Kaffee, Klatsch und Katastrophen

Es gibt nur eine einzige Sache, die mich in Zeiten der Krise zuverlässig auf Kurs hält: Kaffee. Und da mein Leben gerade eine sich rasant entwickelnde Reality-Show ist, brauche ich sehr, sehr viel davon. Also sitze ich jetzt in meinem kleinen Lieblingscafé, eingeklemmt zwischen einer Gruppe von Rentnern, die sich über die steigenden Brotkosten beschweren, und einem Hipster-Typen, der seinen Cold Brew mit einer derart ernsten Miene trinkt, als würde er einen seltenen Jahrgangswein verkosten. Perfektes Chaos. Genau mein Ding. Ich habe mich extra in eine Ecke gesetzt, Kapuze tief ins Gesicht gezogen, um nicht erkannt zu werden. Ich meine, bis vor zwei Tagen hätte mich in diesem Café keine Menschenseele beachtet – ich war einfach nur eine weitere chronisch müde Studentin, die mit Koffein ihren Überlebenskampf führt. Jetzt? Jetzt bin ich anscheinend ein Social-Media-Phänomen. Mein Handy liegt vor mir auf dem Tisch und vibriert ununterbrochen. Nachrichten, Erwähnungen, Follower-Anfragen – als hätte die ganze Welt plötzlich beschlossen, sich für mich zu interessieren. Ich starre mein Handy an, als wäre es ein lebendiges Wesen. Vielleicht, wenn ich es lange genug ignoriere, hört es auf. Vielleicht löst sich diese ganze absurde Situation einfach in Luft auf. „Ella?" Ich zucke zusammen und blicke hoch. Oh. Großartig. Natürlich steht ausgerechnet Adrian vor mir. Perfekt gestylt, als hätte er gerade einen royalen Werbespot für Designer-Anzüge verlassen. Und trotzdem sieht er nicht aus wie der aalglatte, unnahbare Prinz, den man aus Magazinen kennt – nein, er sieht… müde aus. Und ein bisschen amüsiert.

„Verfolgst du mich?" frage ich, während ich meine Kaffeetasse schützend umklammere. Er setzt sich einfach ungefragt mir gegenüber und bestellt mit einer beiläufigen Handbewegung einen Espresso. „Eigentlich wollte ich nur irgendwo in Ruhe Kaffee trinken. Ich wusste nicht, dass das hier deine geheime Festung ist." Ich seufze. „Tja, willkommen in meiner Burg aus Koffein und Verleugnung." Er lehnt sich zurück und mustert mich. „Also? Wie läuft's im Leben als virale Sensation?" Ich grummele etwas Unverständliches und nehme einen großen Schluck Kaffee. „Das ist der absolute Horror." Er lacht. „Oh ja? Ich dachte, du genießt es, die ganze Welt mit deinen Chucks herauszufordern." „Das war keine Herausforderung. Das war einfach Bequemlichkeit." „Und trotzdem reden jetzt alle über dich." Ich stöhne. „Sag mir bitte, dass dieser Wahnsinn bald vorbei ist." Er hebt eine Augenbraue. „Ella, du hast dich auf einem königlichen Ball in Chucks präsentiert, den Prinzen halb zu Boden gerissen und bist dann filmreif verschwunden. Das wird nicht so schnell vergessen." Ich lasse meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. „Töte mich einfach. Bitte." „Tut mir leid, aber ich glaube, ich brauche dich noch für ein paar Schlagzeilen." Ich blicke ihn mürrisch an. „Sehr witzig." Er schmunzelt, nimmt seinen Espresso entgegen und trinkt einen Schluck. „Also gut. Was ist dein Plan?" Ich blinzle. „Mein… Plan?" „Ja. Willst du das einfach aussitzen? Dich für immer verstecken? Oder die Sache aktiv nutzen?" Ich schnaube. „Oh klar, ich könnte Merchandise rausbringen. 'Team Chucks' oder 'Ich bin auf einem Ball gestolpert und alles, was ich bekam, war dieser blöde Hoodie'." Adrian lacht laut. „Ich wette, das würde sich verkaufen." „Bitte gib Livia keine Ideen." Er grinst und stellt seine Tasse ab. „Weißt du, die meisten Leute würden töten für so einen Moment. Du bist über Nacht berühmt geworden." Ich verdrehe die Augen. „Ja, genau das wollte ich immer: die nächste Meme-Königin werden." „Es könnte schlimmer sein." „Ach ja? Wie denn?" Er lehnt sich vor. „Du könntest tatsächlich in dieser Welt leben müssen. Jeden Tag. Mit Kameras, Erwartungen, Regeln. Und du könntest nicht einfach weglaufen, wenn es dir zu viel wird." Ich halte inne. Ich sehe ihn an – richtig an – und plötzlich verstehe ich, was er meint. Für mich ist das hier eine kurzfristige Katastrophe. Ein Moment, der hoffentlich irgendwann vorbeigeht. Für ihn? Das ist sein Leben. Jeden verdammten Tag. Ich schlucke. „Das klingt… anstrengend." Er zuckt mit den Schultern. „Man gewöhnt sich daran." Ich runzle die Stirn. „Echt jetzt?" Ein Schatten huscht über sein Gesicht. „Nein." Für einen Moment ist da Stille. Dann lehnt er sich wieder zurück und lächelt schief. „Aber hey – wenigstens haben wir guten Kaffee." Ich seufze. „Okay, Punkt für dich." Er hebt seine Tasse. „Auf Kaffee und Katastrophen." Ich hebe meine ebenfalls. „Und auf unerwartete Schlagzeilen." Unsere Tassen klirren leise aneinander, und zum ersten Mal seit diesem ganzen Wahnsinn fühlt sich alles nicht mehr ganz so schlimm an. Vielleicht, nur vielleicht, überlebe ich das doch irgendwie.