Kraft der behandschuhten Hände

Obwohl der Raum etwas düster war, weil nicht alle Vorhänge vom Fenster weggezogen worden waren, fühlte der Raum sich für Anastasia heiß an. Die Hand in dem Handschuh, die an der Tür lag, ließ nicht von der Tür ab bis sie den Türknauf losgelassen hatte.

Anastasia drehte sich dort, wo sie stand, um und achtete darauf, die Person, die zu dicht bei ihr stand und über ihr aufragte, nicht zu berühren.

Als ihre Augen mit Dantes tiefschwarzen Augen, in denen ein Funken Groll und Neugier schimmerte, zusammenprallten, hörte sie ihn sie fragen:

"Das ist das zweite Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden, dass du mir gefolgt bist. Wer hat dich dazu aufgefordert?"

Was? Anastasia schüttelte schnell den Kopf.

Ihr Blick fiel auf ihn. Sie sah, dass seine Haare zerzaust waren, er locker sitzende Hosen trug und ein einfaches weißes Hemd, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt waren, und die obersten drei Knöpfe waren nicht zugetan.

Dante reagierte nicht gut darauf, wenn Frauen zu ihn geschickt wurden, um ihn zu verführen oder um herauszufinden, was er vorhatte. Das war in der Vergangenheit schon mehr als vier Mal vorgekommen. Seine behandschuhte Hand schoss auf die Kehle des Dienstmädchens, seine Finger schlangen sich um diese und sein Daumen drückte auf den Raum zwischen ihrem Schlüsselbein.

Anastasias Herz setzte aus vor Schreck und sie fror vor Überraschung, als sie den Griff seiner Hand spürte und nicht erwartet hatte, dass die Situation so schnell derart eskalieren würde, dass ihr Leben nun am seidenen Faden hing.

Er wird mich umbringen! schrie Anastasias Gedanken alarmiert.

"Was tust du hier? Wirst du mir antworten?", fragte Dante, sein finsterer Blick wurde noch intensiver.

Anastasia, unfähig zu sprechen, hob ihre Hände, bereit ihm mit Gesten zu erklären. Doch noch bevor sie ihre Hand nach vorne strecken konnte, ergriff Dantes andere Hand ihr Handgelenk und presste es gegen das Holz der Tür.

Sie zitterte vor der Entschlossenheit seiner Bewegungen. Ein Schweißtropfen rann ihren Nacken herunter und verschwand unter dem Saum ihres Kleides.

Dante fragte sich, ob sein Vater oder seine Großmutter diese Frau zu ihm geschickt hatten. War sie überhaupt ein Dienstmädchen? Oder war sie eine weitere Konkubine oder Kurtisane, die sich als Dienstmädchen ausgegeben hatte, um ihn zu überraschen? Jungen Frauen, die zu ihm geschickt wurden, waren immer darauf erpicht, seine Gunst zu erlangen. Sie waren bereit, sich für ihn auszuziehen und ihm zu Diensten zu sein.

Bevor Anastasia ihre andere freie Hand heben konnte, um ihre Worte mit Gesten zu übermitteln, beugte sich Dante vor und flüsterte in ihr Ohr.

"Da du offensichtlich ungeduldig in mein Zimmer gestürmt bist ohne meine Erlaubnis dazu einzuholen, sollte ich vielleicht die Sache selbst in die Hand nehmen und dich dafür bestrafen", flüsterte Dante, sein Atem streifte ihr Ohr und ließ ihr Herz überspringen. "Stelle sicher, dass es für dich schwierig wird, jemals wieder vor mir zu erscheinen", bedrohte er sie mit seinen Worten.

Anastasia wusste, dass sie eigentlich Angst vor ihm haben sollte, aber stattdessen drehte sich ihr der Kopf und das lag nicht an seiner Hand um ihren Hals. Er war gutaussehend, aber das bedeutete nicht, dass sie sein bedrohliches Verhalten tolerieren würde.

Dante zog sich zurück und sagte: "Was für eine gefügige Frau."

Als die Hand, die ihr Handgelenk festhielt, tiefer zu gleiten drohte, legte Anastasia hastig ihre Hand auf seine Brust, um ihn zu stoppen. Glücklicherweise berührten ihre Finger nicht seine nackte, straffe Brust. Aber genauso schnell wie ihre Hand ihn gestoppt hatte, zog Anastasia auch ihre Hand wieder zurück.

Anastasia sah nicht zu Dante auf. Ihre Augen waren gesenkt, ihre Wangen erröteten vor Scham und ihre Hand hing in der Luft. Sie zog ihre Hand zurück und führte sie an die Lippen. Das veranlasste den Prinzen dazu, seine Augen zu verengen. Sie schüttelte den Kopf.

Dante starrte Anastasia einige Sekunden an, bevor es ihm klar wurde: "Du kannst nicht sprechen...?" Sie nickte nur, ihr Herz klopfte stark.

Anastasia spürte, wie sich die Finger, die zuvor ihre Kehle umschlungen hatten, lösten, ebenso wie der Griff um ihre Hand. Sie starrte auf ihre Hand und strich über die Haut ihres Handgelenks, als ob der Griff des Prinzen ihre Haut verbrannt hätte.

Dante neigte seinen Kopf zur Seite, um sie genauer zu betrachten und das machte Anastasia nervös. Bezweifelte er, dass sie sprechen konnte? Wusste er es? Nein, niemand konnte es wissen, dachte sie.

Er starrte sie einige Zeit an, denn er hatte noch nie gehört, dass der Chef des Dienstpersonals taube oder stumme Diener im Palast beschäftigte. Dann fragte er sie:

"Hast du schon immer nicht sprechen können?"

Anastasia hatte gehofft, dass diese Frage nie gestellt werden würde, um so viel wie möglich zu vermeiden, lügen zu müssen, aber jetzt fühlte sie sich gefangen. Sie bewegte ihre Hände,

"Seit ich hierher gekommen bin..."

"Vergiss es", unterbrach Dante sie, da er schnell das Interesse verlor und seine Augen verengten sich. Er machte einen Schritt auf sie zu und Anastasia fragte sich, ob ihre Lüge aufgeflogen war. Er beugte sich vor und sagte: "Betrachte dies als deine erste und letzte Warnung. Betritt diesen Raum nicht noch einmal ohne meine Erlaubnis."

Anastasia hörte das Klicken des Türknaufs, als Dante die Tür aufschloss. Ein wenig Licht drang von draußen herein und fiel auf ihn. In seinen Augen lag noch immer dieser strenge Blick. Sie verbeugte sich tief und nutzte die Gelegenheit, um die Tür weit zu öffnen und schnell aus dem Raum zu verschwinden.

Noch nie war sie in so einer engen Begegnung mit einem Mann gewesen, ganz zu schweigen von einem Prinzen, dachte Anastasia, während sie den Flur entlang hastete. Sie sah sich um, um sicherzugehen, dass sie ganz allein war, aber gerade als sie am Ende des Flurs um die Ecke biegen wollte, stieß sie mit jemandem zusammen.

"Aah...", knirschte Prinzessin Niyasa mit den Zähnen, als sie den Aufprall der stümperhaften Dienstmagd spürte, die mit ihr zusammengestoßen war.

Anastasia verneigte sich schnell als Zeichen ihrer Entschuldigung. Es schien, als hätte sie heute das größte Pech.

Hinter der starrenden Prinzessin stand Charlotte, deren fröhliches Lächeln verblasste und sich in Sorge verwandelte. Diese Korridore waren für die königliche Familie und andere einflussreiche Personen bestimmt und nur ausgewählte Diener und Dienstmädchen hatten Zugang dazu. Als sie Anastasia hier sah, erkannte sie, dass sie hier war, um die Wahrheit über die Skizzen auszuplaudern.

Prinzessin Niyasa fauchte: "Hast du keine Augen, um zu sehen, wohin du läufst? Oder steckt dein Verstand in deinen Füßen?"

"Es scheint, dass sie eine niedere Magd ist. Eine hochgestellte Prinzessin wie Sie sollte sich nicht mit ihr abgeben, Prinzessin...", versuchte Charlotte zu schlichten, in der Hoffnung, dass sie Anastasia hinter sich lassen und ihre Lüge nicht ans Licht kommen würde.

Prinzessin Niyasa drehte sich zu Charlotte um und sagte mit missmutiger Miene: "Ich habe nicht um deine Meinung gebeten. Rede nicht, wenn du nicht angesprochen wurdest." Daraufhin schlossen sich Charlottes Lippen sofort und sie senkte den Kopf um die Prinzessin nicht weiter zu verärgern, die sichtlich wenig Geduld hatte. "Wie unhöflich... es scheint, dass die niederen Zimmermädchen wirklich keine Manieren haben. Stehen statt knien, um um Verzeihung zu bitten", verspottete sie.

Anastasia konnte den Hochmut und Überheblichkeit aus dem Ton der Prinzessin heraushören. Sie wollte keinen Ärger machen und seit sie hier lebt, hatte sie gelernt, dass es besser war, zu folgen, statt sich gegen die Leute zu stellen, die in der Gesellschaft höher gestellt sind als sie.

Sie tat, was die Prinzessin verlangte, in dem sie sich auf den Boden kniete und den Kopf senkte.

Die Lippen der Prinzessin Niyasa verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen und sie murmelte: "Was macht ein niederes Dienstmädchen in diesem Teil des Palastes?" Sie trat vor und trat auf die Finger der Frau, die auf dem Boden lagen. "Ich werde sicherlich Norrix fragen, was ein niederes Dienstmädchen hier verloren hat."

Anastasia spürte den Schmerz, der durch ihre Finger schoss. Sie presste die Zähne zusammen und schloss die Augen, um ihr Aufschreien zu unterdrücken.

Prinzessin Niyasa trat von Anastasia zurück und sagte: "Nächstes Mal benutze besser deine Augen und Ohren", bevor sie sich abwandte und mit ihren beiden Dienstmädchen hinter sich den Gang entlang wegging.