Die Stiefmutter bekommt ihr Fett weg

Viktoria hasst es, wenn sie nicht die Kontrolle hat. Das ist eine ihrer goldenen Regeln. Egal, ob es um Geschäftstreffen, öffentliche Auftritte oder das perfekte Familienimage geht – sie zieht die Fäden, und alle anderen haben gefälligst mitzuspielen. Also kann ich mir ungefähr vorstellen, wie sehr sie gerade kocht. Denn zum ersten Mal in meinem Leben habe ich die Regeln geändert. Und sie kann nichts dagegen tun. „ELLA!" Ihre Stimme hallt durch das Haus, als ich durch die Tür trete. Ich habe noch nicht einmal meine Jacke ausgezogen, da steht sie schon vor mir – die Arme verschränkt, die Lippen zu einem dünnen Strich gepresst, der Blick so tödlich wie ein Laserstrahl. Ich lehne mich gegen die Tür und ziehe eine Augenbraue hoch. „Oh, wow. Kein 'Hallo'? Kein 'Wie war dein Tag'? Ich bin enttäuscht." Viktoria wirft ihr Handy auf den Tisch, wo es aufleuchtet – und ich sehe sofort, was drauf ist. Meine Instagram-Story. Mein kleiner, frecher Monolog darüber, wie ich mir mein eigenes Narrativ zurückhole. Meine Entscheidung, nicht mehr still zu sein.

„Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?" zischt sie. Ich zucke die Schultern. „Dachte, es wäre an der Zeit, dass die Welt die Wahrheit hört."

„Die Wahrheit?" Sie lacht kalt. „Ella, du hast KEINE AHNUNG, was du da gerade angerichtet hast." „Oh, ich glaube, ich habe es sehr wohl." Ich verschränke die Arme. „Zum Beispiel, dass du dich gerade tierisch aufregst, weil du dieses Mal nicht diejenige bist, die die Geschichte schreibt." Ihre Nasenflügel beben. „Ich habe dich gewarnt. Ich habe dir gesagt, dass du es nicht noch schlimmer machen sollst."

„Schlimmer für wen? Für mich? Oder für DICH?" Sie verengt die Augen. „Für uns alle." Ich lache bitter. „Oh bitte, Viktoria. Du meinst 'für dein Image'." „Für dein eigenes verdammtes Wohl!" Sie macht einen Schritt auf mich zu. „Du hast keine Ahnung, wie diese Welt funktioniert, Ella. Ich habe Jahre damit verbracht, mein Netzwerk aufzubauen, unsere Familie in die richtigen Kreise zu bringen. Und dann kommst du und reißt alles mit einem einzigen Post ein!" Ich spüre, wie sich Wut in mir aufbaut. „Oh, du meinst das 'Familienimage', das auf Lügen und Manipulation aufgebaut ist? Das, bei dem ich mich klein machen und in dein perfektes Schema pressen lassen soll? Danke, aber nein danke." Sie atmet scharf ein. „Du hast keine Wahl." Ich trete näher an sie heran, meine Stimme leiser, aber schärfer. „Doch, Viktoria. Die hatte ich schon immer. Du hast nur gehofft, dass ich es nie merke." Sie öffnet den Mund, aber in diesem Moment platzt Livia ins Zimmer, ihr Handy in der Hand, die Augen weit aufgerissen. „OH MEIN GOTT!" kreischt sie. „Ella, du bist auf JEDEM Kanal! JEDER repostet dein Video! Selbst Promis kommentieren es!" Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Oh? Welcher Promi?" Sophia, die direkt hinter Livia steht, rollt mit den Augen. „Irgendein Schauspieler hat 'Girl, you just dropped the mic' geschrieben." Ich grinse. „Sieh mal einer an." Viktoria atmet langsam aus. „Ihr versteht es einfach nicht. Ihr seid alle so verdammt naiv." Livia tippt auf ihrem Bildschirm herum. „Ich weiß nicht, Viktoria. Sieht so aus, als wäre Ella gerade die Königin der sozialen Medien." „Ich brauche keine Krone", sage ich lässig. „Ich habe Chucks." Sophia prustet los. Livia kichert. Viktoria dagegen sieht aus, als würde sie am liebsten das gesamte Haus in Brand setzen. „Das hier ist nicht vorbei, Ella", sagt sie mit eisiger Stimme. Ich neige den Kopf. „Oh, das glaube ich auch. Aber weißt du was?" Ich lehne mich vor. „Dieses Mal bin ich bereit zu kämpfen." Und dann drehe ich mich um, lasse sie stehen – und genieße zum ersten Mal das Gefühl, wirklich frei zu sein.