„Nein, nein, nein..." Ren sprang auf, als das metallische Zischen näher kam.
Die Pilze in seinem Haar pulsierten jetzt mit einem seltsamen gelblichen Leuchten, aber er hatte kaum Zeit sich zu fragen, warum.
Der Tunnel erstreckte sich vor ihm wie ein schwarzer Schlund. Keine Seitenausgänge, keine Verstecke.
Nur glatter, uralter Stein und diese geheimnisvollen Symbole, die im gelben Licht seiner Pilze schwach zu leuchten schienen.
„Los, los", trieb Ren sich selbst an.
Das metallische Zischen kam näher. Er konnte hören, wie die Sensen an den Tunnelwänden kratzten, das kranke Klirren zerbrochener Platten.
Ein weiteres Zischen, näher.
Die Gottesanbeterin bewegte sich jetzt schneller, das Fleisch des Baggers gab ihr neue Energie. Das Klimpern ihres beschädigten Exoskeletts war wie eine Totenglocke, die sich in der Dunkelheit näherte.
Ren rannte.
Seine Füße schlugen auf den uralten Boden, als er tiefer in den Tunnel eindrang. Die Luft wurde kälter, dichter. Sein Atem hallte in seinen Ohren wider, vermischt mit dem immer näher kommenden Geräusch von Sensen auf Stein.
Scriiitch. Scriiitch. Scriiitch.
Die Gottesanbeterin musste nicht einmal rennen. Ihr stetiges, unerbittliches Tempo reichte aus. Früher oder später würde der Tunnel enden. Früher oder später würde er keine Fluchtmöglichkeiten mehr haben.
Ein Aufblitzen ihrer Sensen erhellte den Tunnel hinter ihm.
Das Biest war jetzt nah genug, dass das Licht der Pilze den krankhaften Glanz seiner Augenfacetten und das unregelmäßige Muster seiner zerbrochenen Platten enthüllte.
Es spielte keine Rolle, dass es verletzt war.
Es spielte keine Rolle, dass es aus seinem Territorium vertrieben wurde. Es war immer noch eine Bronze-Rang-Kreatur, und er... er war nur ein Kind mit dem schwächsten Biest der Welt.
Der Tunnel wurde enger. Oder vielleicht spielten seine Augen ihm in der Dunkelheit Streiche. Das gelbe Licht der Pilze warf seltsame Schatten an die Wände und ließ die uralten Symbole tanzen.
Scriiitch. Scriiitch. SCRIIITCH.
Näher. Immer näher.
Ren stolperte, sein Knie traf auf Stein. Schmerz explodierte in seinem Bein, aber der Terror hielt ihn in Bewegung. Er stand auf und rannte weiter, humpelnd, vorwärts kriechend.
Die Gottesanbeterin zischte, der Klang war jetzt so nah, dass er die Vibration in seinen Knochen spüren konnte. Ihre zerbrochenen Platten erzeugten ein albtraumhaftes Spektakel an den Tunnelwänden und reflektierten das gelbe Licht der Pilze in fraktalen, wahnsinnigen Mustern.
Und dann endete der Tunnel.
Eine glatte, massive Wand erhob sich vor ihm, bedeckt mit uralten Symbolen, die sein Schicksal zu verspotten schienen.
Kein Ausweg.
Das metallische Zischen verstummte.
In der folgenden Stille konnte Ren hören, wie die Sensen über den Stein kratzten, während sich die Gottesanbeterin langsam näherte und den Moment auskostete.
Sie musste nicht mehr rennen. Musste sich nicht mehr beeilen.
Ihre Beute war in die Enge getrieben, sie musste nur noch...
Das gelbe Licht der Pilze verstärkte sich, als würde es auf Rens Terror reagieren. Die Symbole an der Wand begannen mit demselben krankhaften Schimmer zu leuchten, lösten sich in kleinen Wolken von den Wänden und bildeten Muster, die ihn an... erinnerten.
Sporen?
Die Spiegelmantis hielt inne.
Ihre Augenfacetten reflektierten das gelbe Licht und erzeugten ein Kaleidoskop des Todes an den Tunnelwänden. Sie hob ihre Sensen, bereit zum finalen Schlag.
Aber etwas stimmte nicht. Das Biest neigte seinen dreieckigen Kopf, verwirrt. Seine zerbrochenen Platten klirrten in einem neuen Rhythmus, unregelmäßiger, ... ängstlicher?
Die Luft wurde dicht, schwer von einem Geruch, den Ren noch nie zuvor wahrgenommen hatte.
Es roch nach feuchter Erde und verrostetem Metall, nach verfaulenden Blättern und etwas Älterem, Tieferem.
Die Symbole an der Wand, die er für Zeichen der Alten gehalten hatte, begannen sich zu bewegen.
Nein, nicht bewegen.
Sie lösten sich ab.
„Das sind keine Symbole", flüsterte Ren, als ihn die Erkenntnis wie ein eisiger Schlag traf. „Das sind Sporen. Ruhende Sporen."
Die Gottesanbeterin wich einen Schritt zurück, ihr metallisches Zischen verwandelte sich in etwas, das der Panik nahe kam.
Ihre Platten reflektierten jetzt tausende Punkte gelben Lichts, die sich von Wänden, Decke und Boden lösten, Sporen, die jahrhundertelang gewartet hatten und nun durch die Resonanz der Pilze in Rens Haar erwachten.
Der gesamte Tunnel war lebendig.
Und er war hungrig.
Die uralten Sporen wirbelten wie ein goldener Sturm durch die Luft und hüllten zuerst die Gottesanbeterin ein. Das Biest kreischte, ein Geräusch, von dem Ren nie gedacht hätte, dass eine so furchterregende Kreatur es von sich geben könnte.
Ihre zerbrochenen Platten, die das Licht unvollkommen reflektierten, erzeugten eine Horrorshow, während die Sporen jeden Riss, jede Spalte in ihrem Exoskelett fanden.
Ren presste sich gegen die schräge Rückwand, sein Herz schlug so heftig, dass er dachte, es würde zerspringen.
Die Gottesanbeterin wand sich, ihre Sensen schnitten nutzlos durch die Luft, während die goldene Wolke sie verschlang. Ihr metallischer Schrei verklang und verwandelte sich in ein nasses, schreckliches Geräusch.
Und dann Stille.
Wo das mächtige Bronze-Biest gestanden hatte, lag jetzt nur noch ein Haufen zerbrochener Platten, bedeckt mit gelblichem Schimmel, der mit uraltem Leben pulsierte.
Die Sporen wandten sich Ren zu.
Die goldene Wolke wirbelte wie eine Welle uralten Hungers.
Die Pilze in seinem Haar pulsierten hektisch, aber diesmal gab es keine Verwirrung, keine Rettung.
Die uralten Sporen waren keine normalen Raubtiere, sie waren Überreste eines vergessenen Zeitalters, und alles Lebende war ihre Beute.
Die erste Berührung war wie gefrorenes Feuer auf seiner Haut.
Gelbliche Pilze sprossen aus seinen Armen, Beinen, seinem Hals, jeder pulsierte in einem krankhaften Rhythmus, der seine Energie aussaugte. Der Schmerz war unbeschreiblich, als würde jede Pore seines Körpers von innen verschlungen.
„Nein... bitte...", keuchte er und fiel auf die Knie.
Aber dann sah er es, wo sich die Sporen von der Decke gelöst hatten, filterte ein Lichtstrahl durch wie ein Versprechen der Erlösung.
Ein Ausgang, gerade groß genug für ein Kind.
Ren stand auf, seine Beine zitterten vor Anstrengung. Die eindringenden Pilze breiteten sich weiter über seinen Körper aus, aber etwas war anders.
Wo die Gottesanbeterin in Sekunden erlegen war, blieb er bei Bewusstsein. Seine eigene Spore, das „schwächste Biest der Welt", pulsierte mit ihrem Licht, als würde sie... kämpfen.
Jede Anstrengung war eine Qual.
Er drückte sich nach oben, seine Finger fanden den Rand des Lochs, gerade als seine Knie nachzugeben drohten. Das Licht blendete ihn kurzzeitig, als er aus dem Tunnel kroch.
Es war nicht das Freie.