Kapitel 12: Ein ehrliches Gespräch

Elize betrachtete ihr Spiegelbild im großen Spiegel in ihrem Badezimmer. Das Mädchen, das zurückstarrte, war eine müdere Version ihrer selbst.

Es waren ein paar Tage vergangen, seit Aileen gegangen war, und die Dinge sahen nicht gut aus.

In vier Tagen waren ihre Wangen eingefallen und unter ihren Augen lagen große dunkle Ringe. Das Grau in ihren Augen war stumpf, bar jeden Lebens. Die Bissspuren auf ihrer Brust waren jetzt kaum noch sichtbar, doch sie konnte zwei schwache rote Punkte erkennen, die sie daran erinnerten, wie alles begann. Sie hatte wütende rote und violette Flecken über ihren ganzen Körper, von den verschiedenen Schmerzattacken, die Elize seit ein paar Tagen heimsuchten.

Sie wünschte, sie würde nicht verstehen, was mit ihr geschah. Aber ihre Gedanken kehrten immer wieder zu dem Gespräch zurück, das sie mit Aileen im Garten geführt hatte. Dies ließ sie mit jedem verstreichenden Moment nur noch mehr bereuen, Zack getroffen zu haben, trotz der Schmerzen in ihrem Herzen, die sich nach seiner Anwesenheit sehnten.

"Ugh!" stöhnte Elize.

Sie hielt ihren Kopf in ihren Händen und setzte sich auf den Badezimmerboden. Es waren wieder die Kopfschmerzen. Sie hielten sie seit einer Ewigkeit wach.

BUMM BUMM BUMM

Jemand hämmerte an die Haustür. Der Lärm verschlimmerte ihren Schmerz nur noch.

Elize bedeckte beide Ohren mit ihren Händen und begann zu summen, um den Lärm auszublenden.

BUMM BUMM BUMM

Das Hämmern an der Tür war diesmal intensiver. Elize erhob ihre Stimme ein wenig und legte sich neben dem Waschbecken auf den Boden. Sie begann, sich hin und her zu wiegen.

"Bitte Gott, lass das aufhören." Sie betete und rollte sich in die Form eines Kokons zusammen.

Die Kopfschmerzen wurden von Sekunde zu Sekunde stärker. Es fühlte sich an, als würde jemand ein heißes Eisen durch ihre Stirn treiben, den ganzen Weg bis zum Hinterkopf, immer und immer wieder.

"Shhh, es ist okay, Baby." Jemand gurrte in ihre Ohren.

Eine Frau kniete neben ihr, ihr blondes welliges Haar umrahmte ihr kleines Gesicht. Sie schaute mit viel Freundlichkeit auf sie herab. Ihre klaren blaugrauen Augen erinnerten Elize so sehr an ihren Vater.

Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte Elize wirklich gedacht, dass es die Mutter ihres Vaters war. Diejenige, die sie nur einmal auf einem Foto gesehen hatte, das im Büro ihres Vaters hing. Es war unmöglich, da sie nie jemanden von der Familie ihres Vaters getroffen hatte und ihre Großmutter tot war - soweit sie wusste.

Sie wusste, dass sie nur halluzinierte.

Die Visionen kamen und gingen, immer begleitet von ihren Schmerzen.

Manchmal war es die Frau, die ihrer Großmutter ähnelte, auf dem Sessel neben ihrem Fenster, die ein altes Lied summte und sie anlächelte. Manchmal war es eine andere zufällige Frau, die sich hinunterbeugte und ihr nette Worte ins Ohr flüsterte.

Was auch immer es war, Elize hatte ein Bauchgefühl bezüglich der Menschen, die sie sah. Ein Gefühl, das ihr sagte, dass sie alle tot waren.

Sie schloss ihre Augen wieder fest.

"Geh weg." Flüsterte sie mit müder Stimme.

Die Frau summte jetzt, ein Lied, das Elize bekannt vorkam, obwohl sie nichts davon wusste. Alle ihre Halluzinationen schienen dieses eine bestimmte Lied zu kennen. Elize hörte widerwillig zu, als das Summen zu Worten wurde.

Höre mich, mein kleiner Wolf

Eines Tages wirst du dich an mich erinnern

Schlaf jetzt, mein kleines Kind

Du wirst an einem Vollmondtag auferstehen...

Elize entspannte sich, als die Musik sie langsam beruhigte. Ihre Kopfschmerzen ließen wieder nach. Und wieder herrschte Frieden.

Sie öffnete ihre Augen und atmete erleichtert aus. Ihre Kopfschmerzen waren verschwunden. Ebenso die Frau.

Sie stand vom Badezimmerboden auf und stützte sich am Waschbecken ab. Auf ihrer Brust waren frische Blutergüsse. Es sah aus, als würde sich jemand aus ihrem Körper herauskrallen. Es gab keine Wunden - nur wütende Blutergüsse, die die Form von Krallen hatten.

Tränen sammelten sich an den Rändern ihrer Augen. Sie wollte weinen.

Elize erinnerte sich an Aileens Stimme, die ihre Sorgen im Garten abtat: "Keine Sorge. Dein Wolf wird nicht vor deinem 18. Geburtstag herauskommen, wenn du nicht in der Nähe anderer Wölfe oder deiner Gefährtin bist."

"Dann sterbe ich wohl," murmelte Elize, während sie die einzelne Träne wegwischte, die aus ihrem linken Auge entkam.

Sie ging müde und hoffnungslos zurück ins Zimmer und ließ sich auf den Schaukelstuhl am Fenster sinken. Eine kühle Brise kam durch die Öffnung aus dem Wald herein. Die Form des zunehmenden Mondes sah so schön am Nachthimmel aus. Ihre Augen begannen sich langsam zu schließen, die Müdigkeit lastete schwer auf ihrem Körper.

Es war gegen Mitternacht, als Elize zu einem warmen Gefühl erwachte, das sie umhüllte. Der Duft des Waldes und Honig erfüllte ihre Sinne, zusammen mit einer Schwere auf ihren Hüften.

Sie öffnete langsam ihre Augen zu einer weiten Fläche einer muskulösen Brust. Sie wusste, zu wem sie gehörte, ohne in das Gesicht der Person zu schauen. Zack hatte sie irgendwann auf das Bett gelegt und hielt sie nahe an seinem Körper. Seine rechte Hand lag auf Elizes Taille, und seine linke Hand streichelte sanft ihr Haar.

Elize zog scharf die Luft ein. Selbst in diesem Zustand schlug ihr Herz schnell, wenn er ihr so nahe war.

Als er die Bewegung spürte, schaute Zack auf seine Gefährtin herab und traf dabei ihren Blick.

"Hey," sagte Zack mit einem Lächeln.

"H....hey," antwortete Elize mit rauer Stimme.

Zacks Gesicht trug einen schmerzerfüllten Ausdruck, als er sie hörte. Elize wurde plötzlich bewusst, wie sie in diesem Moment aussah. Ein gedämpftes Schluchzen entwich ihrer Brust.

Sie konnte sich nicht zurückhalten, als die Tränen hervorströmten. Zum ersten Mal hielt sie sich nicht zurück. Sie weinte in seine Brust und zog an seinem T-Shirt.

"Shhh... Es ist okay. Ich bin hier." gurrte er.

Er platzierte kleine Küsse auf ihrem Kopf, bis Elize sich beruhigte. Er hielt sie am Kinn und hob ihr Gesicht zu ihm.

"Es tut weh." krächzte sie.

Zack wischte die Tränenpfade von ihrem Gesicht.

"Es tut mir leid, dass ich gegangen bin, ohne es dir zu sagen, Baby."

Tränen bildeten sich in ihren Augen bei der Erinnerung. Elize nahm einen tiefen Atemzug und setzte sich auf, wobei sie seine Hände von sich wegschob. Zack sah durch diese Handlung verletzt aus.

Er öffnete seinen Mund, um zu erklären. "Baby, ich-"

"Warte. Ich darf zuerst sprechen." sagte Elize und unterbrach ihren Gefährten. Zack schloss seinen Mund und setzte sich auf, lehnte sich gegen den Rahmen des Bettes.

Sie fuhr fort: "Du hast mich gebissen und dann allein gelassen. Du hast keine Ahnung, wie ich mich gefühlt habe."

"Es tut mir leid, Elize. Ich war ziemlich schockiert. Glaub mir, ich wusste nicht, wie ich die Kontrolle verloren habe und mein Wolf zu dir gerannt ist. Du bist die kleine Schwester meines Freundes. Was denkst du, wie ich mich gefühlt habe?"

Elize fühlte sich plötzlich wütend. "Ohh, ich verstehe. Also bist du einfach gegangen, ohne etwas zu sagen."

Zack flehte jetzt: "Elize, ich- es tut mir leid, okay? Sag mir einfach, wer dir das angetan hat? Hat-"

"Du hast mir das angetan!!" schrie Elize ihn an.

Zack war überrascht. Er griff verzweifelt nach Elize, und sie wich zurück.

"Bitte, Elize." flehte Zack, "Ich weiß nicht einmal, wovon du sprichst."

"Natürlich nicht! Ich bin wütend auf mich selbst, dass ich mich in das hier habe reinziehen lassen. Der Himmel weiß nur, was über mich gekommen ist!"

"Bitte-" Zacks Stimme brach. Er weinte jetzt.

Ihr Herz schmerzte bei diesem Anblick. Sie wollte ihn halten und trösten. Aber sie hielt sich zurück.

Elize nahm einen tiefen Atemzug. Sie sagte: "Ich muss dir etwas sagen, bevor wir weiterreden. Also bitte hör auf zu weinen."

Zack schniefte. Er wischte die Tränen von seinem eigenen Gesicht und schaute Elize aufmerksam an, bereit zu hören, was auch immer sie ihm zu sagen hatte.

Sie sagte: "Wie du weißt, bin ich eine Hexe. Aber du solltest wissen, dass ich nur teilweise eine Hexe bin."

Zack sah bei dieser Aussage verwirrt aus.

Sie fuhr fort. "Der andere Teil von mir ist ein Wolf - falls du das nicht schon herausgefunden hast, seit Alex' Verwandlung."

"Ohh. Also ist dein Vater-?"

"Nein, Zack. Meine Mutter war ein Wolf. Mein Urgroßvater mütterlicherseits war ein Wolf von dieser Insel. Dies," sagte Elize und zeigte um sich herum, "ist ihr Haus, das ich in einem Monat erben werde, wenn ich 18 werde. Mein Vater stammt aus einer Familie von Hexen, was ich nicht wusste, bis Aileen es mir erzählte. Deshalb bin ich auch teilweise eine Hexe."

"Ohh... und die Oberste Hexe ist deine?" fragte Zack.

"Sie ist die einzige Stiefschwester meines Urgroßvaters. Sie wurden mit Jahren Abstand geboren." antwortete Elize.

"Ehrlich gesagt wusste ich irgendwie, dass du einen Wolf in dir hast, in dem Moment, als ich-" sagte Zack und zeigte auf seine Markierung auf ihrer Brust.

"In dem Moment, als du mich zerkaut hast?" fragte Elize mit hochgezogener rechter Augenbraue.

"Ich habe dich markiert." korrigierte Zack. Er fuhr fort: "Ich wusste nicht, wie ich mit der Information umgehen sollte. Denn als ich dich zum ersten Mal traf, dachte ich, du wärst ein Mensch... da ich auch nichts über Alex wusste."

"Am Tag des Unfalls?" fragte Elize.

Zack nickte.

"Ist das der Grund, warum du mich abgelehnt hast? Weil ich ein Mensch war?" Elize verengte ihre Augen auf ihren Gefährten. Sie wollte ihn schlagen.

Zack wirkte plötzlich nervös. Und das zeigte sich. Er fuhr sich mehrmals mit den Händen durch die Haare. Er sah in diesem Moment verletzlich aus.

"Es tut mir leid. Nein, ich war so glücklich, dich endlich zu treffen, Elize. Ich dachte nur nicht, dass du die kleine Schwester meines besten Freundes sein würdest. Vielleicht verstehst du nicht, aber-"

"Spar es dir." unterbrach Elize. "Es ist sowieso Vergangenheit. Aber dein Biss macht die Dinge jetzt schlimmer für mich."

"Wa-"

"Bitte unterbrich nicht. Lass mich ausreden." sagte Elize, "Du hast das vielleicht nicht verstanden, aber dein Biss hat den Wolf in mir ausgelöst. Ich sollte mich nicht verwandeln, bis ich 18 bin, nachdem die Magie in mir unter Kontrolle gebracht wurde. Jetzt sterbe ich, Zack. Ich sterbe, weil du deinen Wolf nicht kontrollieren konntest."

Zack streckte die Hand nach Elize aus, mit einem schmerzerfüllten Gesichtsausdruck. Diesmal ließ sie zu, dass er sie auf seinen Schoß zog, ihren Rücken an seine Brust gelehnt.

"Es tut mir leid." sagte er, als sein Körper zitterte und seine Tränen auf ihren Nacken fielen.

Elize seufzte.

"Mir tut es auch leid. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit dir. Ich wünschte, all die Male, als ich dein Heulen hörte, wäre es nicht nur in meinem Kopf gewesen." sagte sie mit einem traurigen Blick auf ihrem Gesicht.

Zack erstarrte. "Du hast mich gehört?"

"Was meinst du?" fragte Elize. Vielleicht hatte sie falsch gehört. Sie neigte ihren Kopf zur Seite und positionierte ihr Ohr so nah wie möglich an seinem Mund.

"Es war nicht in deinem Kopf," murmelte Zack schnüffelnd.

"Was?!" fragte Elize und drehte sich zu ihm um. Ihr Gesicht zeigte große Verwirrung.

"Du hast nur meinen Wolf gehört, der nach dir rief. Es war nicht in deinem Kopf. Du hast das gehört, weil du mich nie abgelehnt hast. Du hast mich gehört, weil unsere Bindung noch gültig war, obwohl wir so weit voneinander entfernt waren."

"Oh." Elize fühlte sich überrascht und erleichtert zugleich.

Einige Zeit verging in Stille, da keiner von ihnen wusste, wie er sie füllen sollte. Aber beide waren sich ihrer körperlichen Nähe zueinander bewusst.

"Darf ich?" fragte Zack, sein Gesicht jetzt nur noch Zentimeter von ihrem entfernt.

Elize konnte die Spannung spüren, die sich zwischen ihnen aufbaute, das wachsende Verlangen. Sie wollte seine perfekt geformten Lippen küssen.

"Küss mich," flüsterte Elize.

Zacks Lippen prallten auf ihre, als ihre Finger sich in sein Haar woben. Seine Hände wanderten über ihren Rücken und ließen Elize erschaudern. Ein Feuer brannte, wo immer seine Berührung hinging.

Und sie konnte nicht aufhören. Sie wollte mehr.

Die Härte seines Glieds, das sich gegen ihren Hintern drückte, sagte ihr, dass er sie genauso sehr wollte wie sie ihn.

'Meine.' Seine Stimme klang in ihrem Kopf. Elize lächelte gegen seine Lippen.

"Deine." flüsterte sie.

Elize lehnte sich erneut vor, um ihn zu küssen. Aber diesmal erreichte sie der Schmerz, bevor sie ihn erreichen konnte. Sie schrie.