Ich habe das Internet unterschätzt.
Wirklich. Ich dachte, wenn man einen dramatischen Abgang von einem königlichen Ball hinlegt, dann sorgt das vielleicht für ein paar neugierige Blicke, ein paar peinliche Kommentare in irgendwelchen Gruppen – und dann geht die Welt einfach weiter. Aber nein. Ich war naiv. Denn das Internet vergisst nichts. Und vor allem liebt es Chaos. Mein Chaos. „Ella, DU BIST TRENDING!" Livia steht mitten in meinem Zimmer, wedelt mit ihrem Handy und sieht aus, als hätte sie gerade eine Oscar-Nominierung erhalten. Ich blinzele sie an. „Was?" „Schau!" Sie hält mir ihr Handy vors Gesicht, und ich brauche eine Sekunde, um mich an den Anblick zu gewöhnen. Mein Name. Mein Gesicht. Überall.
„Cinderella in Chucks – die rebellische Ballkönigin!"
„Wer ist die mysteriöse Unbekannte, die den Prinzen verzaubert hat?"
„Fashion-Fail oder Statement? Das Internet diskutiert über DIE Schuhe des Abends!"
Ich starre auf die Schlagzeilen, scrolle durch unzählige Bilder und Videos von mir – einige von der Tanzfläche, andere von meinem absolut grandiosen Sturz. Und dann gibt es die Memes. Ja.
Die verdammten Memes. Ein Bild von mir, wie ich auf dem Boden liege, mit der Bildunterschrift:
„Wenn du versuchst, elegant zu sein, aber das Leben andere Pläne hat."
Ein anderes zeigt mich in meinen Chucks neben all den hochhackigen Designerschuhen mit dem Titel:
„Wenn dein inneres Ich rebelliert."
Und dann das Schlimmste: Ein Video von mir und Adrian auf der Tanzfläche, Zeitlupe, dramatische Musik, irgendein romantisches Zitat aus einem kitschigen Film. „NEIN." Ich lasse das Handy sinken. „Nein, nein, nein. Das ist nicht real." „Oh, es ist sehr real!" Sophia steht in der Tür, ihr eigenes Handy in der Hand. „Du hast eine halbe Million neue Follower. Die Leute wollen MEHR!" „Mehr WOVON?!" Ich reiße die Arme in die Luft. „Ich habe absolut nichts getan!"
„Und genau das ist es! Du bist echt! Authentisch! Die Leute LIEBEN das!" Livia setzt sich neben mich aufs Bett. „Das hier ist deine Chance, Ella! Du könntest richtig durchstarten!" Ich starre sie an. „Durchstarten? Als WAS? Als unfreiwilliges Meme?" „Nein! Als… als Influencerin! Oder als It-Girl! Oder einfach als die coole, unperfekte Cinderella!" „Ich will aber gar keine Cinderella sein!" Sophia seufzt dramatisch. „Ella, du checkst es nicht. Du KANNST nicht mehr nicht berühmt sein. Das hier ist größer als du." Ich schüttele den Kopf. „Ich will das nicht. Ich will mein altes Leben zurück." „Tja, zu spät." Livia zeigt mir einen weiteren Artikel. „Guck mal. Selbst die Klatschblätter fragen sich, was dein nächster Schritt ist." „Mein nächster Schritt?" Ich reibe mir die Schläfen. „Ich dachte, die interessiert nur, welche Farbe mein Kleid hatte und ob ich mir den Knöchel verstaucht habe." „Oh, das auch", sagt Sophia. „Aber hauptsächlich fragen sie sich, ob du und Adrian… na ja, du weißt schon." Ich reiße den Kopf hoch. „WAS?" Livia kichert. „Na ja, ihr habt getanzt. Du bist spektakulär gestürzt. Er hat dich angesehen, als wärst du das Aufregendste, was ihm je passiert ist." „Das war Mitleid!" rufe ich. „Oder Liebe." „HÖR AUF, Livia." Aber sie hält mir ihr Handy wieder hin. Ein Artikel von irgendeinem königlichen Gossip-Blog.
„Hat Prinz Adrian seine perfekte Partnerin gefunden?"
Ich lasse mich rückwärts auf mein Bett fallen. „Das ist ein Albtraum." „Nein, das ist GENIAL!" Sophia strahlt. „Denk doch mal nach! Wenn du das richtig spielst, könntest du ALLES haben. Ruhm, Geld, vielleicht sogar eine richtige Beziehung mit dem Prinzen!" „Ich will aber keins davon!" Ich greife nach meinem Kissen und drücke es mir ins Gesicht. „Ich will einfach nur meine Ruhe!" Livia lacht. „Tja, Pech gehabt. Du bist jetzt offiziell eine Berühmtheit." Ich seufze. Ich weiß nicht, wie ich aus diesem Wahnsinn rauskommen soll. Aber eines ist sicher: Das hier wird nicht einfach verschwinden.