Ball? Ich dachte, das wäre ein Witz

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in einer absurden Reality-Show gefangen bin. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich hier stehe, in einem Kleid, das aussieht, als hätte eine Disney-Prinzessin es erbrochen, während meine Stiefschwestern sich gegenseitig anhimmeln, als wären sie auf einer verdammten Oscar-Verleihung. „Oh mein Gott, Sophia, dein Glow ist UNGLAUBLICH!" quietscht Livia und sprüht noch mehr Highlighter auf ihre bereits schimmernden Wangen. „Danke, Babe, aber schau dich mal an! Ich meine, diese Haare?! Du bist eine Göttin." Ich würde mir ja in die Faust beißen, um das Fremdschamgefühl zu unterdrücken, aber leider sind meine Hände damit beschäftigt, nicht das Kleid zu zerreißen, das mir Viktoria aufgedrängt hat. Es ist blau, bodenlang, und hat mehr Tüll als mein gesamtes Leben an Würde. „Ella, kannst du BITTE mal aufhören, dich zu benehmen, als würdest du zur eigenen Hinrichtung fahren?" schnauzt mich Viktoria an. „Steh gerade." „Ich stehe so gerade, wie es mir dieses Ding erlaubt." Ich deute auf das Kleid, das sich anfühlt, als hätte jemand versucht, mich in Geschenkpapier zu wickeln. „Du siehst wunderschön aus", sagt sie mit einem falschen Lächeln. „Versuch doch, es wenigstens zu genießen." Ich gebe ein unbestimmtes Grummeln von mir.

Genießen? Einen Abend voller versnobter Adliger, narzisstischer Millionärskinder und einem „Prinz", der glaubt, dass ein Ball die beste Art ist, eine Freundin zu finden? Klar. Das wird bestimmt mein persönliches Highlight des Jahres. Ein Chauffeur fährt mit einer Limousine vor. Ernsthaft. Eine verdammte Limousine. Livia und Sophia kreischen, als würden sie gleich in den Himmel aufsteigen.

„Das ist SO ikonisch!" Sophia filmt bereits für ihre Story, während Livia sich dramatisch die Hand vor den Mund hält. „Ich kann nicht glauben, dass DAS unser Leben ist!" „Ich schon." Ich rolle mit den Augen. Dann werden wir hineingeschoben, ich lande irgendwo zwischen einer Ladung Satin und einer Tonne Haarspray, und ehe ich mich versehe, rollen wir durch die Stadt, auf dem Weg zu einem Abend, den ich jetzt schon bereue. Die Location ist natürlich atemberaubend. Riesiges Schloss. Überall goldene Verzierungen, Kronleuchter, die aussehen, als könnten sie ein kleines Land finanzieren, und eine Treppe, die so lang ist, dass ich mich kurz frage, ob man sich beim Runterfallen das Genick bricht oder nur ein paar Knochen. Am Eingang stehen Fotografen. Blitzlichtgewitter. Ich versuche, mich unauffällig im Hintergrund zu halten, aber natürlich sind meine Schwestern in ihrem Element. Sie posieren, werfen Küsse in die Kameras, drehen sich im perfekten Winkel, damit das Licht ihre Gesichter schmeichelhaft trifft. „Ella, komm her!" Sophia zieht an meinem Arm. „Lass uns ein Schwesternfoto machen!" „Oh nein, auf keinen Fall."

„Stell dich nicht so an." „Ich weigere mich, Teil eurer Social-Media-Strategie zu sein." „Ella." Viktorias Tonfall ist nicht einmal laut, aber ich weiß, dass sie mich am liebsten bei der ersten Gelegenheit strangulieren würde. „Tu es." Ich seufze, stelle mich neben die beiden und zwinge mich zu einem Lächeln. „Eins, zwei, drei… Hashtag Royalty!" Klick. Ich fühle mich offiziell wie ein Teil eines schlechten Werbespots. Dann geht es weiter ins Innere des Ballsaals. Und ja, der ist beeindruckend. Hohe Decken, riesige Spiegel, überall kunstvolle Dekorationen. Ein Live-Orchester spielt klassische Musik, und ich habe das vage Gefühl, in eine andere Epoche geworfen worden zu sein. Menschen in eleganten Kleidern und maßgeschneiderten Anzügen flanieren durch den Raum, lachen in perfekt einstudierten Tönen, nippen an Champagnergläsern, als wäre das hier völlig normal. Ich nehme mir das nächstbeste Getränk, das ich finden kann, und versuche, unauffällig eine Ecke zu finden, in der ich mich vor diesem Wahnsinn verstecken kann. Doch dann höre ich eine vertraute Stimme. „Na, das ist ja eine Überraschung." Ich drehe mich um. Und da steht er. Adrian. Der Typ, dem ich neulich einen Kaffee über den Designeranzug geschüttet habe. Der zukünftige König. Der Grund, warum das hier alles passiert. Und natürlich sieht er aus, als wäre er einem Hochglanzmagazin entsprungen. Dunkler Anzug, perfekt sitzende Krawatte, dieses selbstbewusste Grinsen, das ihm wahrscheinlich schon in die Wiege gelegt wurde. „Hätte nicht gedacht, dich hier zu sehen", sagt er. Ich nippe an meinem Getränk. „Ich auch nicht." „Aber du hast es geschafft." „Gegen meinen Willen, aber ja." Er mustert mich kurz, dann deutet er auf meine Füße. „Chucks? Ernsthaft?" Ich zucke die Schultern. „Jemand musste die Tradition brechen." Er schüttelt amüsiert den Kopf. „Weißt du, du bist wirklich… interessant." Ich verziehe das Gesicht. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das als Kompliment nehmen soll." „Du solltest." Er lehnt sich gegen eine der Säulen, nimmt einen Schluck aus seinem Glas und betrachtet mich nachdenklich. „Und? Was hältst du vom Ball?" Ich schaue mich um. Die glitzernden Kleider, die gekünstelten Gespräche, die gespielte Perfektion. Dann blicke ich wieder zu ihm. „Ich dachte, das wäre ein Witz." Er lacht leise. „Tja, willkommen in meiner Welt." Und zum ersten Mal seit diesem ganzen Alptraum habe ich das Gefühl, dass vielleicht nicht alles so schrecklich wird, wie ich dachte. Vielleicht.