Man sagt, es gibt im Leben diese einen Momente, in denen sich alles entscheidet. Für mich ist dieser Moment genau jetzt. Ich stehe im riesigen Saal eines Luxushotels, das für eine Charity-Gala gemietet wurde. Überall glitzert es, die Luft riecht nach teurem Parfum und Champagner, und die Gäste unterhalten sich in gedämpften, perfekt einstudierten Gesprächen. Es ist die Art von Veranstaltung, die Viktoria liebt. Und die Art von Veranstaltung, die mich normalerweise in den Wahnsinn treibt.
Aber heute bin ich nicht hier, um mich zu verstecken. Heute bin ich hier, um ein Kapitel zu beenden. Ich atme tief durch, straffe die Schultern und gehe durch die Menge. Ich kann die Blicke spüren, das Flüstern. Die Leute erkennen mich. Natürlich tun sie das. Ich bin die unpassende Cinderella, die, die keinen Prinzen wollte, die, die die Regeln gebrochen hat. Und ehrlich? Ich genieße es ein bisschen. Ich entdecke Viktoria an einem der vorderen Tische. Perfekt gestylt, in einem makellosen Kleid, als hätte sie den ganzen Trubel der letzten Wochen mit Leichtigkeit überstanden. Aber ich kenne sie. Und ich weiß, dass sie innerlich tobt. Sie hebt langsam den Blick und sieht mich. Für einen Moment sehe ich Überraschung in ihren Augen – vielleicht, weil sie dachte, ich würde mich nach unserer letzten Auseinandersetzung einfach zurückziehen. Tja. Falsch gedacht.
Ich bleibe vor ihr stehen und lächle süßlich. „Oh, Viktoria. Was für eine Überraschung, dich hier zu sehen." Sie setzt ihr höflichstes Lächeln auf – das, bei dem man kaum merkt, wie sehr sie einen eigentlich verabscheut. „Ella. Ich hätte nicht erwartet, dass du heute Abend hier auftauchst." „Ja, das habe ich mir gedacht." Ich lehne mich leicht vor. „Aber ich konnte mir das Spektakel nicht entgehen lassen." Viktoria legt den Kopf schief. „Ich hoffe, du bist hier, um zu zeigen, dass du doch noch Vernunft besitzt." Ich tue, als würde ich nachdenken. „Hmm. Nein, nicht wirklich." Ihre Augen verengen sich. „Ella, du hast genug Chaos angerichtet." „Ach ja? Dann lass uns doch mal zusammenfassen, was ich 'angerichtet' habe." Ich hebe einen Finger. „Erstens: Ich habe es gewagt, nicht nach deiner Pfeife zu tanzen." Ein zweiter Finger. „Zweitens: Ich habe es mir erlaubt, meine eigene Stimme zu benutzen, anstatt mich in dein perfekt inszeniertes Familienbild einzufügen." Ein dritter Finger. „Und drittens: Ich habe meine Plattform genutzt, um jungen Frauen zu zeigen, dass sie keine Krone brauchen, um wertvoll zu sein." Ich verschränke die Arme. „Ja, ich verstehe schon, warum das eine Katastrophe für dich ist." Viktoria bleibt ruhig – aber ich sehe es in ihren Augen. Sie HASST, dass sie die Kontrolle über mich verloren hat.
„Du glaubst wirklich, dass du dieses Spiel gewonnen hast, oder?" fragt sie leise. Ich lache. „Oh, Viktoria. Ich spiele dein Spiel nicht mehr." Sie öffnet den Mund, aber in dem Moment geht ein Raunen durch den Raum. Ich drehe mich um – und natürlich. Adrian. Er ist gerade hereingekommen, und natürlich sieht er aus, als würde er in einen verdammten Werbespot für königliche Eleganz gehören. Unsere Blicke treffen sich. Und plötzlich wird mir klar, dass das hier nicht nur mein Showdown mit Viktoria ist. Das hier ist auch der Moment, in dem sich entscheidet, was mit uns passiert. Er geht langsam auf mich zu, während um uns herum getuschelt wird. Die Luft ist zum Schneiden gespannt. „Ella", sagt er schließlich. „Adrian." Er betrachtet mich einen Moment lang – und dann grinst er. „Ich hätte wissen müssen, dass du nicht einfach still bleibst." Ich grinse zurück. „Und ich hätte wissen müssen, dass du auftauchst, um dir das Drama anzusehen." Er lehnt sich leicht vor. „Du hast also wirklich nicht vor, dich aus dem Rampenlicht zurückzuziehen?" Ich atme tief durch. „Nein." Er nickt langsam. Dann hält er mir die Hand hin. „Dann solltest du wohl wissen, dass ich dich nicht allein da drin stehen lasse." Für einen Moment bin ich sprachlos. Ich blicke von ihm zu Viktoria, die mich mit einem Blick durchbohrt, der mir früher Angst gemacht hätte. Aber nicht mehr. Ich lächle, nehme Adrians Hand – und trete endgültig aus dem Schatten. Heute endet das Märchen.
Und meine eigene Geschichte beginnt.