Kapitel 6: Die Flucht

Zufrieden? 

Ja, aber schreib gefälligst schneller! 

Du bist die Ungeduld in Person.

Fünf Monate später zog ich eine Männerrobe an. Mutter stand kurz vorm Entbinden, und ich würde an diesem Tag die verkrüppelten Überreste von Nightmare kennenlernen. Wie es dieses Ding es geschafft hat, so viele Magier auf seine Seite zu bekommen, weiß ich bis heute nicht. Matt kam rein und half mir meine schwarze Robe anzuziehen. Dabei flüsterte er:

„Mutter meint, sie bekommt ihn bald. Wir schnappen ihn uns, sobald er geboren ist und flüchten dann. Einfach und schnell. Jeder wird uns jagen, aber Merlins Haus ist sicher."

Ich nickte. Aber meine Hoffnung daran, dass es wirklich funktionieren würde, war klein. Wie ich schon erklärt habe, Midnight beobachtet seine Schüler haargenau, ihn liegt viel an mir, wenn er mich einmal im Blick hatte, würde er mich wahrscheinlich nicht loslassen. 

„Dich bringt keiner mit dieser Familie in Verbindung. Ich werde das Haus von Merlin wahrscheinlich nicht verlassen können."

Er brabbelte wieder vor sich hin. Jederzeit hätte jemand hier reinmarschieren können und dann wäre die ganze Sache in Rauch aufgegangen, zusammen mit uns, im wahrsten Sinne des Wortes. Kurz durchatmen, dann traten wir zusammen hinaus. Urian, der uns vor meinen Zimmer bereits erwartete, trug seine Robe ebenfalls. Nur hatte er, als rechte Hand Nightmares, noch ein paar goldene Verzierungen. 

„Los kommt, das Portal erwartetet uns. Ihr seid eh schon reichlich spät."

„Verzeiht Meister."

Sagten wir gleichzeitig und verneigten uns gleichzeitig. 

„Das Portal in die Anderswelt wird nicht ewig offenbleiben. Beeilen wir uns besser."

Ich sah auf den Weg nach draußen Mama. Sie lag im Bett, das Kind würde bald kommen, vielleicht konnten wir doch noch fliehen. Eins wusste ich schon damals, ich wurde niemals schwanger werden wollen. Das war eine Tortur für jede Frau. Frauen waren bei den Negativen eh schon wenig wert, aber wenn eine Frau ihre drei Schwangerschaften hinter sich hatte und das letzte Erwachsen war, wurde sie nie wieder gesehen, es sei denn es war die Frau des Familienoberhaupts. Mich schüttelte es bei dem Gedanken, womöglich von Nightmare gefressen zu werden. Mitten in unserem Familiendorf war ein rotes Portal erschienen, es war rot, weil es ein illegales Portal war. Es gibt kleine Portalgeister, die den Magiern halfen, die Portale zu kontrollieren. Wir nannten sie einfach nur Wächter. Die Wächter ließen aber nur Magier, die auf der Guten Seite standen, rein, auch wenn ich und Matt gut im Kopf waren, unser Mahl war automatisch ein Zeichen, dass wir auf der Negativen Seite standen. Deswegen erschufen die Nacht und Tag bösen Magier ihre eigenen Portale in die Anderswelt. Auch wenn ich diese Leute hasste, die Portale von ihnen waren stark. Als ich Jahre nach diesem Tag eigene Portale für uns in die Anderswelt kreierte, musste ich mir einiges bei diesen Wichsern abschauen. Es kam eine so scheußliche Aura aus dem Portal, dass ich eine Gänsehaut bekam. Hass, Wut und Rachelust, das war das Einzige, was aus diesem Portal kam. Es legte sich wie ein Betonmantel um meine Brust und ich musste ruckartig nach Luft schnappen. Das war das gruseligste Portal, was ich jemals gespürt habe. Ich nahm Matts Hand. Er wirkte so, als hätte er sich schon daran gewöhnt. 

„Erinnere dich an das, was ich dir gesagt habe. Mach dir keine Sorgen, dein großer Bruder beschützt dich."

Zusammen gingen wir durch das Portal. Wir standen direkt in einen dunklen Raum. Mutig ließ ich Matts Hand los, aber ich merkte, er hatte Angst. Ich wusste zu dem Zeitpunkt leider nicht, wo er sich in der Anderswelt versteckt, später wurde mir dann klar, wo er war, aber da wir nicht in einem Hornissennest rumstechen wollten, ließen wir sie in Ruhe. Urian, Matt und ich standen allein in einem stockdunklen Raum. Ich wusste nicht, was geschehen würde, aber anhand von Matts Reaktion, wusste ich, er war ganz nah. Seine Hände waren schweißnass. 

„Du bist das Mädchen, was Urian mir vorstellen wollte, oder?"

Fragte mich eine Frauenstimme, die von den Wänden widerhallte. Nightmare hörte sich kaum älter an als Matt. 

„Stell dich vor, Kind."

Ich zögerte, aber Matt gab mir einen kleinen Schubs. 

„Ich bin Loki Esyia Jeevah und bin acht Jahre alt."

Sagte ich unsicher, aber ich versuchte so selbstbewusst wie möglich zu klingen. 

„Was bitte schön ist so besonders an dir, dass Midnight denkt, er müsse dich, eine wertlose Frau, ausbilden?"

Fragte er abwertend. 

„Laut Meister Midnight bin ich ein Dämmerungsmagier."

Nightmare lachte. 

„Ein Dämmerungsmagier. Hätte nie gedacht, dass ich tatsächlich mal einen auf meine Seite bekommen würde." 

Ich erwiderte nichts darauf. 

„Midnight, mein Junge, traust du es dir zu, dieses Kind auszubilden?"

„Ja Meister, Ihr habt mich exzellent ausgebildet. Ich werde mich dem Mädchen gut annehmen."

„Das hoffe ich für dich. Dieses Kind ist kostbar. Sollte es dir durch die Lappen gehen, wird es dir leidtun."

Nightmare wand sich wieder mir zu. 

„Also Loki, ich erwarte Perfektion. Und zwar auf allerhöchsten Niveau. Beweis, dass du trotz deines schwachen Geschlechts eine Perle der Negativen bist, wenn du meiner würdig bist, werde ich dir Macht und Status in Hülle und Fülle geben."

„Ja mein Herr."

Sagte ich und verneigte mich erneut. Danach standen wir wieder vor dem roten Portal in unserem Dorf. Damit war es vorbei… Ich war verloren. 

„Herzlichen Glückwunsch, Loki, du bist ab sofort mein Schüler."

„Es ist mir eine Ehre, Meister Midnight."

Sagte ich und jedes dieser Wort fühlte sich falsch an. Ich lernte unter dem falschen Drilling. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich einfach nur noch zu Merlin und Ignis, zusammen mit Matt und meinen neuen kleinen Bruder. Meine Knie waren Pudding, was auch immer dieses Ding war, es war das pure Böse. Ich wollte nicht wissen, wie Day Light drauf war, angeblich war sie stärker, aber daher, dass sie bei der letzten Attacke, Supernova, von Solar und Moon im Zentrum stand, war sie kaum noch existent. Es war mittlerweile Mittag. Ich wollte nach Mutter sehen, Onkel Jana hatte sie fallen lassen, was ihr ebenfalls Depressionen gab. Daher, dass sie mit meinen kleinen Bruder Schwanger war, verbesserte sich ihre Laune auch nicht. Als ich das Zimmer betrat, keuchte sie wie wild. Es war endlich so weit, aber doch zu früh. Nach acht elendigen Monaten. Sie lag in den Wehen. Ein Funke Hoffnung entfachte sich in meiner kindlichen Brust. Meine Flucht konnte doch vielleicht was werden, wenn wir jetzt sofort verschwinden würden. 

„Loki, mein Kind, hilf mir. Es kommt gleich!"

Sie war ganz allein, aus Mitleid, und nur aus Mitleid, half ich ihr. Ich zog die Decke hoch und sah, dass der Kopf schon aus der Gebärtasche ragte. Ich rief einen Diener und verlangte, dass er Matt holte. 

„Du musst ziehen, bitte Loki!"

Schrie sie und presste. Ich war selbst noch ein Kind, was wusste ich von Geburten. Ich wusste nur, dass ich damit fürs Leben endgültig traumatisiert und eher sterben würde als schwanger zu werden. Igitt. Ich schob meine Hände zum Kind und zog es unter den Schultern heraus. Es war ein Mädchen, mit braunen Haaren und schönen Kastanienbraunen Augen, sie schrie und zeigte kaum ihre wunderschönen roten Lippen. Sie war wunderschön. In dem Moment wusste ich, ich musste sie beschützen. Auch vor der Familie. Meine Füße wollten sofort mit ihr wegrennen. 

„Zeig ihn mir, Loki."

Diese Frau war eine Närrin, von wegen, kleiner Bruder. Ich war voller Blut, aber als ich sie beruhigte und zu meiner Mutter ging, um sie ihr stolz zu präsentieren, war mir das egal. 

„Mutter, es ist ein Mädchen."

Sagte ich und setzte mich neben sie ins Bett. 

„Noch ein Mädchen? Na, wenigstens habe ich eine Tochter, die bei Midnight lernt und einmal seine stärkste Dienerin wird."

Vorsichtig übergab ich ihr meine kleine Schwester. Sie war makellos schön. 

„Ist sie nicht wunderschön…"

Schwärmte Mutter. 

„Ja, das schönste Mädchen aller Negativen."

Im selben Moment kam Matt herein. Der glückliche hatte die Geburt verpasst. Aber als er sie sah, strahlte er. Mutter gab ihm unsere Schwester und er strahlte wie die Sonne. 

„Wie soll sie heißen, Matterius."

Fragte meine Mutter ihn. Als Hausherr war es seine Aufgabe unsere kleine Schwester zu benennen. Doch er sah sie ganz überrumpelt an, als hätte er nicht damit gerechnet. 

„Loki, hast du vielleicht einen schönen Namen?"

Na klar, du hattest ja nur acht Monate, um dich auf ihre Ankunft vorzubereiten. Mir fiel spontan die größte Schriftstellerin ein, die während der Anfangszeit von Solar und Moon, wo beide noch bürgerliche Namen trugen, ihre Abendteuer badisch aufgezeichnet hatte. Ich liebte ihre Werke heute noch und verehrte sie als Person, weil sie eine große Kriegsheldin war, die bis zu ihren grausamen Niedergang, durch Mortiers, an Solars Seite war, sie war sogar eine von Solars Geliebten, bevor die Riguldo Clouds kennenlernte. Ich wollte die beste Freundin meiner Schwester sein, ich wollte egal ob in Freiheit oder hier, immer bei ihr sein, bis zu meinen Tod, so wie diese Kriegsheldin für Solar da war. Der Name dieser Tag Magierin war Kahletra Humoria. Da meine Schwester auch eine Tag Magierin werden sollte, dachte ich, es wurde gut passen.

„Wie wäre es mit Kahletra Humoria Jeevah?"

Fragte ich die Beiden. 

„Kahletra Humoria, das gefällt mir sehr… Als Spitzname bekommt sie Kalli."

Beschloss Matt. 

„Ich habe die Familie in Kenntnis gesetzt. Wir wollen gleich die Zeremonie durchführen. Keine Sorge Mutter, wir kommen direkt danach mit Kalli wieder."

Sie lächelte, aber ihre Aura verriet, an ihren Gehabe war nichts dran. Ihre Aura war kälter und boshafter als je zuvor. Sie wollte mich, weil ich mit meiner außergewöhnlichen Magieeigenschaft sie wieder ins Rampenlicht rücken würde, und Kalli würde mit ihrer umwerfenden Schönheit später jeden Edelmann Nightmares heiraten können. Matt führte uns beide schnell nach draußen. Ich hatte Kalli hin und her gewogen und meine süße, kleine Schwester schlief in meinen Armen. Wir wollten uns heimlich aus dem Dorf schleichen, doch ein Diener hatte der restlichen Familie Bescheid gesagt. Sie standen alle vor dem Haus und sahen uns und Kalli erwartungsvoll an. Meine Augen fielen fast aus meinen Schädel. Sie standen um uns herum und wollten Kalli begutachten. Ich wusste, sobald sie das Familienmahl hatte, können wir unsere Flucht vergessen. Ich konnte mir meines noch aus dem Arm scheiden, bei Kalli traute ich mich das nicht. Matt schien als einziges von uns drei Geschwistern noch Mut zu haben. Er packte mich am Arm und rief Fumustis, ein Zauber, der eine riesige Rauchwolke erzeugte, und sie über die Magier legte, die der Anwender im Visier hatte. Ich hörte wie viele das Husten begannen. 

„Renn, Loki!"

Schrie er, als ob er mir das noch extra sagen musste, ich hatte bereits meine Beine in die Hände genommen. Doch einige aus unserem Dorf hatten bereits realisiert, was geschehen war und versuchten uns einzukesseln. Wir versuchten hinter das Haus zu rennen, Kalli schrie durch den Tumult, sofort versuchte ich sie zu beruhigen. Durch ihr Geschrei fanden sie uns immer wieder. Bis sie und mit dem Rücken zur Mauer nach fast zwei Stunden Versteckspielen hatten. Ich konnte nicht kämpfen, ich drückte Kalli näher an mich und versuchte, dass zu tun, was man von einer guten Schwester erwartete. Sie mit meinen Leben zu schützen. Matt schien das erste Mal Arsch in der Hose zu haben und einen ähnlichen Plan zu haben, wie ich. Er wirkte ruhig und schien mit seinem Schicksal abgeschlossen zu haben. 

„Loki, du musst jetzt wahnsinnig schnell und stark sein."

Sagte er, ich sah ihn an, als wäre er verrückt. Dann nahm er mich auf den Arm, küsste mich ein letztes Mal auf die Stirn und im nächsten Moment, den ich nicht realisierte, was gerade geschah, warf er mich über die drei Meter hohe Mauer. 

„Matt!"

Kreischte ich verzweifelt, wohlwissend, dass mein Bruder jetzt sterben würde, doch ich landete bereits auf meinem Hintern und stöhnte vor Schmerzen auf. Kalli schrie immer lauter, weil sie noch ein Säugling war und dementsprechend nicht wusste, was los war. Was war gerade geschehen? Sie hatten Matt. Ich wollte sofort über die Mauer zurück und ihm helfen.

„Renn Loki!"

Hörte ich ihn noch einmal, ich hatte keine andere Wahl, ich hatte weder eine Waffe noch beherrschte ich auch nur einen Zauberspruch. Also drückte ich Kalli ganz nah an mich, die wie verrückt weinte, und rannte durch den Wald. Sie waren direkt hinter mir und bewarfen mich mit einen Knochenbrecherfluch, Aspurugus, der genauso wie Mortiers, dem Seelenzerfetzer, ein verbotener Fluch war. Es waren kleine leuchtende Kugel, die die Muskeln langsam steif machten und dann die Knochen brachen, sobald der Anwender sie auf einen Körperteil des Opfer warf und traf. Ich versuchte Kalli im Laufen zu beruhigen, sie jammerte nur noch leicht. Ich kannte den Wald seiner meiner Kindheit und nahm jede Dornenbuschabkürzung, die ich kannte, ich schützte Kallis empfindliche Babygesicht und riss mir die Haut und Klamotten auf. Trotzdem rannte ich. Doch plötzlich, wie aus dem nichts traf mich eine der Aspuruguskugeln am Bein. Ich spürte diesen perversen und extremen Schmerz aufkommen und mein Bein brach langsam und qualvoll. Doch ich rannte weiter, wie auch immer ich das zu Stande brachte. Ich blutete durch die Dornen, humpelte und schnaufte schwer. Aber meine wundervolle Rettung war endlich in Sicht, mein rotes Hasenloch. Meine Verfolger waren endlich weg. Also riskierte ich es und wartete auf Matt. Er wird sicherlich gleich hinterhergerannt kommen. Jede Sekunde würde er aus dem Gebüsch treten und dann schlüpften wir durch das Hasenloch, um endlich bei Merlin zu leben. Ich setzte mich auf die Truhe und schnappte mir schon mal meine Klamotten und meine Tasche. Jetzt kommt er gleich, ganz sicher, er hat sich nicht schnappen lassen. Ich machte Kalli ein kleines Bett aus meinen alten Klamotten. Sie strahlte mich an und gab witzige Geräusche von sich. Ich spielte ein wenig mit ihr, in dem ich ihre süßen Füße kitzelte. Sie schlief irgendwann gegen Abend ein. Es war so ruhig, nur ein paar Grillen zirpten und es war irgendwie unheimlich. Aber Matt war sicher gleich da, ja ich hörte es schon rascheln, er würde gleich rauskommen und dann mit mir verschwinden. In mir ging wie ein Licht auf, ich freute mich richtig. Gleich würde ich seine wunderbare Aura fühle, dann waren alle unsere Sorgen vergessen. Doch ich spürte Urians Aura, nicht Matts. Ich schob schnell Kalli und meine Tasche durch das Portal und wollte selbst hindurch gehen, doch er hielt mich am Kragen fest und warf mich gegen einen Baum. Ich spürte meine Rippen brechen und Blut lief über meine Stirn. 

„Ich habe es dir verzeihen können, dass du vor Nightmares Anerkennung Kanori und meinen Bruder siehst, aber jetzt bist du zu wertvoll, als dass ich dich einfach so gehen lasse."

Er packte mich am Arm, zog mich zu sich und riss den Armel vom rechten Unterarm. 

„Du solltest deine Herkunft mehr zu schätzen wissen, undankbares Balg!"

Hielt er mir mein Familienmahl vor. Dieser Mann war wütend, nein, er war schon fast verrückt vor Wut. Ich schnellte nach vorne und biss ihn in die Wange. Daraufhin schreckte er zurück und fiel nach hinten. Mein Weg war frei und ich rannte zurück zum Hasenloch. Mein Oberkörper war schon in Lilia als er mich an meinen gesunden Bein packte und zurückzog. Ich befreite ihn jedoch und trat gegen seine Finger, um sie zu brechen. Danach suchte ich schnell nach einen Trank in meiner Tasche, um das kleine Portal zum Kollabieren zu bringen. Merlin hatte ihn mir gegeben. Ich öffnete die Phiole und warf sie hinein. Das Hasenloch verschwand… und damit Matt. Was hatte ich getan? Ich hatte Matt ausgeliefert. Ich brach zusammen und kotzte. Meine Verzweiflung, der Stress, meine Schmerzen, die ich innerlich und äußerlich trug, kamen raus. In mir stieg so viel Angst und Panik auf, dass ich mich kaum noch beherrschen konnte, ich wurde fast wahnsinnig. Ich wollte nicht mehr ohne ihn weitergehen, da hörte ich Kalli aufwachen und vor Hunger meckern. Sie riss mich aus dieser Situation und ich wischte meinen Wund ab. Ich atmete immer langsamer und realisierte nur sie in diesen Moment. Letalgisch holte ich ein Flaschen aus der Tasche hervor und fütterte sie. Es kam mir alles so sinnlos in dem Moment vor, warum hatte ich das nochmal gemacht? Ich sah zu ihr. Sie lächelte mich an, während sie an der Flasche sog. Etwas regte sich in mir. Mir wurde warm uns Herz, es war eine seltsame Wärme, die ich noch nie in meinen jungen Leben gefühlt hatte. In diesem Moment hätte ich alles für dieses kleine Bündel gegeben. So musste es Matt auch gegangen sein, als er mich in dem Armen hielt und fütterte. Sicherlich hätte er alles getan, um mich zu beschützen, so wie ich alles tun würde, um Kalli zu beschützen… Erst in dem Moment wurde mir klar, dass Matt nie vorhatte, sich auch zu retten. Er hätte hier nie leben können, ohne entdeckt zu werden. Sein Mahl war ja auch gleichzeitig ein Peilsender, ich konnte mir meines noch, da die Frauen unter den Negativen, nie so richtig überwacht wurden, rausschneiden, seines würde wiederkommen. Er wollte mich und Kalli in Sicherheit bringen, damit seine geliebten kleinen Schwestern ein gutes Leben führen konnten. Also brachte es mir nichts, zwischen den Tonnen zu sitzen und mir die Seele aus dem Leib zu kotzen. Ich holte ein Messer aus meiner Tasche hervor und schnitt mein Mahl heraus. Das Messer schnitt nur die obere Haut weg, es tat zwar damals weh und blutete wie sonst was, aber ich nahm die Schmerzen mutig hin. Ich verbrannte das herausgeschnittene Stück Fleisch mit einem Streichholz und biss dann meine Zahne zusammen, um endlich zu Merlin zu gehen. Schließlich wollte ich stärker werden, ab dem Moment, so schlimm es sich anhört, schwor ich, ein achteinhalb Jahre altes Mädchen, blutige Rache für meinen großen Bruder. Ich humpelte durch die leeren Straßen des magischen Marktes, das Portal zur Menschenwelt lag in Rosia, den Vorort gegenüber von Lilia. Ich verlor ein bisschen Blut, von meinen Arm, aber auch von der Kopfplatzwunde und von den vielen kleinen Dornenschnitten. Aber ich biss meine Zahne zusammen. Kalli strahlte mich an, als ob sie wissen würde, dass ich das alles nur für sie gemacht hätte, als würde sie mich anfeuern. Es war eine laue Sommernacht unter dem Sternzeichen Löwe. Ich ging immer schneller, weil ich endlich zu Merlin wollte. Ich sah endlich das Stadtschild von Rosia, aber ich musste mich kurz auf den Gehweg setzen. Mein Körper fühlte sich an, wie ein schwerer Sack, den ich hinter mir herzerren musste. Aber ich durfte jetzt nicht aufgeben, nicht, wo ich schon fast in Konihi war. Danach schleppte ich mich weiter und weiter, bis ich durch das Portal ging und in Konihi stand. Nur noch wenige Kilometer. 

Zwei Stunden später stand ich endlich vor meinen persönlichen Himmel, Merlins Haus. Das Ziel meiner Reise. Die Hoffnung, die mein Vater sich gemacht hatte und das Opfer was Matt gebracht hatte, ich hoffte in dem Moment, dass die Beiden, wo auch immer sie waren, stolz waren. Endlich hatte ich es erreicht. Achteinhalb Jahre hatte ich von diesen Moment geträumt. Mit allerletzter Kraft setzte ich zum Klopfen an und schlug wie ein Berserker auf die Holztür ein. Ignis fiel beinahe von ihrer Stange, Merlin von seinem Sofa, beide hatten die letzte Nächte im Wohnzimmer geschlafen, damit die uns auch ja rechtzeitig hörten. Ich musste mich am Türrahmenabstützen. Merlin riss die Türe auf. Im Wohnzimmer hing ein Banner Willkommen zu Hause, Loki und Geschwister Merlin empfing uns, bis er mich sah, mit einem Lächeln. Aber er sah mich, wie ich blutete und mein Bein, dass krumm und schief da lag, sagen wir mal, dass auch meinen Meister heiß und kalt wurde. 

„Danke, Meister…"

Lächelte ich und fiel nach vorne, aber er fing mich und Kalli. Ignis kam sofort auf uns zu geflattert und nahm Kalli in ihre warmen Flügel, Merlin nahm mich auf den Arm. 

„Ich heile Loki oben, kümmre du dich um das Baby."

Ignis nickte und Merlin trug mich nach oben. 

„Merlin…"

Murmelte ich. Das Treppenhaus war eng. Ich versuchte die Augen zu schließen, damit das beklemmende Gefühl in meiner Brust aufhört. 

„Loki, was ist passiert?"

„Sie haben uns entdeckt… ich konnte Matt nicht retten… Er ist noch dort…"

Merlin wusste das, was ich auch wusste, wenn er nicht schon mittlerweile bei uns war haben sie ihn langst auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. 

„Du siehst schlecht aus, ich werde dich jetzt erstmal heilen und dann ruhst du dich aus."

„Aber meine Schwester…"

„Sie ist in guten Händen. Ihr seid jetzt zu Hause, ihr seid jetzt sicher."

Er legte mich in mein Zimmer in die Hängematte, die ich mir ausgesucht habe. Merlin war nie geizig gewesen. Ich hatte einen großen roten Bücherschrank und ein kleiner roter Kleiderschrank. Ein Großer Schreibtisch, auch aus rotem Holz und die große Hängematte, die andere Decke hing. Er deckte mich vorsichtig zu und begann mich zu heilen. 

„Sanetras giantus."

Seine Hand glühte blau und er ließ sie über meinen Körper schweben. Ich merkte, mein Körper heilte. Sanetras war eigentlich nur für erste Hilfe gedacht, aber Merlin setzte es so lange ein, bis meine Wunden vollkommen weg waren. Er musste wahnsinnig erschöpft sein, je länger man einen Spruch einsetzte, desto größer war der körperliche Schaden, er wirkte aber nicht so, als wurde es ihm viel ausmachen. Das erste Mal in meinen Leben empfand ich eine Ruhe, wie ich sie noch nie hatte. Ich musste mich nicht mehr verstecken, ich musste nichts mehr geheim halten, ich musste nicht mehr kämpfen. Mein Körper kannte das gar nicht, das war doch zu schön, um wahr zu sein. 

„Loki, du zitterst…"

„Merlin, ich bin hier sicher? Ich darf wirklich hierbleiben?"

Er legte sich zu mir und nahm mich in den Arm. Es fühlte sich an, als wäre mein Vater neben mir. 

„So sicher, wie Solar und Moon Geschwister waren. Du musst dir keine Sorgen mehr machen. Ruh dich erstmal aus."

Ich nickte nicht ganz überzeugt von dem, was er sagte. Mein Körper zitterte wie Espenlaub. Merlin blieb noch und sang das berühmte Woods Wiegenlied: 

„Lass den nachtblauen Vogel fliegen, lass ihn hoch in das Himmelszelt, er pflückt die Sterne herab und legt sie in deine Hand. Lass den dunkelvioletten Vogel fliegen, ganz nach oben zu Vater Moon, ja der Moon wird dir einen Traum geben, der so schön ist wie er selbst. Lass die Eule im Walde singen, sie singt dich sanft in den Schlaf, da draußen um dichten Walde, da wartete sie auf dich und fliegt mit dir über die Wolken deines Traumlandes."

Er sang es oft in dieser Nacht, bis ich mich endlich beruhigt hatte und schlafen konnte. Er stand auf und wollte den Raum verlassen. 

„Danke, Meister…"

Merlin machte das Licht aus und schloss die den Vorhang, der meinen Zimmer als Türe diente, leicht. Kaum war er weg, schlief ich so tief ein, dass ich erst am Morgen des übernächstem Tages erwachte.

Du bist ungewöhnlich schweigsam, Meister.

… 

Oh Moon, die drei Punkte… schieß los, was bedrückt dich?

Ich hätte dir irgendwie helfen müssen…

Nein, du konntest mir nicht helfen. Im Gegenteil, ich hätte auch nicht gewollt, dass du mir hilfst. Es wäre zu heikel geworden.