Von Chucks und anderen Wundern

Es gibt zwei Arten von Menschen auf dieser Welt: Die, die High Heels tragen und das auch noch genießen. Und die, die wissen, dass das Leben zu kurz für schmerzende Füße ist. Ich gehöre definitiv zur zweiten Kategorie. Und genau deshalb stehe ich jetzt hier, mitten auf einem Event, das mir früher Albträume bereitet hätte, in meinen alten, abgetragenen Chucks – während um mich herum die High-Society in schimmernden Designerschuhen herumstolziert. Ein Wunder, dass ich überhaupt eingeladen wurde. Ein noch größeres Wunder, dass ich freiwillig gekommen bin. „Du hättest wenigstens versuchen können, unauffällig zu sein." Ich drehe mich zur Seite und sehe Adrian, der mit einem Glas Champagner in der Hand neben mir auftaucht. Natürlich sieht er perfekt aus. Das tut er immer. Anzüge scheinen bei ihm einfach besser zu sitzen als bei normalen Menschen. „Unauffällig ist nicht mein Stil", erwidere ich und nippe an meinem eigenen Getränk – einer Cola, weil ich mich weigere, so zu tun, als wäre ich plötzlich in Champagner vernarrt. Adrian mustert mich mit einem amüsierten Lächeln. „Das habe ich inzwischen verstanden." Ich lehne mich gegen die hohe Fensterbank und lasse meinen Blick über den Raum schweifen. Überall elegante Menschen, künstlich perfekte Lächeln, Gespräche über Dinge, die mich nicht interessieren. „Erinnerst du dich an den Ball?" frage ich leise. Adrian hebt eine Augenbraue. „Den Ball, auf dem du spektakulär gestürzt bist? Ja, vage."

Ich schnaube. „Sehr witzig." Er lehnt sich neben mich. „Was ist mit dem Ball?" Ich lasse den Blick weiter durch den Raum schweifen. „Damals dachte ich, dass ich nie in diese Welt passe. Dass ich einfach nur versehentlich in ein Märchen geraten bin, das nicht für mich geschrieben wurde." Er sieht mich aufmerksam an. „Und jetzt?" Ich atme tief durch. „Jetzt weiß ich, dass es nie um das Märchen ging. Sondern darum, meine eigene Geschichte zu schreiben." Adrian lächelt. „Also doch eine kleine Revolution." „Immer." Wir stehen für einen Moment einfach nur da, während um uns herum das Event weiterläuft. Ich höre das leise Klingen von Gläsern, das Getuschel, die üblichen Höflichkeitsfloskeln. Und dann sagt Adrian plötzlich: „Weißt du, du hast es geschafft." Ich sehe ihn fragend an. „Was meinst du?" „Du hast etwas verändert. Die Leute reden anders über dich. Nicht mehr nur als 'die mit den Chucks'. Sondern als jemand, der sich nicht verbiegen lässt."

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Und das findest du beeindruckend?" Er grinst. „Ich finde alles an dir beeindruckend." Ich spüre, wie meine Wangen warm werden. „Adrian…" „Ich meine es ernst." Seine Stimme ist leise, aber bestimmt. „Du bist nicht einfach nur ein Skandal, Ella. Du bist ein verdammtes Wunder." Mein Herz schlägt schneller. Ich will etwas Schlaues sagen. Etwas Sarkastisches, das die Spannung auflockert. Aber zum ersten Mal seit langer Zeit fällt mir nichts ein. Also tue ich das Einzige, was mir in den Sinn kommt. Ich trete einen Schritt näher an ihn heran, sehe ihm direkt in die Augen und sage: „Warte ab. Das war erst der Anfang." Und während er lacht und mich ansieht, als wäre ich wirklich ein verdammtes Wunder, weiß ich, dass er mir glaubt. Denn manchmal brauchen Märchen keine Krone. Manchmal reichen ein Paar alte Chucks.