WHY?

~Sicht Hyunjin~

„Wie wäre es mal, wenn wir in Ruhe über alles reden würden?"

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Das Klingeln meines Handys lenkte meine Aufmerksamkeit vom Fernseher ab. Eilig griff ich neben mich und nahm das Handy. Als ich las, wer mich anrief, wurde ich sofort nervös. Die seltsame Reaktion auf meinen Anruf war bereits einige Tage her und seither hatte ich nichts mehr von Suga gehört. Weshalb wollte er mich, genauso wie Taehyung, umbringen? Schliesslich hatte er die Macht, die er besass, grösstenteils mir zu verdanken. Mit leicht zitternden Fingern hob ich ab.

„Suga?", fragte ich ins Handy herein. „Hyunjin, du musst unbedingt nachschauen, ob Kira in deinem Universum ist!", rief Suga aufgeregt. Leicht irritiert zögerte ich mit meiner Antwort.

„Hat denn der Plan nicht geklappt?", wollte ich unsicher wissen.

„Doch, Taehyung ist tot, da die anderen zu spät aufgetaucht sind. Wir konnten sie einfangen. Allerdings ist Kira nicht bei ihnen.", erklärte Suga mir. Nachdem ich ihm versichert hatte, dass ich nach Kira schauen werde, legte ich auf.

Ich konnte nicht leugnen, dass die Tatsache, dass Kira wieder hier war, mich noch nervöser machte, als ich eh schon war. Ich hätte sie schon viel früher umbringen lassen sollen, doch nun war es zu spät. So schnell ich konnte, zog ich mir Jacke und Schuhe an und beeilte mich, um zu Kiras Wohnung zu kommen. Es dauerte keine zwanzig Minuten, ehe ich, völlig ausser Atem, vor ihrer Haustüre stand. Als sich meine Atmung nach einigen Sekunden wieder beruhigt hatte, kramte ich in meiner Jackentasche nach ihrem Haustürschlüssel.

Wie gut, dass dieses kleine, naive Ding mir blindlings vertraute und mir einen Zweitschlüssel zu ihrer Wohnung gegeben hatte. In ihrer Wohnung brauchte ich nicht lange zu suchen. Bereits als ich das Wohnzimmer betrat, konnte ich sie entdecken. Kira sass auf dem Sofa und schien in ihr Handy vertieft, da sich mich nicht gehört zu haben schien. Kurz atmete ich noch einmal tief ein und aus, ehe ich schliesslich meine perfekte Fassade aufsetzte.

„Hey Prinzessin Mononoke!", begrüsste ich sie. Als sie bei meiner Stimme kurz zusammenzuckte, begann ich zu schmunzeln. Yap, sie hatte wirklich nicht bemerkt, dass ich gekommen war. Als sie sich von ihrem Schock erholt hatte, lächelte sie ebenfalls.

„Hyunjin! Ich habe dich gar nicht bemerkt! Was möchtest du?" Schnell streifte ich mir meine Schuhe von den Füssen und hängte meine Jacke auf, da ich wusste wie sehr sie Schmutz und Dreck hasste, dann setzte ich mich neben sie. So sanft und liebevoll ich es hinbekam, legte ich ihr meinen Arm um die Schultern. Bei meiner Berührung zuckte sie zwar leicht zusammen und versteifte sich, entspannte sich dann aber sofort wieder.

„Wir haben in den letzten Wochen so wenig zusammen gemacht. Ich wollte nur kurz nach dir sehen.", erklärte ich. Ob sie wohl langsam bemerkte, dass dies meine Standartausrede war, um ungebeten bei ihr aufzutauchen? Wahrscheinlich nicht. Auf meine Erklärung hin, nickte sie nur schwach. Danach wurde es still. Weder sie noch ich sagten etwas. Nach ein paar Augenblicken sah sie mir auf einmal tief in die Augen. Ihr Blick war wütend, aber auch verunsichert. Was kam jetzt?

„Warum hast du das getan?", fragte sie mich gerade aus.

„Was?", gab ich irritiert zurück.

„Du weisst haargenau, was ich meine." Ihre Aussage brauchte zwei Sekunden, bis sie zu mir durgesickert war. Warte! Sie wusste alles! Das konnte nicht sein! In diesem Moment bemerkte ich, dass ich die Fassade, des glücklichen und treuen Freundes, nicht mehr länger aufrechterhalten konnte und mein Gesichtsausdruck wurde schlagartig emotionslos. Auch Kira schien diese Änderung wohl zu bemerken, denn sie senkte ihren Blick. In meinem Kopf begannen meine Gedanken zu rasen. Es gab so vieles, dass ich ihr gerne an den Kopf geworfen hätte, stattdessen zuckte ich bloss mit den Schultern.

„Gratulation! Du hast echt lange gebraucht, um zu kapieren, dass nicht alles ganz so ist, wie du geglaubt hast." Nach diesen Worten konnte ich bemerken, wie auch bei Kira die Fassade zu bröckeln begann. Sie schien mittlerweile den Tränen nahe zu sein.

„Warum?", flüsterte sie leise, als ihr eine Träne die Wange hinunter ran. Dies war nun der Punkt, an dem mir das Gespräch zu emotional wurde. Wortlos stand ich auf und wollte gehen. Doch Kira machte mir einen Strich, durch die Rechnung.

„Jungs, ihr könnt kommen.", sagte sie, mit erstaunlich fester Stimme. Augenblicklich wurde ihre Schlafzimmertür aufgestossen und einige Personen rannten heraus. Ehe ich auch einen Gedanken fassen konnte, wurde ich von ihnen gepackt und wieder zurück geschleppt. Erst nach einigen Sekunden fiel mir auf, dass es Yoongi und zwei seiner Freunde waren. Soweit ich mich erinnern konnte, hiessen sie Namjoon und Jimin. Warte! Warum waren sie überhaupt frei? Suga hatte doch gesagt...

Sie schleiften mich ins Schlafzimmer, direkt vor den Spiegel. Kira stand langsam vom Sofa auf und folgte uns. Ich wusste, dass sie uns gleich hinüber teleportieren würde, doch ich hatte nicht wirklich Angst, denn schliesslich waren drüben ja noch Suga und seine Freunde und die halfen mir sowieso. Wie vermutet kniete sich Kira zu mir hinunter und umfasste meinen Fussknöchel. Die anderen hielten sich an ihrer Schulter fest und es dauerte nicht lange und alles wurde schwarz.

Als ich meine Augen wieder öffnete, waren wir zu meinem Erstaunen im Thronsaal. Suga stand einige Meter vor seinem Thron. Seine Freunde hatten sich neben ihm aufgebaut. Yoongis Freunde hingegen standen alle hinter uns. Kira, Yoongi, Namjoon und Jimin liessen mich sofort los und gesellten sich zu den anderen.

Langsam kam in mir doch ein ungutes Gefühl auf. Dass der Prinz und seine Helfer hier so frei rumstanden, war eindeutig kein gutes Zeichen. Wenn sie es irgendwie geschafft hatten, dass Suga ihnen zuhört hatte, war ich erledigt. Doch meinen emotionslosen Ausdruck behielt ich bei. Was sollte denn gross passieren? Ja, sie könnten mich umbringen, aber war das vielleicht nicht irgendwie sogar besser, als wenn ich noch jahrelang in Gefangenschaft leben müsste? In diesem Moment machte Suga einen Schritt auf mich zu. In seinem Gesicht speigelte sich pure Wut.

„Ich glaube, du bist uns eine Erklärung schuldig!", zischte er aufgebracht. Unauffällig schätzte ich meine Fluchtmöglichkeiten ab. Doch sie waren sehr gering. Dafür standen hier einfach zu viele Leute herum. Schliesslich entschied ich mich für die Wahrheit. Dann würde Kira einige psychische Schicksalsschläge durchmachen müssen, was mir ziemlich recht war.

„Ihr habt alle echt lange gebraucht, um zu bemerkten, wie viel hier alles nur gespielt war.", wiederholte ich meine Worte, die ich eben schon zu Kira gesagt hatte. Durch meine Augenwinkel konnte ich bemerken, dass beide Jimins, wie auch Suga und Yoongi Mühe hatten ruhig zu bleiben. Ein teuflisches Grinsen breitete sich in meinem Gesicht aus.

Ich würde leugnen; würde ich sagen, dass es mich nicht amüsierte, wie leicht sie doch zu provozieren waren. Nach einer extra langen Pause begann ich endlich zu erzählen.

„Nun, wie soll ich beginnen? Yoongi, ich muss dich leider enttäuschen. Deine Mutter war nicht immer dieser Unschuldsengel, wie sie vorgab zu sein. Sie hatte eine Affäre. Mit meinem Vater. Diese beiden ach so tollen Personen haben meine Mutter, durch ihre Affäre, so verzweifeln lassen, dass sie sich schliesslich selbst umgebracht hatte. Nach ihrem Tod war ich meinem Vater und deiner Mutter nur ein Dorn im Auge. Ich wäre nicht erstaunt, wenn sie schon Pläne hatten, wie sie mich loswerden wollten. Tja, daraus wurde nur nichts, denn die beiden starben bei einem Autounfall. Durch deine Mutter erfuhr ich auch das erste Mal von diesen Paralleluniversen und den Spiegeln. Für mich war es ein Leichtes herauszufinden, was hier vor sich ging. Ich schwor mir damals Rache an der ganzen Familie von Yoongis Mutter. Schliesslich war sie schuld an dem Tod meiner Eltern. Relativ schnell konnte ich auch beinahe alle auslöschen. Bis auf Yoongi. Da kam es mir ganz recht, dass Suga sein Universum an Yoongis Vater verloren hatte. Es war so leicht, ihn aufzustacheln, dass er Yoongi zu hassen begann und ihn umbringen wollte. Ich musste nur dabei zusehen, wie ihr euch gegenseitig zerstören wollten. Ganz ehrlich, manchmal war es auch ziemlich amüsant. Dass Kira dann diesen Spiegel entdeckte, war ein glücklicher Zufall. So fiel es nicht weiter auf, wenn ich Suga, befahl sie zu beseitigen. Denn eine wahre Freundin war sie nie. Als ich sie am meisten gebraucht hätte, zog sie einfach und liess mich zurück. Auch bei unseren Telefonaten hat sie nie meine Trauer bemerkt. Kira, echte Freunde bemerken, wenn die Eltern seines Kindergartenfreundes sterben."

„Okay, das reicht!", rief Jimin wütend dazwischen. Erst jetzt sah ich mich wieder richtig um. Sowohl Yoongi, wie auch Kira waren wohl völlig entsetzt. Auch alle anderen konnten ihre Überraschung nicht verbergen. „Wie konntest du nur! Ich habe dir vertraut!", zischte Kira. Ich beginne bei diesen Worten leicht zu grinsen.

„Kleines, naives Mädchen. Vertrauen ist etwas für Kinder. Ausserdem habe ich dich nie um dein Vertrauen gebeten."

„Suga, lass ihn abführen!", meinte auch nun der andere Jimin, Sugas Helfer. Sogleich winkte Suga einige Wachen herbei, die auf mich zustürmten. Ich schloss bloss die Augen. Mir war mittlerweile alles egal. Seit dem Tod meiner Eltern war ich so gut wie emotionslos geworden und das selbst noch in solchen Situationen, in denen mein Leben an einem seidenen Faden hing. Die Wachen fesselten mich, banden mir ein Tuch um die Augen und zogen mich auf die Füsse.

„Wartet!", drang auf einmal Kiras Stimme zu mir durch. Ich kannte sie sehr gut. An ihrem Tonfall konnte ich eindeutig erkennen, dass sie erneut den Tränen nahe war. Sanfte Schritte kamen näher und jemand machte sich an meiner Augenbinde zu schaffen. Kira stand direkt vor mir und sah mich traurig an.

„Ich werde nie begreifen, wieso du so gehandelt hast, aber danke, dass du mir den Grund gesagt hast. Ich will nur, dass du weisst, dass ich dich nie ganz loslassen werden kann. Auch wenn es nur einseitig war, diese Freundschaft war mir echt wertvoll." Mit diesen Worten zog sie das Tuch wieder über meine Augen und trat einen Schritt zurück.

„Suga, Yoongi macht mit ihm was ihr wollt, aber lasst ihn am Leben.", befahl sie, ehe ich Schritte hörte, die sich von mir entfernten. Sofort wurde der harte Griff um meinen Arm wieder härter und ich wurde weggezogen.

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