Die Bedeutung von Magie

1.

Elaran hatte Akio erzählt, dass er wohl ein Elf war. Auch wenn die Überlegung von Akio nicht weit hergeholt war, so war er dennoch verwundert, wie es denn sein konnte, dass Elaran ihm früher nie etwas dazu gesagt hatte.

Elaran: „Ja, Akio, ich bin ein Elf. Wundert es dich etwa?"

Akio war wie erstarrt. Gedanken schossen ihm durch den Kopf – Elfen, die er nur aus Geschichten kannte, lebten wirklich? Und einer von ihnen stand direkt vor ihm? Eine Mischung aus Faszination und Unglauben ließ ihn den Mund kurz offenstehen, bevor er sich wieder fing. Es war, als ob sich ein Schleier hob, der Elaran in ein neues Licht rückte.

Akio: „Was soll das heißen? Wie soll ich das verstehen? Ich dachte, die Elfen sind alle tot!"

Elaran: „Ja, das erzählt man sich. Aber wie du siehst, stimmt es nicht."

Akio: „Es gibt noch mehr? Wieso hast du mir nie gesagt, dass du ein Elf bist?"

Elaran: „Weil du nie gefragt hast."

Akio: „Aber du hast gelacht, als ich sagte, es sei fast eine Schande, ein Mensch zu sein."

Elaran: „Weil es unterhaltsam war."

Akio: „Als ich meinte, du klingst fast nicht wie ein Mensch, hast du doch…"

Elaran: „Ja, und ich habe darüber gelacht. Wo ist das Problem?"

Akio: „Ich dachte, du würdest mich nie anlügen."

Elaran: „Habe ich das?"

Akio: „Du hättest mir sagen sollen, dass du ein Elf bist."

Elaran: „Hättest du es geglaubt? Und waren die Dinge, die du in meinen Erinnerungen gesehen hast, nicht Zeichen genug?"

Akio: „Ich dachte, wenn du so etwas sagst, dann heißt das, dass du ein Mensch bist."

Elaran: „Du hast wohl etwas missverstanden. Deine Interpretation war unpassend."

Akio: „Also hättest du mir jederzeit sagen können, dass du ein Elf bist?"

Elaran: „Ja, ich lüge nicht. Niemals. Wenn ich es versuchen würde, würde die Sonne einfrieren und das ewige Eis schmelzen."

Die Diskussion zog sich, bis Akio das Thema auf die Rebellen lenkte.

Akio: „Gut, dann sag mir offen: Warum glaubst du, dass ich den Rebellen nicht beitreten kann?"

Elaran: „Du bist zu jung."

Akio: „Das war's? Nicht, weil ich unwürdig oder zu schwach bin?"

Elaran: „Schwach vielleicht, aber Kraft kommt mit Übung. Du musst erst dein Potenzial und deine Fähigkeiten kennenlernen. Andernfalls würde ich dich in den Freitod schicken."

Akio protestierte, wollte seine Stärke beweisen, und forderte Elaran zu einem Duell heraus. Trotz Elarans Zurückhaltung folgte er Akio nach draußen, wo Akio stolz seine magischen Fähigkeiten präsentierte – mit mäßigem Erfolg. 

2.

Elaran demonstrierte seine Levitation und beeindruckte Akio, während er ihm die drei Formen der reinen Mana-Magie erklärte: Körperschild, Angriff und Heilung. Akio versuchte sich daran, scheiterte jedoch bei seinen ersten Versuchen.

Akio: „Das ist unglaublich! Kann ich das auch?"

Elaran: „Bestimmt. Mit der Übung kommt die Macht. Die einzige Grenze in der Magie ist deine Vorstellungskraft."

Akio: „Oh Meister, ich werde dir auf ewig folgen."

Elaran: „Die Ewigkeit ist eine lange Zeit. Und nenn mich bitte nicht Meister. Selbst für mich ist das etwas zu Formell."

Elaran: „Unterschätze das reine Mana nicht. Es ist die reinste und flexibelste Form der magischen Energie. Die Vorteile habe ich dir bereits genannt: Es hat keine vorgegebene Form, passt sich deinen Gedanken an und kann sowohl zerstören als auch heilen. Und natürlich, wie die drei Formen heißen, habe ich dir auch gesagt."

Akio: „Ah, ich glaube du hast nur gesagt, wie man sie benutzen kann. Als Schild, als Ummantelung und für die Zerstörung und Heilung. Warte, das sind doch vier!?"

Elaran: „Nein, es sind drei. Du hast sie falsch sortiert. Die Ummantelung ist der Körperschild. Dann noch für die Zerstörung beziehungsweise den Angriff und als Heilung."

Akio: „Und du hast mir den Schild für die Umgebung gezeigt."

Elaran: „Ja, weißt du auch noch, wie?"

Akio: „Ja klar, war doch gerade eben erst."

Akio legte seine rechte Hand in die linke Hand, streckte seine Arme nach vorne und ging mit seiner rechten Hand im hohen Bogen und ausgestrecktem Arm wieder nach rechts. Beide Handflächen zeigten nach oben.

Akio: „Tada. Schutz."

Elaran: „Es war die richtige Durchführung, aber da ist nichts, Akio."

Akio: „Was? Wieso nicht?"

Elaran: „Hast du dir den Schild auch gut vorgestellt?"

Akio: „Ich wollte nur zeigen, dass ich es nicht vergessen habe."

Elaran: „Ich habe auch nicht erwartet, dass es sofort beim ersten Mal klappt. Das werden wir auf jeden Fall als erstes üben. Ich zeige dir dennoch noch die beiden anderen Anwendungen. Für die Zerstörung konzentrierst du dein Mana in den Fingerspitzen und stellst dir vor, wie Energie aus deinen Händen strömt."

Elaran faltete seine Hände zusammen und ließ seine Fingerspitzen sich berühren. Er reibt seine Fingerspitzen aneinander und drehte seine Handinnenflächen in Richtung Boden.

Elaran: „Konzentriere dich auf das Ziel, das du treffen willst, und halte deine Finger locker, 

wie im Krallengriff. Und dann…"

Elaran sah konzentriert auf den Boden, kniff seine Augen leicht zusammen. Dann war auf einmal eine Mulde in der Erde zu sehen.

Akio: „Wann…? Das sieht aus, als hätte hier ein Tier gegraben."

Elaran: „Ich wollte mich jetzt ein Wenig zurückhalten, ansonsten wäre es deutlich schlimmer geworden."

Akio: „Wie viel schlimmer?"

Elaran: „Wir hätten dann hier wohl einen Tunnel nach draußen gehabt."

Akio: „Ein Tunnel?"

Elaran: „Ja, ich habe mir einen kleinen Tunnel vorgestellt, aber die Idee dann doch wieder verworfen. Das ist wohl das Resultat daraus."

Akio: „Wie groß wäre der Tunnel?"

Elaran: „Meinen Erfahrungen nach, wäre er hoch genug, dass man durchgehen kann, ohne sich bücken zu müssen, und weit genug, dass er bis in die Innenstadt reicht."

Akio: „Die Innenstadt ist kilometerweit weg..."

Elaran: „Ja, passiert schon mal. Aber jetzt kann ich dir auch zeigen, wie die Heilung mit dem Mana funktioniert."

Akio: „Na dann los!"

Elaran: „Gut, ich werde dann diese Mulde, diese Ausgrabung oder was das ist, wieder heilen. Ich lege meine Hand dafür hier hinein und stelle mir vor, wie es davor ausgesehen hat. Dann muss ich mein Mana dafür hier hineinfließen lassen. Aber bedenke Akio, ich kann die Schäden reparieren, aber nicht das Leben zurückbringen. Das ist dann tote Erde. Es kann nur aus dem Grund wieder eins mit seiner Umgebung werden, da das Mana das Leben zu sich ruft und die kleinsten Wesen, die in der Erde leben, die Erde wieder fruchtbar machen können."

Akio: „Du kannst damit also keine Toten wieder aufstehen lassen?"

Elaran: „Nein, das ist unmöglich. Bedenke die Schäden, die du anrichtest. Sie haben immer auch eine Auswirkung auf deine Umgebung."

Akio: „Ja, wir wollen der Natur ja helfen und sie nicht zerstören."

In Gedanken ging Akio durch all die Momente, in denen er die Zerstörung der Natur selbst gesehen hatte. Die gefällten Bäume, die toten Tiere, die vergifteten Flüsse – Bilder, die ihn jedes Mal mit einer Mischung aus Wut und Traurigkeit erfüllten. Für ihn war die Natur mehr als nur eine Ressource; sie war ein Zuhause, ein lebender, atmender Organismus, der in jedem Moment etwas gab und nie etwas zurückforderte.

„Es ist wirklich grausam, dass Menschen so blind sein können," dachte er. "Wie kann man etwas zerstören, das einem alles gibt?"

Elaran: „So ist es, Akio. Genauso ist es. Unsere Ziele gehen aber auch noch weiter, Akio. Wir müssen den Leuten deutlich machen, dass wir für ein höheres Ziel arbeiten und dass es alles in ihrem Sinne ist. Die Natur ist für alle da und sollte auch von allen geschätzt werden. Sie gibt uns alles, was wir brauchen, und alles, was wir wollen. Sie ist nicht parteiisch oder feindlich, sie ist zu allen gleich, behandelt alle gleich. Doch die Leute wollen das nicht verstehen. Sie wehren sich dagegen, sie zerstören die Natur, die ihre Leben erschaffen hat. Wie ein Kind, das seine Mutter schlagen würde, greifen sie die Mutter Natur an."

Akio: „Das ist grausam. Wieso verstehen sie es nicht?"

Elaran: „Sie haben sich an ihre modernen Leben gewöhnt. Sie wollen nicht wieder zurück. Sie denken, dass die Zeit der Natur abgelaufen ist, doch das ist sie nicht. Die Natur stirbt niemals aus, sie verläuft in Kreisen. Und Akio, egal was du tust, vergiss niemals, dass wir unsere Magie nur für die Natur und im Sinne unserer Aufgaben für die Natur verwenden."

Akio: „Ja, aber wie sollen wir das machen? Die Magie ist doch verboten?"

Elaran: „Ja, das ist eines der ersten großen Probleme, die wir aktuell zu lösen haben. Aber es passt perfekt zu unserer Vorstellung, Akio. Überleg mal:

Die Menschen und speziell die Regierung haben Angst vor der Magie, weil sie selbst Magie gesehen haben, wie diese etwas zerstört oder jemanden verletzt oder gar tötet. Doch wenn wir ihnen zeigen, dass Magie auch anders sein kann, dann können wir ihnen langsam ihre Angst nehmen. Das ist der erste Schritt zum Lösen dieses großen Problems. Den Leuten ihre Angst vor der Magie nehmen."

Akio: „Also wollen wir die Magie zurückbringen?"

Elaran: „Gut gesagt, Akio. Unsere Aufgabe bei den Rebellen ist es, die Magie nicht nur zurückzubringen, sondern sie zu entmystifizieren und den Menschen zu zeigen, dass sie ein Werkzeug des Aufbaus sein kann – ein Weg, die Harmonie zwischen Mensch und Natur wiederherzustellen. Wir wollen eine Zukunft schaffen, in der Magie nicht als Bedrohung, sondern als Teil des Lebens begriffen wird." Ein gutes Bild über die Magie bringen und die Magie zurückbringen."

Akio: „Und was noch? Das war's doch noch nicht?"

Elaran: „Nein, da ist natürlich noch mehr. Wir brauchen Unterstützer, doch einige unserer früheren Unterstützer sind wohl nicht mehr aufzufinden. Wir müssen sie finden. Ich will nicht glauben, dass sie tot sind."

Akio: „Andere Unterstützer? Also auch Rebellen?"

Elaran: „Ja, aber nicht nur. Nicht alle Unterstützer unterstützen gleich. Manche unterstützen uns im Kampf, andere in der Ausbildung von Magiern, und wieder andere bei der Heilung. Manche bei den Geldern, andere bei der Darstellung der Rebellen für die Öffentlichkeit, und ein paar sind auch für die Strategie, die Aufgabenverteilung und Informationsbeschaffung da."

Akio: „Haben wir auch andere Gruppen von Rebellen, die auf unserer Seite sind?"

Elaran: „Wir sind ein unabhängiger Verbund von Rebellen und arbeiten mit den anderen Gruppen nicht zusammen. Es kann aber dazu kommen, dass wir Mitglieder aus anderen Gruppen treffen, die dasselbe Ziel haben. Du brauchst denen nichts zu tun, wenn sie uns nicht aufhalten."

3.

Wieder im Gebäude angekommen hörte Elaran, wie nicht weit vom Eingangsbereich Schritte zu hören waren. Er ging direkt zur Quelle der Geräusche, bis er dort einen Postmann traf.

P: „Guten Tag. Ein Brief für sie, Herr Elaran."

E: „Guten Tag. Was für ein Brief ist das, den Sie mir heute bringen?"

Der Postmann sieht sich den Brief genauer an und erkennt ein kleines Siegel vorne am Brief.

P: „Sieht aus wie von der Regierung selbst."

Er überreicht Elaran den Brief, der mit einem leichten „Hmm…" den Brief entgegennimmt.

P: „Wie ich sehe habe sie hier Neuzugang bekommen. Ihre Mitglieder werden auch immer jünger."

Akio spürte den Blick des Postmanns und richtete sich unwillkürlich auf. Er wusste nicht, ob das als Kompliment gemeint war oder eher skeptisch klang, doch es erinnerte ihn daran, wie sehr er sich beweisen wollte.

E: „Sie meinen den kleinen hier? Er ist noch kein vollständiges Mitglied, möchte aber bald wohl einer von uns werden."

P: „Oh, so jung und trotzdem schon bereit etwas für die Gesellschaft zu tun? Wie interessant. Was habt ihr denn vor, wenn ich fragen darf?"

Akio wollte an Elarans Stelle antworten. „Wir…"

Doch Elaran fiel Akio ins Wort. „Wir werden noch sehen, was seine Stärken sind, dann ist es auch effizienter was er tut und hat dann sogar auch noch Spaß dabei."

P: „Oh, ein ganz neuer also, noch immer in der Kennenlernphase."

E: „So siehst aus."

P: „Na dann…Ich wünsche ihnen dann noch einen schönen Tag und lassen sie sich die Gute Laune von niemandem verderben."

E: „Danke und sie sollten sich nicht überarbeiten."

Elaran sah dem Postmann noch hinterher, der nun langsam aus der Bildfläche verschwand, bevor er seinen Blick auf den Brief mit dem Siegel richtete. Das Siegel zeigte das Wappen der Regierung. Es strahlte eine unmissverständliche Autorität aus, die Elaran einen Moment lang innehalten ließ. Er öffnete den Brief vorsichtig. Seine Bewegungen waren ruhig, doch seine Augen verrieten unterschwellige Anspannung. 

Akio: „Was steht da?"

Elaran: „Die Regierung hat uns mal wieder mit ihrer halbjährlichen Höflichkeit beehrt. So höflich, wie ein Wolf im Schafspelz. Immer mit einem Lächeln, aber die Zähne sieht man trotzdem."

Akio: „Höflichkeit? Lies vor."

Elaran entfaltete das Schreiben und las laut:

Elaran: „Sehr geehrte Rebellen der Regierungsumgebung,

wie folgt möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir gemäß der Verordnung zur Überwachung und Sicherheit erneut die halbjährliche Untersuchung Ihres Gebäudes durchführen werden. Die Überprüfung ist für nächste Woche vorgesehen.

Wir hoffen weiterhin auf Ihre friedliche und konstruktive Mitarbeit. Bitte beachten Sie, dass gemäß den geltenden Gesetzen alle magischen Aktivitäten innerhalb Ihrer Einrichtung streng verboten sind. Sollten während der Untersuchung Anzeichen von Gesetzesverstößen festgestellt werden, behalten wir uns weitere Schritte vor.

Mit freundlichen Grüßen,

Büro für Sicherheit und Ordnung."

Akio schnaubte, während er die letzten Zeilen hörte.

Akio: „Das klingt eher nach einer Drohung als nach Höflichkeit!"

Elaran: „Das ist es auch. Sie wollen uns daran erinnern, dass sie uns beobachten. Und dass ein falscher Schritt genügt, um uns auszuschalten."

Akio: „Aber wir machen nichts Illegales."

Elaran: „Das ist egal. Für sie reicht der Verdacht. Solange sie uns kontrollieren, glauben sie, die Oberhand zu haben."

Elaran faltete den Brief sorgfältig zusammen und legte ihn beiseite.

Akio: „Also, was machen wir jetzt?"

Elaran: „Wir räumen auf und halten uns an die Regeln – zumindest offiziell."

Elaran ging zum Fenster und warf einen langen Blick hinaus, wo die untergehende Sonne den Himmel in einen blutroten Schimmer tauchte. Es war, als ob die Natur selbst vor einer drohenden Gefahr warnte, ein Vorzeichen dessen, was kommen könnte. Der Anblick erinnerte ihn daran, wie oft er den Frieden einer Landschaft genossen hatte, nur um später die Spuren von Zerstörung und Verrat darin zu finden.

Elaran: „Die Untersuchung mag Routine sein, aber wir dürfen uns keinen Fehler erlauben. Nicht jetzt."