Kapitel 22: Die Karmesinrote Kaiserin
Noah erschien erneut vor den Rittern seiner Familie. Ihre Gesichter verzogen sich vor Nervosität und Angst.
Sie hatten es nicht gewagt, ihm zu folgen, nachdem er ihnen befohlen hatte, zurückzubleiben, aber das bedeutete nicht, dass sie ruhig waren. Oh nein, diese vergangenen Stunden waren die stressigsten, schrecklichsten Momente ihres Lebens gewesen. Wenn Noah etwas zugestoßen wäre, wussten sie genau, wie die Herzogin mit ihnen umgehen würde.
Einige hatten bereits begonnen, die Arten aufzulisten, wie sie sterben könnten. Andere hatten Pergament herausgeholt und angefangen, ihre Testamente zu schreiben.
Sie hatten sich um seine Sicherheit gequält.
Als sich das Portal endlich wirbelnd öffnete und Noah unverletzt heraustrat, völlig in Ordnung aussehend—
Brachen sie zusammen.
Nicht aus körperlicher Erschöpfung, sondern aus reiner, geistiger Erleichterung.
Noah blinzelte verwirrt.
‚Meister, Ihr versteht das nicht', hallte Esters Stimme in seinem Kopf wider, ihr Ton von Belustigung durchzogen. Sein Schatten bewegte sich unnatürlich unter ihm. ‚Für alle anderen ist die Herzogin so furchterregend.'
Noah kicherte leise.
‚Was für eine schreckliche Mutter ich habe.'
"Ich bin hier. Lasst uns aufbrechen."
"JA, JUNGER HERR!" riefen die Ritter im Chor, einige umarmten sich sogar vor lauter Freude.
Noah schüttelte einfach den Kopf und stieg in die Kutsche.
Ehrlich gesagt, vermisste er seine Yandere Mutter ein wenig.
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Die Königliche Hauptstadt – Im Königspalast
Sophie saß auf ihrem privaten Übungsplatz, die Beine in Lotusposition gekreuzt, blaue Blitze umzuckten ihren Körper.
Ihre Augen blieben geschlossen, ihre Konzentration absolut.
Seit ihrer Rückkehr hatten sich die Dinge verändert.
Der Kaiser war wütend gewesen. Aber nachdem er die sorgfältig ausgearbeiteten Ausreden gehört hatte, die sie vorbereitet hatten, hatte er keine andere Wahl, als seinen Zorn zu schlucken und auf den Beginn der Apex-Akademie zu warten.
In der Zwischenzeit waren Sophie und ihre Mutter sich näher gekommen. Der Vorfall mit der Weberherz Familie hatte etwas zwischen ihnen geschmiedet – etwas Unausgesprochenes, aber tief Verstandenes. Es war, als teilten sie ein Geheimnis, das nur sie kannten und das sie enger als je zuvor verband.
Emily hatte begonnen, Sophie regelmäßig zu trainieren. Es war ihre Ausrede, um Zeit mit dem Kaiser zu vermeiden, aber mehr noch, sie hatte jetzt ein klares Ziel. Seit ihrem Gespräch mit Noah, seit sie sich für Rache entschieden hatte, hatte sie ein unerschütterliches Gefühl des Friedens verspürt.
Jetzt musste sie sich nur noch auf den Tag vorbereiten, an dem sie endlich Gerechtigkeit fordern konnte.
Deshalb spielte sie das politische Spiel weiterhin perfekt – während sie im Hintergrund ihre Stärke schärfte.
Sie musste in den SS-Rang aufsteigen.
Aber es war brutal schwierig.
Und für Sophie?
Seit ihrer Rückkehr hatte Sophie nichts anderes getan als zu trainieren. Sie verließ die Trainingshalle nur zum Essen und Schlafen.
Ihre Entschlossenheit war offensichtlich.
Sie glaubte an Noah. Sie wusste, er würde ihr helfen. Aber Sophie Castria war nicht die Art von Frau, die sich tragen lassen würde.
Sie war keine Frau, deren einziger Wert darin bestand, neben einem Mann zu stehen und nachts sein Bett zu wärmen.
Nein.
Sie war Sophie Castria. Eine SS-Rang-Talentträgerin. Die zukünftige Kaiserin der Menschlichen Domäne.
Sie würde ihren Wert beweisen.
Und tatsächlich – das tat sie.
Nach Tagen unerbittlicher Meditation, Blitzmanipulation und mit ihrem Talent der arkanen Synthese schuf Sophie etwas Neues.
Eine Fähigkeit, die es noch nie zuvor gegeben hatte.
Eine Fähigkeit, die ihren Ehrgeiz definierte—
Nie überschattet zu werden.
Ihr Imperium zu beanspruchen.
Auf eigenen Füßen zu stehen.
Eine Fähigkeit, die sich unendlich mit ihr weiterentwickeln konnte.
Karmesiner Donner der Kaiserin.
Augenblicklich veränderten sich die knisternden blauen Blitze um sie herum.
Das tiefe elektrische Leuchten verwandelte sich in etwas Rotes. Karmesinrot.
Wie Blut. Wie rotes Feuer. Wie die wahre Macht einer Kaiserin.
Emily beobachtete aus der Ferne, die Arme verschränkt, die Lippen zu einem Lächeln verzogen.
Seit ihrer Rückkehr hatte ihre Tochter unermüdlich trainiert. Jetzt, als sie die Ergebnisse vor sich sah, konnte sie nicht anders als stolz zu sein.
"Sieh dir an, was du erschaffen hast, kleiner Teufel...", murmelte sie amüsiert. "Du hast diese arrogante Frau dazu gebracht, sich weiterzuentwickeln."
Sie kicherte in sich hinein.
Sie konnte es kaum erwarten, Noahs Reaktion zu sehen, wenn er die Verwandlung ihrer Tochter sah.
Währenddessen war Sophies Entwicklung noch nicht abgeschlossen.
Denn was sie gerade erreicht hatte, war würdig.
{Ding! Ding! Ding!}
{GROSSARTIG!}
{Du hast eine einzigartige Fähigkeit erschaffen, die mit deinem Wesen verbunden ist.}
{Du bist auf dem Weg, deine eigene Physis zu schmieden.}
{Du bist würdig.}
{Herzlichen Glückwunsch, Sophie Castria.}
{Titel erhalten: Die Karmesinrote Kaiserin.}
{Deine Existenz wurde erheblich gestärkt.}
{Lebe diesem neuen Titel gerecht, oder er wird dir entzogen werden.}
Sophie öffnete ihre Augen.
Knistern.
Karmesinrote Blitze flackerten in ihnen – ein lebendiger Sturm, gefangen in ihren Iris.
Ihr ganzes Wesen strahlte Druck aus. Einen besonderen Druck. Den Druck einer Herrscherin.
Den Druck einer Kaiserin.
Oder vielmehr—
Einer zukünftigen Kaiserin.
Die karmesinroten Blitze kräuselten sich um ihre Haut, bevor sie in ihren Mana-Kern aufgesogen wurden. Ihr Mana reagierte, veränderte sich, passte sich an, entwickelte sich weiter.
In diesem Moment—
Stieg Sophie in den D-Rang auf.
Sie atmete langsam aus. Dann, mit einem kleinen Lächeln, ballte sie ihre Faust.
Ihr Blick hob sich – fixiert in eine einzige Richtung.
Das Territorium der Weberherz Familie.
Ihre Lippen kräuselten sich.
"...Mein lieber Ehemann, ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen."
"Diesmal bin ich sicher, wirst du überrascht sein."
Und das würde er sein.
Denn in den fünfzig Kapiteln, die Noah gelesen hatte, sollte Sophie diese Kraft nie erwecken.
Noah hatte die Geschichte bereits verändert – weit mehr, als ihm bewusst war.
Denn eine der weiblichen Hauptfiguren hatte sich gerade in etwas völlig Neues verwandelt.
Und das alles dank ihm.
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Selenes Büro
Noah stand wie erstarrt da, der Rücken feucht vor kaltem Schweiß.
Ihm gegenüber saß Selene an ihrem Schreibtisch, ihr Gesichtsausdruck entspannt – lächelnd.
Aber dieses Lächeln konnte die Welt selbst einfrieren.
"Also, mein Baby...", sagte sie sanft.
"Warum bist du ohne die Ritter in den Dungeon gegangen?"
Noah fluchte innerlich.
Wer zum Teufel hat mich verpetzt?
Selene neigte den Kopf, als würde sie seine Gedanken lesen.
"Hast du wirklich gedacht, ich würde dich nur mit den Rittern gehen lassen?", fragte sie amüsiert. "Noah, mein Liebling... du verletzt mich."
Selene? Die Yandere Herzogin?
Als ob sie ihn jemals unbeaufsichtigt gehen lassen würde.
"Ich habe die Mutter deines eigenen Schattens geschickt, um dich zu überwachen", fuhr sie beiläufig fort. "Sie konnte wegen ihres Ranges nicht eintreten, und ich sagte ihr, sie solle nur zusehen."
Ihre silbernen Augen verdunkelten sich.
"Aber kannst du dir vorstellen... wenn dir etwas in diesem Dungeon zugestoßen wäre?"
Noah seufzte resigniert.
'Verdammt... Ich habe jetzt keine Wahl.'
Er senkte den Kopf und aktivierte seinen Trumpf.
Seine silbernen Augen schimmerten, seine Lippen zitterten leicht, und seine Schultern bebten – gerade genug, um ihn zerbrechlich wirken zu lassen.
Der ultimative Hundeblick-Schuldtrip.
Selenes Herz zerbrach augenblicklich.
Bevor er etwas sagen konnte, erschien sie vor ihm und zog ihn in eine erstickende Umarmung.
"Mein Baby, sei nicht so!", flehte sie. "Ich war nur besorgt! Ich wollte nur, dass du die Gefahr verstehst!"
In den Schatten kicherte Ester.
'Meister, Ihr seid hinterhältig.'
Noah seufzte.
'Ester, hast du nie den Spruch gehört, in der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt?'
'Nein, Meister.'
'Dann vergiss es, du Analphabetin.'
Ester schnaubte.
Noah grinste nur.
—Ende von Kapitel 22—