Erinnerung an Feuer

Luck saß in seinem Zimmer und starrte an die Decke. Der Tag hatte ihn aus der Fassung gebracht, und die Gedanken in seinem Kopf wirbelten umher wie ein Sturm. Magie. Es fühlte sich so surreal an, so weit entfernt von allem, was er jemals gekannt hatte. Und doch war es real. Er hatte es mit eigenen Augen gesehen – die Flammen in der Hand seines „Vaters", die mühelos einen Baum zerteilten.

„Was zur Hölle ist hier los?" murmelte er leise zu sich selbst und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

Die Worte seines Vaters hallten in seinem Kopf wider: „Wir dachten, du brauchst noch Zeit, um dich daran zu erinnern."

Woran sollte er sich erinnern? Was war es, das alle zu wissen schienen, außer ihm?

Sein Blick wanderte zum Fenster, wo der Vollmond über dem Dorf schwebte. Es war still draußen, nur das ferne Zirpen der Grillen begleitete die Nacht. Doch in seinem Inneren herrschte ein tosendes Chaos.

„Magie…" flüsterte er erneut und ließ das Wort auf seiner Zunge kreisen. Es fühlte sich fremd an und gleichzeitig vertraut, als würde es zu etwas gehören, das er längst vergessen hatte.

Er konnte es nicht ertragen, stillzusitzen. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Also stand er auf, zog seine Stiefel an und schlich sich leise aus dem Haus.

Draußen war die Luft kühl und klar. Luck atmete tief ein und spürte, wie sich seine Gedanken langsam zu beruhigen begannen. Der Weg hinter dem Haus führte zurück zum Wäldchen, wo sie am Morgen Holz geschlagen hatten.

Er folgte dem Pfad, seine Füße knirschten leise auf dem Kies. Der Vollmond warf genug Licht, um den Weg zu erhellen, und die Bäume wirkten im silbernen Schein wie Wächter einer alten, vergessenen Welt.

Als er den Platz erreichte, wo sein Vater das Feuer beschworen hatte, blieb er stehen. Die Überreste des zerteilten Baums lagen noch da, die Kanten schwarz verkohlt, aber glatt wie Glas. Luck kniete sich hin und berührte das Holz mit den Fingerspitzen. Es fühlte sich warm an, fast so, als würde die Hitze des Feuers noch immer darin stecken.

„Wie hast du das gemacht?" murmelte er, als würde er die Frage an den leeren Wald richten.

Er ballte die Hand zur Faust. Ein Teil von ihm wollte es selbst versuchen, wollte herausfinden, ob er auch diese Fähigkeit hatte. Doch ein anderer Teil – der Teil, der sich immer noch weigerte, das alles zu akzeptieren – hielt ihn zurück.

„Es ist unmöglich," sagte er leise zu sich selbst. „So etwas gibt es nicht. Es darf es nicht geben."

Und doch hatte er es gesehen. Er hatte es gefühlt.

Am nächsten Morgen war Luck ungewöhnlich still. Er hatte kaum geschlafen, und die wenigen Stunden, die er ruhte, waren von wirren Träumen durchzogen – Flammen, die sich um ihn wanden, Stimmen, die seinen Namen riefen, ein endloser Abgrund, der sich unter ihm auftat.

„Alles in Ordnung, Luck?" fragte seine Mutter beim Frühstück, ihre Stirn leicht besorgt gerunzelt.

„Ja," antwortete er schnell, ohne sie anzusehen. „Ich bin nur ein bisschen müde."

Sein Vater, der am anderen Ende des Tisches saß, musterte ihn mit einem Blick, der mehr wusste, als er preisgab. „Vielleicht solltest du heute ein bisschen rausgehen," schlug er vor. „Frische Luft tut gut."

Luck nickte nur, sein Kopf schien zu schwer, um etwas anderes zu tun.

Nach dem Frühstück zog er sich seine Jacke über und trat nach draußen. Die Sonne schien warm auf sein Gesicht, aber sie konnte die Kälte, die sich in seiner Brust ausgebreitet hatte, nicht vertreiben.

Er wanderte ziellos durch das Dorf, seine Gedanken immer noch bei dem, was er gesehen hatte. Die anderen Dorfbewohner grüßten ihn freundlich, einige winkten ihm sogar zu. Aber alles fühlte sich… falsch an.

Er blieb auf dem Marktplatz stehen und beobachtete, wie ein Händler Gemüse aus einem Wagen lud. Die Bewegung schien normal, alltäglich. Doch dann sah er es: Der Mann hob eine Kiste, die viel zu schwer für jemanden seiner Statur war. Es war, als hätte er eine unsichtbare Kraft, die ihm half.

Luck schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Überall, wo er hinsah, schien die Welt voller kleiner Unmöglichkeiten zu sein, die er zuvor nie bemerkt hatte.

„Ich werde verrückt," murmelte er zu sich selbst und schlug die Hände vors Gesicht.

Später am Abend saß er wieder mit seiner Familie am Tisch. Das Abendessen war still, und Luck fühlte sich wie ein Fremder inmitten von Vertrauten.

Schließlich räusperte er sich. „Papa?" begann er, und die Worte fühlten sich schwer an.

Sein Vater blickte von seinem Teller auf. „Ja, Luck?"

Er zögerte, bevor er weitersprach. „Das mit dem Feuer… Wie hast du das gemacht? Kann das… jeder?"

Sein Vater legte das Besteck beiseite und lehnte sich zurück. Seine Augen wirkten ernst, aber auch ein wenig amüsiert. „Ich habe dir doch gesagt, dass fast jeder in diesem Dorf Magie nutzen kann. Es ist nichts Besonderes."

„Aber wie… Wie funktioniert das?" Luck spürte, wie seine Hände unter dem Tisch zu Fäusten geballt waren. „Warum kann ich das nicht?"

Sein Vater lachte leise, aber es war ein freundliches Lachen, kein spöttisches. „Du machst dir zu viele Gedanken, Junge. Magie ist etwas, das aus dir kommt, aus deinem Inneren. Es ist wie… ein Muskel, den du trainieren musst. Aber wenn du es zu sehr erzwingst, wird es nichts."

„Kann ich es lernen?" fragte Luck, seine Stimme klang fester, entschlossener.

Sein Vater lächelte. „Natürlich kannst du das. Aber alles zu seiner Zeit. Erst musst du verstehen, was Magie wirklich ist."

Luck nickte langsam. Er hatte noch viele Fragen, aber für den Moment ließ er es dabei bewenden. Doch in seinem Inneren brannte etwas – ein Funke, der bereit war, entfacht zu werden.