Kapitel 7: Merlin und sein Mantel

Kapitel 7: Merlin und sein Mantel

Als ich am Übernächsten Morgen nach meiner Flucht aufwachte, ging ich erstmal ins Bad. Mein Körper fühlte sich wie eine leere Hülle an, aber langsam wurde ich wieder lebendig. Mein Meister kam um die Ecke und hielt mir eine Zahnbürste mit Zahnpasta hin. 

„Mach dich Ausgehfertig, wir besorgen ein paar Sachen für dich in Kanori."

„Okay, wie geht es meiner Schwester?"

„Gut, sie lacht immer, wenn sie Ignis sieht. Deswegen bleiben die Beiden heute hier. Nur wir Beide und eine Menge Kohle, die wir verbraten können."

Plötzlich sah ich wie Flammen hinter Merlin aus dem Treppenhaus aufkamen. 

„Du wirst nicht unser hart verdientes Geld rausschmeißen!"

Kreischte Ignis von Erdgeschoss aus.

„Keine Sorge Ignis. Ich pass auf Merlin auf, nur bitte pass auf Kalli auf."

„Danke Loki, wenigstens eine die ein bisschen Vernünftig ist."

Vernünftig? Nach meiner Flucht konnte ich das alles endlich ablegen. Ich band meine langen roten Haare zu einem lockeren Zopf zusammen, der auf meinen Rücken lag und überdeckte das Auge ohne Feuermahl, zusätzlich hatte ich von Merlin ein paar Armbänder bekommen. Ich musste nun nicht mehr meine Arme verstecken, also zerschnitt ich meine Ärmel und Hosenbeine. Es war Sommer! Warum sollte ich mich halb Tod schwitzen! Das Mahl war weg und damit begann mein neuer Lebendabschnitt, mit einem neuen Schicksal, wenn auch mit ein paar Narben. Auf jeden Fall stand ich dann vor meinen Erzfeind. Den Treppenhaus. Merlins Haus war hoch. Heutzutage besitzt es neun Stockwerke, damals hat es schon sechs. Das Wohnzimmer, Esszimmer und Küche im Erdgeschoss, dann eine Bibliothek, die sich auf Lehrbücher bezog, dann eine Bibliothek mit Romanen, ein Laboratorium für Alchemie und zum Tränke brauen, dann Merlins Büro, was keiner betreten durfte und zum Schluss der oberste Stock mit dem Schlafzimmern und dem Bad. Die sechs Stockwerke waren sehr hoch und das Treppenhaus wahnsinnig eng, es reichte, dass ich gerade einmal eine Zehnspitze auf die Treppe zu setzen, und ich war sofort wahnsinnig gestresst. Um Merlins Haus wanden sich Pflanzen, noch war ich leicht genug, um sie hinunterzuklettern. Also kletterte ich durch mein Zimmerfenster hinunter und schritt durch die Haustür. Ignis, die mit Kalli spielte sah mich verwundert an. Merlin kam gerade die Treppen herunter. 

„Warst du gerade nicht noch oben?"

„Ich dachte, klettern wäre eine nette morgendliche Beschäftigung. Ich habe mich seit Monaten nicht mehr so ausgelastet gefühlt."

Sagte ich und streckte mich, um meine Ausrede glaubwürdig zu machen. Meine Augen entdeckten ein kleines Bündel auf dem Teppich liegen, umgeben von Babyspielzeug. Ich nahm Kalli hoch. Sie freute sich und lachte mich an. 

„Deine Schwester ist sehr süß, aber wie hast du sie genannt? Als du hier reingefallen bist, warst du direkt ohnmächtig."

„Kahletra Humoria Jeevah."

Stellte ich Kalli vor. 

„Du meinst wohl eher Woods, oder Merlin, Liebling?"

Meinte Ignis und sah ihren Ehemann erwartungsvoll an.

„Ach gut, dass du es erwähnst, Ignis. Loki, du und ich müssen nachher noch zum Schloss der hohen Magier. Ich muss dich so langsam als meine Schülerin eintragen. Nicht wundern, ich werde dich und Kalli als meine Töchter eintragen lassen, damit niemand dahinterkommt, dass du eigentlich eine Jeevah bist."

Innerlich strahlte ich ihn an. 

„Heißt das, du adoptierst mich, Merlin?"

„Ja, natürlich, ich kann dich ja nicht einfach jedes Moon und Solar Fest nach Hause schicken, so wie die anderen Meister ihre Schüler nach Hause schicken, deswegen haben Ignis und ich beschlossen euch zu adoptieren. Jetzt aber iss etwas. Du hast gestern durchgeschlafen, du musst wahnsinnig hungrig sein."

Und wie ich das war. Ich aß, als hatte ich jahrelang nichts gegessen. Ignis bot mir sogar noch einen Nachschlag an, den ich aber geniert ablehnte. Mir war es peinlich, so viel zu essen, obwohl sie mir nicht einmal einen Vorwurf machte. 

„Na dann, wenn du fertig bist, lass uns schon mal gehen. Ignis kommst du allein mit Kalli zurecht?"

„Mit diesem braven Sonnenschein, aber ja doch. Geht ihr beiden nur und habt Spaß. Und Merlin, bitte, kauf uns nicht bankrott."

Das letzte war richtig große Sorge von Ignis. 

„Keine Sorge Liebling."

Wir gingen aus dem Haus und sobald die Tür geschlossen war, meinte Merlin:

„Ich habe vor, dir heute deine Lehrbücher, alle Bücher, die du willst, zu kaufen, du brauchst neue Klamotten, vor allem Bade und Wintersachen, ein bisschen Spielzeug für dich, Kalli und mich, Süßigkeiten, oh Moon, da wird sich Kalaris richtig über den Umsatz freuen, und danach möchte ich dir ein Begleittier aussuchen, da habe ich schon eins im Kopf, was zu dir passen könnte."

Das hörte sich so klasse an, so, als würde das der schönste Tag meines Lebens werden. 

„Dann lass uns Kanori stürmen!"

Sagte ich und überschlug mich schon beinahe, als ich von der Veranda sprang. 

„Woho!"

Wir rannten um die Wette nach Konihi zum Portal. Merlin war in der Menschenstadt Konihi wohl bekannt. Die Leute grüßten ihn, lächelten ihn an und er bekam sogar zwei Äpfel geschenkt. Einen reichte er mir hinunter. Wir aßen sie auf den restlichen Weg zum Portal auf. Die Äpfel von Konihi sind die allerbesten, bis heute liebe ich sie und schleiche mich in das mittlerweile uns feindlich gesinnte Konihi für ein paar Äpfel. Die Menge wurde immer enger. Das war mir auch nicht sonderlich geheuer, weswegen Merlin meine Hand nahm.

„Wir müssen an deiner Klaustrophobie arbeiten. Du kannst nicht jeden Tag die Fassade hoch und runter klettern."

Ich nickte nur und aß den Apfel auf. 

„Da ist das Portal, kein Wunder tummeln sich die Menschen davor, viele berühmte Magier reisen heute zur großen Eröffnung der Oper von Konihi ein, das wird ein schönes Erlebnis morgen Abend. Ich habe auch eine Einladung erhalten. Ignis mag keine Opern, wenn du willst, darfst du gerne morgen Abend mitkommen."

Ich nickte und lächelte, ich wollte schon immer in eine Oper. Wir gingen durch das Portal und standen in Rosia. 

„Also, erst die Arbeit, dann das Vergnügen, ich melde dich als meine Schülerin und Adoptivtochter an."

Das Schloss der hohen Magier war groß und offen, überall fiel Sonnenlicht hinein und ließ die Wände und Böden Perlmutt Farben leuchten. Wir waren auf der Südseite des Schlosses, da wo die ganze Bürokratie der magischen Welt über die Bühne ging, am nördlichen Teil residierte der Rat der Dreizehn, im westlichen Teil gab es ein Museum und im östlichen fanden Feierlichkeiten statt. Überall saßen Magier an Schaltern und gaben Papiere aus. Merlin zog mich zu einen Schalter über dem Lehrermeister Anmeldung stand. Die Frau, die dahinter saß, musterte uns eine Minute streng, bevor sie genervt ihr Buch zur Seite legte. 

„Was kann ich für Sie tun?"

Kein Hallo oder so? Muss wohl üblich sein in diesen Einrichtungen. 

„Ich würde mir gerne eine Lehr Erlaubnis ausstellen lassen."

„Haben Sie ihre Papiere dabei?"

Merlin zog einen Stapel zerknüllter Papier aus seinen Mantel und warf sie interesslos auf den Tresen. 

„Mein Ausweis, mein Rang, meine Zeugnisse, wenn sie wollen, habe ich da drinnen sicherlich noch irgendwo meine Geburtsurkunde."

Sagte Merlin ironisch. Er mochte Bürokratie noch nie. Und in diesen Teil des Schlosses roch es danach. Die Dame blätterte durch die etwas zerknüllten Papiere, bevor sie ein weiteres, neues Dokument nahm und es beschriftete. Ich konnte leicht über den Tresen schmulen und sah, dass sie Merlins Daten, also Name Geburtsdatum und Lehrmeister eintrug. 

„Haben sie eine Examensurkunde, die beweist, dass sie eine Lehrmeisterprüfung abgelegt und bestanden haben?"

„Die ist sicherlich auch irgendwo hier in meinen Mantel. Einen Moment Geduld bitte."

Ich beobachtete ihn genau. Er zog ein Blatt aus seinem Ärmel, was gerollt war, risse hatte und, bevor Merlin es gerollt hatte, gefaltet worden war. Ich sah, wie aus seinen Fingerspitzen kleine, blaue Funken kamen. Er beschriftet das, also er fälschte es. Der Typ hatte nie eine Prüfung abgelegt. Er zog das fertige Dokument raus und legte es hin. Die Frau sah ihn an, als hätte er gerade ein unverzeihliches Verbrechen begangen. Oh nein, sie hatte sicherlich gesehen, wie Merlin es gefälscht hatte.

„Ist das ihr Ernst? Solche wichtigen Dokumente sollten gehegt, gepflegt und sicher verwahrt werden!"

Das war ihr Problem! Oh Mann, manche haben echt Probleme, wo keine sind. Trotzdem fiel mir ein Stein vom Herzen, sie hatte den Betrug nicht mitbekommen. 

„Glauben sie mir, Teuerste, diese Dokumente sind am sichersten Ort der Welt, in meinen Mantel und jetzt bitte ich sie mir meine Erlaubnis auszustellen. Ich habe heute noch ein strammes Programm vor mir."

Eingeschnappt schrieb die Dame das Dokument fertig, stempelte es und schob alles wieder zu Merlin, der es wieder in seinem Mantel verstaute. 

„Schönen Tag noch."

Verabschiedete sich Merlin höfflich und hob einen imaginären Hut. Der nächste Schalter war beschriftet mit dem Schild Adoption von Straßenkindern. 

„Loki, lass mich bitte reden."

„Okay, kein Problem."

Warum auch immer ich was sagen sollte, ich wäre ja dumm, wenn ich mich jetzt noch selbst verriet, nachdem ich so weit gekommen war. Der junge Mann am Schalter wirkte sehr gelangweilt. Er schlief halb und stütze sich seinen Kopf am Tisch ab. Es gab kaum noch Straßenkinder in Elystria, daher, dass es so einfach war sie zu adoptieren, und bei dieser Art von Adoption fielen auch keine Kosten an, waren viele Kinder von den Straßen in ein besseres zu Hause gekommen. Hoch lebe das Regelsystem von Elystria, tut mir leid, aber das muss ich als hoher Magier sagen, beziehungsweise schreiben. Auf jeden Fall ging Merlin zu dem jungen Mann und klopfte höflich auf die Tischplatte. 

„Guten Tag der Herr, ich würde gerne zwei Straßenkinder bei mir eintragen lassen."

Der junge Herr sah Merlin ganz überrumpelt an und griff hastig und panisch in eine Schublade, um einen Notizzettel rauszuholen. 

„Ähm… dann bräuchte ich den Ausweis des Herren oder Dame…"

Las er vor. 

„Sie meinen von mir, oder von den Kindern?"

„Natürlich von Ihnen, die Kinder haben wahrscheinlich noch keinen."

Merlin grub seinen Ausweis wieder aus den Ärmeln und tauschte ihn gegen zwei Papiere ein.

„Bitte füllen Sie das Blatt aus."

Las der Mann ab und nahm Merlins Ausweis. Ich schmulte wieder hoch. Die beiden Dokumente waren identisch. Name des Kindes, Sternzeichenfest, Größe, Haar-, Augenfarbe und Name der Adoptiveltern. Merlin füllte beide einmal auf Kalli bezogen und einmal auf mich. Ich war erstaunt, er tat immer so, als würde er mich nicht gut kennen, aber er hörte mir doch immer zu. Der Mann stellte mir und Kalli je einen Ausweis aus. Merlin gab mir meinen. Loki Esyia Woods. Hörte sich gut an. Da war sogar ein Foto von mir drauf, was Magie nicht alles möglich machte. 

„Der Ausweis ist sehr wichtig, Loki, den darfst du nicht verlieren."

Erklärte mir Merlin und wir gingen zum letzten Schalter. Schüleranerkennung. Da stand jetzt eine lange Schlange Meister und Schüler. Die meisten Schüler waren älter als ich. Ich zitterte etwas und sah auf meinen Ausweis, um davon abzulenken. Loki Esyia Woods, Geburtsdatum: vierter Tag unter dem Sternzeichen Wassermann: Geburtsjahr, Fünfhundert nach der Schlacht von Elystria, Größe: Aktuell einen Meter fünfzig, Haarfarbe: Apfel rot, ich bevorzugte zwar die Bezeichnung Feuerrot, aber okay, Augenfarbe: rechts: Blau, links: Grün, Rang:-. Bei Rang würde nach meiner Anmeldung 0 stehen, sobald ich die erste Lektion abgeschlossen hatte, würde eine eins Auftauchen. Rang war immer gleich abgeschlossene Lektion. Merlin war Magier von Rang 10, jetzt da er Lehrer war 10+. Als hoher Magier bekam man den Rang S, für Sonderrang, als Höchster S+. Die Schlange rückte weiter, so dass wir die nächsten waren. Die beiden Frauen hinter der Theke wirkten sehr gestresst. Sie rannten durcheinander, Haare und Klamotten komplett ruiniert und zerzaust. Die eine Dame hängte sich halb über den Tresen und präsentierte mir und Merlin ihr wunderschönes Dekolleté. Sie hielt ihre Hand hin und sagte:

„Ausweise und Lehrmeisterurkunde bitte."

Ich reichte Merlin meinen Ausweis und er legte sie zusammen mit seinen restlichen Dokumenten hin. 

„Stellen Sie sich bitte zur Seite, damit wir schon Mal die nächsten Magier bedienen können."

Wir wurden brutal zur Seite geschoben, ich fiel dabei hin und schlug mir die Knie auf. 

„Hey aufpassen, dass ist meine Schülerin."

Zischte Merlin und nahm mich hoch. Ich war acht, warum wurde ich noch hochgehoben! Er sah sich meine leicht aufgeschürften Knie an, sie brannten etwas, aber im Vergleich zu den Schmerzen, die ich noch vor ein paar Tagen empfunden hatte, war das noch gar nichts. Der Mann vor ihm war der hohe Magier Nummer zwölf, Toma, die ewige Niete unter dem hohen Magiern, sah man auch an seinem hohen Alter. Normale Magier, die im Durchschnitt lagen, brauchten je Lektion circa ein Jahr und ein paar Monate, also sah man meistens nur Magier, die Anfang Mitte zwanzig, oder sogar noch jünger, waren. Er war Mitte vierzig gewesen, seine Haare waren grau und fielen aus, er hatte Falten, die seine grünen Augen fast schon überdeckten. Ich hatte damals schon mehr Potential als er, und ich konnte außer Aurensuche und Glitzer nicht wirklich viel. Das erkannte auch der Mann, der das Szenario beobachtete. Der höchste Magier von allen, allen voran aber war er Merlins Kindheitsfreund, Thorsten Lügenbrück. Seine spezielle Fähigkeit Simjin war mächtig, aber nicht so mächtig wie Merlins Agilita duplica. Eigentlich hatte man Merlin einst den Sitz als höchster Magier angeboten, aber er lehnte ab, um sich weiterhin der Forschung zu widmen. 

„Tse, Merlin, lässt du Abschaum dich auch mal wieder in Kanori blicken?"

„Mein lieber Toma, ich bin öfters in Kanori als in meinen eigenen vier Wänden."

Er sah mich skeptisch an. 

„Du meldest einen Schüler an?"

„Ja, das ist meine Schülerin Loki."

Er ließ mich runter. Toma musterte mich streng, mein Blick war aber auch sehr streng. 

„Sollte das Kind nicht in der Grundschule sein? Ich habe sie noch nie in der Schule gesehen."

Nein, er war kein perverser Kinderspanner, auch wenn es zu dieser schmierigen Nacktschnecken passen würde, er verwaltete nur den riesigen Schulkomplex in Elystria. 

„Sie ist außerordentlich begabt, also nehme ich sie jetzt schon unter meine Fittiche. Außerdem brauchst du sie gar nicht so skeptisch anzusehen, sie ist weitaus begabter als du jetzt schon."

Empört stampfte Toma auf. 

„Ja, das werden wir ja schon sehen, Merlin!"

Er wollte mich angreifen, mich, eine verdammte achtjährige! Innerlich machte ich mich bereit, diesen Mann die Abreibung seines Lebens zu verpassen, hätte ich wahrscheinlich auch hinbekommen, doch plötzlich stellte sich ein Mann zwischen uns. Er war schwarz, hatte komplett goldenen Augen und eine blank polierte Glatze. Er trug ein braunes Stoffhemd und Hose. Privat konnte man ihn kaum ansehen, dass er einer der reichsten und angesehensten Männer des Landes war. Das Oberhaupt der magischen Welt. Er stellte sich zu uns und sagte:

„Toma, benimmst du dich mal wieder wie die Axt im Walde? Lass Merlin in Ruhe, du weißt, wie mächtig er ist."

„Tse, tu doch mal was! Sieh doch mal hin Thorsten, er will ein achtjähriges Kind zum Magier ausbilden, die soll erstmal…"

„Ich bin von Merlin bereits informiert worden. Dieses Kind ist was Besonderes. Wir haben heute erst über sie geredet."

„Ach, sie ist das?"

Er nickte und in selben Moment reichte die Frau von eben Merlin ein Haufen Papier.

„Hier bitte, schönen Tag noch."

Sagte sie flüchtig und arbeitete sofort weiter. Merlin verabschiedete sich von Thorsten, bevor er mit mir im Anhang zum Eingang lief, aber kurz noch innehielt. Er zog zwei Phiolen mit blauer Flüssigkeit aus seinem Mantel. 

„Hast du Lust den Laden aufzumischen?"

Ich zog eine Phiole aus meiner Hosentasche und grinste ihn so an, wie er mich. Ich hatte mit bereits sowas denken können und ehrlich in Anbetracht dessen, was geschehen war da drinnen, war es höchste Zeit etwas Leben in diese Bruchbude zu bringen. Merlin sah mich stolz an. 

„Oh Loki, wir werden so viel Spaß die nächsten Jahre haben!"

Sagte er und wir warfen die Phiolen mit blauen Löwen in den Raum. Danach nahmen wir die Beine in die Hand und rannten. 

Am späten Nachmittag kamen wir in einen kleineren, abgelegenen Wald. Wir hatten alles besorgt. Der ganze Trubel hatte mich müde gemacht und ich wollte eigentlich nach Hause zu Kalli. Ich durfte heute das erste Mal in der Nacht auf sie aufpassen. Ich gähnte und fragte meinen Meister:

„Merlin, was wollen wir hier?"

„Wie ich schon sagte, ich will dir ein Begleittier an die Seite stellen. Sagt dir der Name Stolas was?"

„Diese Dämoneneule, die einmal das Haustier von Moon war?"

„Genau, sie gehört zu einer Spezies, die sich die weisen Eulen nennt. Aber wir nennen sie Dämoneneulen. So eine möchte ich dir besorgen."

„Gehen wir zu einem Züchter?"

„Ein Züchter, oh süße, kleine unwissende Loki. Die musst du dir selbst besorgen."

Im selben Moment flog eine riesige Eule über uns vorbei mit einem lauten Schrei. Sie war ganz schwarz und hatte ein Gefieder, was ihr in Fliegen die Erscheinung gab, als würde sie ein Kleid tragen. Sie hatte lange, sichtbare Beine. Sie erinnerten an die eines Spatzen. Mein Mund war auf Hüfthöhe angekommen. 

„Also, fang dir eine."

Sagte er und holte ein Seil aus den tiefen seines Mantels hervor. Er drückte es in meine komplett versteinerten Arme. 

„Spinnst du Merlin! Ich bin acht! Auch wenn ich mich nicht so benehme, aber ich habe einen kleinen, schwachen Körper! Das wird nie was werden! Ich bin noch zu jung, um gefressen zu werden."

Doch er hörte mir nicht mehr zu, stattdessen setzte er sich gegen einen Baum gesetzt und machte die Augen etwas zu. 

„Du wirst das schon schaffen, das trau ich dir zu. Und falls du es nicht schaffen solltest, werden wir Kalli von dir und deiner einzigen Heldentat erzählen."

Idiot! Ich nahm das Seil und versuchte mich hinter Büschen und Bäumen zu verstecken. Wie mache ich das? Einfach warten, bis eine vorbeifliegt? Das schien mir eine gute erste Technik zu sein. Ich wartete, dann sah ich endlich eine und warf mein Seil und es wickelte sich um den Hals der Eule. Dumm nur dass dieser vier Meter Riese mich mit Leichtigkeit mit sich riss. Ich ließ vor Schreck los, kullerte ein paar Meter und blieb dann kurz auf den Hintern sitzen und sah so aus, als hätte man mich gerade angefahren. Lange konnte ich so nicht verweilen, denn die Eule hatte es auf mich abgesehen, also versteckte ich mich schnell in einem kleinen Loch in einen toten Baum. Die Eule ließ nach einiger Zeit ab und erhob ihren riesigen Körper zurück in die Luft. Ich atmete durch, bis mich etwas pickte. Ich sprang aus dem Loch und entdeckte eine Eule, die noch klein war. Na gut, klein ist relativ, er war so groß wie eine normale Eule der Menschen. 

„Was suchst du in meinem Versteck! Magierkind!"

Meckerte er mich an. Seine Stimme klang wie die eines kleinen Jungen, der gerade seine vierte Sternzeichenfeier hinter sich hatte. 

„Ich wollte mich nur vor der großen Eule verstecken. Was suchst du hier? Solltest du nicht in deinem Nest sitzen und dich von deiner Mutter füttern lassen?"

„Tse, sag du mich nicht, was ich zu soll habe!"

Zu soll habe? Das klang sehr grammatikalisch falsch in meinen Ohren. Von wegen intelligent und weise. 

„Du hättest mich zerquetschen haben!"

„Haben ist nicht richtig, mein junger Herr, das heißt zerquetschen können. Und es war nicht meine Absicht."

Er sah sie plötzlich bewundernd an und hoppelte zu mir. 

„Du haben mich korrigiert!"

„Ich habe dich korrigiert, ja."

Seine Augen wurden noch größer. 

„Sollten das nicht deine Eltern tun?"

Er sah mich traurig an. 

„Die werfen mich aus dem Nest, als ich geschlüpft war. Mein Federkleid sind nicht so schön, wie das meiner Geschwister. Reden habe ich abgeschauen können."

Mein Herz wurde weich. Wie konnte man so ein süßes Küken aus dem Nest werfen? Sein Federkleid war grau und hatte nur ein paar weiße oder schwarze Federn, es ging auch nicht über die Knie der kleinen Eule. Irgendwie erinnerte mich das an mich selbst. Seit ich wusste, dass ich ein Dämmerungsmagier bin, fühlte ich mich so, wie sein Federkleid aussah. Sowohl Tag als auch Nacht fühlten sich verbunden, so sehr, dass man nicht wusste, wo man eigentlich hingehörte. 

„Ich bin auf der Suche nach einen Begleiter. Willst du mich vielleicht begleiten?"

Er wurde schlagartig glücklich. 

„Bringst du mir reden und lesen und schreiben und…"

„Alles, was du willst, wie heißt du?"

Er zuckte mich den Flügeln, was ich als, keine Ahnung deutete. Er sprang zu mir und setzte sich auf meine Schulter. Diese Wesen konnten ihre Größe beliebig anpassen. Das Einzige, was verriet, dass er noch klein war, waren seine großen Augen, die selbst für eine Eule noch riesig waren. Ich gab ihm das Wurstbrot, was Ignis mir gemacht hatte und er verschlang es gierig. 

„Weißt du was, ich gebe dir einen Namen."

Ich sah in seine Erwartungsvollen Augen und musste trotzdem kurz überlegen. 

„Wie wäre es mit Auroron? Roro könnte dein Spitzname sein."

Er nickte freudig. 

„Gut Roro, ich stell dir meinen Meister vor und dann gehen wir nach Hause."

Er rieb freudig seinen Kopf an mir. Ich kraulte seinen Nacken und lief schnell zurück zu Merlin. Dieser war nicht sonderlich überrascht, dass ich mit einem kleinen Küken im Schlepptau ankam. 

„Das repräsentiert dich perfekt. Ich sehe euch beiden jetzt schon über die Wolken gleiten."

Roro sprang auf mir herum, packte mich am Nacken und versuchte mich jetzt schon hochzuheben. 

„Roro, warte noch ein Jahr. Dann können wir gemeinsam fliegen."

Sagte ich und nahm ihn vor meine Brust. Merlin lächelte und sagte:

„Ich habe jetzt keine Lust mehr mich durch die Magiermengen zu schlagen, ich öffne hier ein Portal, dass uns nach Hause führt. Einverstanden?"

Ich nickte. Merlin baute mit Terrealis einen kleinen Bogen und nutzte einen Portaltrank, damit sich in diesen kleinen Bogen ein Portal öffnete und wir hindurch gehen konnten. 

Als wir am Haus ankamen wurde ich nicht nur von Ignis und Kalli, sondern von meinem Freunden begrüßt, mit einer kleinen Feier. Roro sah sich neugierig um, zuerst dachte ich, dass Ignis ihn verscheuchen würde, aber daher, dass sie doch ein geborener Mensch war hatte sie wohl keinen Revierinstinkt. Meine Freunde wollten wissen, wie meine Flucht gelaufen ist. Ich hingegen hatte das alles eigentlich verdrängt und meinte daher:

„Ist alles gut gelaufen."

Der Gedanke an Matt, wie er auf den Scheiterhaufen stehen würde, das Gesicht verweint, blaue Flecken über und leise nach mir rufend, versuchte ich als Fantasie abzutun und nicht als Wahrheit. 

„Ganz gut, wie ihr seht."

Sie wussten nichts von Matt, deswegen fragten sie nicht weiter, nur Merlin und Ignis sahen mich bitter berührt an. Roro erkannte auch, dass ich gelogen hatte. Thalia setzte sich zu mir und lehnte sich an mir an. 

„Ich bin so froh, dass du wieder da bist."

Meinte sie und umarmte mich. Ich lächelte und legte meinen Kopf auf ihren. Aber ich wusste, wir vier konnten nicht mehr lange so oft zusammenkommen. Ich war jetzt in der Ausbildung, meine Freunde würden auch demnächst ausgebildet werden. 

„Hey Loki, rate mal, meine Meisterin lebt in der Nähe. Im Nachbarort von Konihi. Du kannst mich besuchen kommen."

Meinte Thalia, als könnte sie meine Gedanken lesen. 

„Das ist cool."

Sagte ich. Wenigstens eine, die bei mir in der Nähe blieb. 

„Ja mein Meister lebt in der Nähe des Portals von Konihi, ich bin also auch in der Nähe!"

Freute sich Noman. 

„Ich habe gehört Noman, dass du von dem hohen Magier Nummer eins unterrichtet wirst, von meinen guten Freund Sajin."

Noman nickte nur stolz, als Merlin das erwähnte. 

„Dann stellt euch beide darauf ein, dass ihr sehr oft miteinander trainieren werdet."

Noman strahlte wie die Sonne und ich nahm ihn in den Arm. Atrien hingegen seufzte und meinte:

„Mein Meister lebt in der Präfektur Flixia. Also ganz weit weg."

Es herrschte kurz eine bedrückende Stille, bis Noman scherzte und meinte:

„Naja, war schön mir dir, Atrien."

„Hey!"

Wir lachten und ich verdrängte wieder meine Sorgen. Es war ein schöner Abend. Kalli hatte ich in den Arm genommen und konnte sie endlich richtig an mich drücken. Sie schlief bei mir in der Hängematte und ich erinnere mich, dass, obwohl sie ein zwei Mal wach wurde, es doch eine ruhige und erholsame Nacht für mich war.