anrufen oder Nachrichten von Ava.

Aber da war nichts. Keine verpassten Anrufe, keine Textnachrichten.

Der Bildschirm war leer, und es ließ ihn ungläubig die Stirn runzeln.

Letzte Nacht hatte Ava ihn gefühlt hundertmal angerufen, ihre Texte überfluteten sein Handy. Dylan hatte jede einzelne ignoriert, um sie zu verletzen. Er wollte, dass sie sich vernachlässigt fühlte. Aber heute war nichts von ihr da.

Es war ungewöhnlich.

'Was hat diese Frau vor?' fragte er sich. Plötzlich wurde seine Stimmung sauer, und er warf sein Handy weg.

"Haben Sie Anrufe von Ava erhalten?" fragte er seinen Assistenten. Er kniff sich in den Nasenrücken, um das Unbehagen abzuwehren, das sich einzuschleichen begann.

"Nein, Sir," antwortete Justin, sein Assistent. "Aber ich habe einen Anruf vom Wachmann erhalten. Frau wurde letzte Nacht ins Krankenhaus gebracht."

Dylans Kopf schoss hoch, und er spürte, wie sein Magen plötzlich in den Keller fiel. "Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt?" schrie er.

"I-Ich entschuldige mich, Sir," stotterte Justin. "Sie sagten mir, ich solle Sie über nichts informieren, was mit ihr zu tun hat, also habe ich—"

Bevor Justin zu Ende sprechen konnte, überkam Dylan plötzlich eine Welle von Schwindel. Seine Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Er hatte das Gefühl, dass eine unsichtbare Hand ihm den Atem raubte.

Während er um Atem rang, zogen einige Szenen durch seinen Geist, die ihn noch mehr verwirrten. Er sah Ava in Schmerzen, ihr tränenverschmiertes Gesicht, ihre zerbrechliche Gestalt, die auf dem Boden lag.

Er blinzelte wiederholt, um seine Sicht zu klären, aber diese Szenen wurden nur noch lebhafter, als hätte er diese Momente selbst erlebt. Die Schuld traf ihn wie ein Schlag in den Magen, und er stolperte, griff nach der Rückenlehne des Sofas, um sich zu stabilisieren.

Der Raum um ihn herum verschwamm in diesem Moment.

Rückblende...

Dylan sah sich selbst, wie er sein Familienanwesen betrat, seine Schritte schwer. Er stand vor dem Foto seiner Eltern, das an der Wand hing, seine Augen glänzten vor ungeweinten Tränen.

"Mom, Dad... Ich habe euch endlich gerächt," murmelte er.

Er hatte endlich den Sieg errungen, auf den er gewartet hatte. Es war der Moment des Triumphs. Stattdessen verzehrte ihn eine nagende Leere. Er hatte Jahre damit verbracht zu planen und zu intrigieren, um sicherzustellen, dass Thomas Williams und seine Familie genauso leiden würden wie er nach dem Tod seiner Eltern. Und doch fühlte sich sein Herz schwerer an als je zuvor.

"Aber... warum bin ich nicht glücklich? Alles lief nach Plan... warum fühle ich mich dann so?"

Endlich war seine Rache vollendet. Sollte er nicht glücklich sein? Aber warum war er traurig? Es war, als würde sein Herz zerreißen."

Er blinzelte seine Tränen weg. "Ich wollte sie leiden sehen. Aber jedes Mal, wenn ich Ava weinen sah, tat es mir weh. Jedes Mal..." Nach einem Moment der Pause fügte er hinzu: "Ich glaube, ich liebe Ava."

"Mr. Brooks..." Die Tür schwang mit einem lauten Knarren auf. Justin eilte herein, sein Gesicht blass und alarmiert. "Es stimmt etwas nicht mit den Ergebnissen."

Dylan wischte sich hastig die Tränen weg und runzelte die Stirn.

"Mr. Williams war unschuldig," sagte Justin mit grimmiger Miene. "Er hat Ihre Eltern nicht getötet." Er reichte ihm einen Ordner.

Der Donner krachte laut, aber Dylan fühlte sich, als hätte ihn der Blitz getroffen. Er riss Justin den Ordner aus den Händen. Seine Finger zitterten, als er ihn öffnete und die Dokumente durchblätterte. Die Wahrheit starrte ihn in Schwarz auf Weiß an.

"Was habe ich getan?" murmelte er benommen, sein Atem stockte in seiner Kehle. Sein Verstand kämpfte damit, die Realität zu verarbeiten. "Ich habe sie all die Jahre zu Unrecht beschuldigt."

Er hatte Ava in den letzten fünf Jahren nie warm angelächelt. Sein einziges Motiv war es, sie leiden zu lassen, um sich an Thomas Williams zu rächen. Aber am Ende stellte er fest, dass er sie zu Unrecht beschuldigt hatte. Er hatte sogar Thomas getötet.

Wie sollte er Ava gegenübertreten?

Der Ordner glitt aus seinen Händen und verteilte sich auf dem Boden, aber Dylan bemerkte es nicht einmal. Er war verloren im Strudel seiner eigenen Schuld.

"Ava! Kannst du mir verzeihen?"

Er musste sie sehen, sich entschuldigen, um ihre Vergebung betteln. Aber wie konnte er ihr nach allem, was er getan hatte, gegenübertreten? Wie konnte er das jemals wiedergutmachen?

"I-Ich muss zu ihr," stammelte er und stürzte aus dem Haus, ohne sich um den heftigen Regenguss zu kümmern.

Eine halbe Stunde später stürmte Dylan in die Villa. "Ava!" rief er.

Seine Augen scannten den Raum, aber der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben. Dort, in einer Blutlache auf dem Boden liegend, war Ava.

Sein Herz sank wie ein Stein.

"Nein, Ava, nein..." In einem panischen Schwindel eilte Dylan an ihre Seite und fiel auf die Knie. Für einen Moment konnte er nichts anderes tun, als auf ihren leblosen Körper zu starren. Seine Hände zitterten, als er vorsichtig ihre schlaffe Gestalt in seine Arme nahm und sie eng an sich zog.

Sie war kalt. Die Wärme ihres Körpers war verschwunden. Ava war bereits tot.

"Warum hast du mir keine Chance gegeben, mich zu entschuldigen? Du willst, dass ich es für den Rest meines Lebens bereue. Bitte komm zu mir zurück."

Er hielt sie fest an seine Brust gedrückt und weinte.

"Mr. Brooks – Sir, öffnen Sie Ihre Augen."

Plötzlich spürte er einen kalten Wasserspritzer in seinem Gesicht, der ihn aus der alptraumhaften Vision riss.

Dylan keuchte, seine Augen flogen auf.

"Geht es Ihnen gut?"

"Ava! I-Ich muss sie finden," stammelte Dylan, immer noch um Atem ringend. "Machen Sie den Jet bereit. Sofort. Ich muss zu ihr."