Der Weg zum Schwert

Delia und Luke saßen in ihrem eigenen Zimmer, das sie bekommen hatten. Es war ein wenig klein für die beiden, doch es war ausreichend. Sie hatten ihre Betten, eine Toilette, sogar eine Küche, die sie, da sie beide noch sechs sind, nicht gebrauchen. Statt in der Küche zu kochen, nehmen sie sich ihr Essen aus den Regalen, aber meistens geben Emma und Rood ihnen Essen.

Doch die Kinder hatten etwas wichtiges zu besprechen. Denn Rood hatte sich die gesamte Zeit schon komisch verhalten, sie konnte sich aber nicht darauf einigen, was der Grund dafür war.

„Rood hat bestimmt Durchfall, deswegen hat er uns auch so genervt angeguckt. Er musste einfach nur aufs Klo."

Luke war der erste, der sich einen Grund ausdachte. Delia hatte gehofft, dass er sich einen plausiblen Grund ausdenken würde, aber Luke enttäuschte sie völlig.

„Unglaublich …", schüttelte sie ihren Kopf. „Wie kommst du denn auf so eine dumme Idee? Ich meine ja es ist ungewöhnlich, Rood so zu sehen, aber das macht ja gar keinen Sinn. Wieso sollte Rood mit uns trainieren, wenn er Durchfall hat?"

„Weiß ich doch nicht! Ich habe nur das gemacht, was du mir gesagt hast. Ich sollte über den Grund nachdenken, der Rood so verändert hatte, und das habe ich auch gemacht!"

Dagegen konnte Delia nichts sagen. Für jemanden wie Luke war das wirklich viel. Weiterhalf ihr das jedoch nicht. Ihr viel kein plausibler Grund ein.

„Fällt dir wirklich kein Grund ein, der dieses wechseln von seinem Verhalten erklären würde?"

Luke strengte sein Köpfchen noch einmal stark an. Währenddessen machte er Geräusche wie: „Hm" oder „Mhm". Delia hatte nicht verstanden, wieso er nicht einfach leise nachdachte, doch sie wollte ihn nicht stören, denn ihre Zeit war begrenzt, bald würde Rood an ihre Tür klopfen und sie weiter trainieren. Sie mussten sich also beeilen.

Dann fang ich mal an zu überlegen.

So begann ihr Gedankenprozess. In ihrem kleinen Köpfchen ging sie von einem Punkt schnell zum anderen über, ohne unnötige Gedanken zu fassen. So kam sie in ihrem gesamten Leben schon auf jede Antwort jeglicher Fragen, die ihr gestellt wurden. Doch in diesem Fall war es anders. Sie überlegte schnell und fasste auch keine unnötigen Gedanken, doch immer als sie kurz davor war den Grund herauszufinden, verlor sie den Faden und begann von neu.

„Delia, ich glaube ich weiß, was der Grund ist.", erschreckte Luke, die in ihren Gedanken versunkene Delia.

Als Delia verstand, was Luke gerade gesagt hatte, musste sie noch einmal nachfragen, um sicher zu gehen: „Hast du gerade gesagt, dass du den Grund herausgefunden hast?"

„Ja, Delia, habe ich."

„Danke, Luke! Du bist der Beste!", lobte sie ihn. „Also, erzählst du mir jetzt bitte den Grund?"

Luke wollte gerade beginnen zu reden und Delia erklären, was der Grund war, nach dem sie so lange suchte, als es an der Tür klopfte.

„Luke, Delia, ich bin es! Ich komme jetzt rein."

Rood hatte an der Tür der beiden geklopft und trat nun in ihr Zimmer. Delia seufzte enttäuscht, weil Luke ihr jetzt nicht mehr den Grund erzählen konnte. Rood bemerkte ihren Seufzer und fragte sie was los sei.

„Ach, es ist nichts, Herr Rood."

„Okay …", erwiderte Rood verwirrt. „Ich bin hier ja eigentlich, weil ich euch mitnehmen wollte. Wenn ihr also trainieren wollt, dann müsst ihr mitkommen."

Da die beiden das Training unbedingt machen wollten, sind sie sofort zum Eingang gerannt. Rood lief ihnen schnellen Schrittes hinterher.

Als Rood die beiden einholte, begann er ein Gespräch mit ihnen. Er fragte: „Wie geht es euch eigentlich? Seid ihr noch zu erschöpft, wegen des Trainings?"

„Nein, nein, Herr Rood. Wir freuen uns, dass wir endlich von dir trainiert werden, denn wir wollen eines Tages auch so großartige … Nein, großartigere Xiongshou, als du werden.", erzählte Delia mit stolzem Lächeln.

„Ist das so? Und wie sieht es mit dir aus Luke? Willst du wirklich ein so großartiger Xiongshou werden?"

„Mir ist das egal … Ich mach das, was Delia macht. Mir ist das zu anstrengend und Nerven zerreiben, über meine Zukunft nachzudenken. Aber wenn ich einfach denselben Weg wie Delia wähle, dann wurde die Entscheidung für mich schon getroffen und ich musste nicht darüber nachdenken."

Rood hatte mit der Hoffnung, dass Luke kein Xiongshou wird, gefragt und wurde dann enttäuscht. Sein im Moment wichtigster und einziger Wunsch wurde einfach zerstört, man trampelte ohne Gnade darauf rum.

„Ich verstehe …", seufzte Rood enttäuscht.

Bevor die Stimmung unangenehm werden konnte, erreichten sie den Trainingsplatz. Delia und Luke begannen zu strahlen, und fragten Rood sofort, was sie jetzt machen würden.

„Luke, Delia, stellt euch erstmal nebeneinander.", befahl Rood, räuspernd. „Ich habe euch noch nie kämpfe sehen. Das liegt daran, dass ihr sechs Jahre alt seid und noch nie gekämpft habt, lieg ich da richtig?"

Während Rood all das sagte, lief er vor den Kindern umher, als wäre er ein Kommandant in der Armee.

„Richtig, Herr Rood!"

„Das bedeutet, ihr besitzt keine Erfahrung und wisst nicht, welche Waffen ihr am besten handhabt. Dann ist der heutige Tag dazu da, um eine Waffe auszusuchen, die ihr beherrscht. Irgendwelche Einwände?"

Die Kinder schüttelten ihre Köpfe. Rood sah dies, daraufhin tauchte Natalie mit einem Wagen voller verschiedener Waffen auf. Sie stellte den Wagen neben Rood und begrüßte dann die Kinder.

„Hallo, Luke, Delia!"

„Hallo, Natalie!"

Die Kinder und Natalie umarmten sich voller Freude. Rood schaute sich das mit einem kleinen, gequälten Lächeln und dachte: Diese Kinder sollten wirklich keine Xiongshou werden. Das Lächeln, das sie gerade noch so oft zeigen, wird ihnen sonst zu schnell vergehen.

Als Natalie die Kinder wieder losließ und sich von ihnen verabschiedete, holte Rood zwei identische Waffen aus dem Wagen. In Roods Hand sahen beide winzig aus. Man könnte meinen, dass Rood nicht der Hellste ist und den Kindern keine ordentlichen Waffen gab, aber dem war nicht so. Denn es waren immer noch Sechsjährige. Ihnen konnte man keine Waffen für einen Erwachsenen geben. Wenn man das täte, würden sie niemals vorankommen, bis sie alt genug sind. In ihrem Fall hätte das fünf oder sechs Jahre gedauert.

„Ich überreiche euch erstmal diese Waffen. Nehmt sie!"

Die Kinder starrten sie kurz erstaunt an, nahmen sie schließlich. Luke und Delia erwarteten schon, dass die Waffen schwer seien, doch als sie diese in die Hand nahmen, konnten sie sie kaum in der Luft halten. Rood gab ihnen ein wenig Zeit sich an die Waffen zu gewöhnen. So schafften sie es dann auch, sie in der Luft zu halten. Als nächstes warfen die beiden einen guten Blick auf diese neuen Waffen. Diese Waffe hatte einen Griff, der geradeso reichte, um ihn mit beiden Händen zu umschlingen. Roods Waffe, die er immer mit sich trug, hatte eine dünne Klinge und war gekrümmt, doch diese Waffe hatte eine dicke Klinge, war auf beiden Seiten geschärft und lief nach oben hin spitz zu.

„Das ist ein Guangkuo-Sword!"

Delia fiel der Name dieser Art Schwerter als erste ein. Luke betrachtete das Schwert nur mit großen Augen.

Sein Kopf, dachte Delia … ist sicher nur mit dem Wort „Großartig" eingenommen.

„Ja, richtig, Delia. Das ist großartig, dass du diese Art kennst!"

„Danke schön!"

„Also jetzt beginnt das eigentliche Training. Ihr werdet jeweils gegen mich antreten. Ich werde natürlich nicht ernst machen, sondern testen, wie gut ihr mit diesen Waffen umgehen könnt. Macht euch also keine Sorgen. Wer möchte als erstes?"

„Ich!", verlangte Luke, den Arm hebend.

Rood nickte und bat Luke zu ihm zu kommen.

Als die beiden sich gegenüberstanden, sagte Rood, dass Luke ihn jederzeit angreifen könne. Luke empfand das als Startzeichen und begann sofort. Er lief auf Rood zu und schwang sein Schwert, es mit beiden Händen haltend. Luke dachte er würde Rood treffen, denn dieser reagierte gar nicht, doch er nahm Luke einfach nicht ernst und wehrte dann seinen Angriff ab. Rood sah dann, was er befürchtet hatte – Luke's Angriffe sind zu langsam. Jeder könnte Luke so besiegen. Da das Problem da war, war diese Waffe für Luke außerfrage. Rood ließ ihn aber noch ein paar Mal angreifen, bevor er ihn aufhielt.

„Stopp, Luke! Das war genug! Wie findest du die Waffe?"

„Ich hatte viel spaß damit, aber sie ist zu schwer, ich schwinge sie einfach viel zu langsam. So wird das niemals etwas."

„Genau das habe ich auch bemerkt. Mit dieser Waffe sind deine Angriffe viel zu langsam, weshalb sie für dich außerfrage, ist."

Luke legte die Waffe zurück in den Wagen aus dem Rood sie geholt hatte. Daraufhin rief Rood Delias Namen und forderte sie auf mit ihm zu kämpfen.

„Bist du bereit, Delia?"

Delia nickte leicht mit ihrem Kopf. Daraufhin signalisierte Rood ihr, dass sie ihn angreifen könne. Delia zögerte keine Sekunde und griff sofort an. Da Delia noch nie zuvor gekämpft hatte, versuchte sie Lukes Bewegungen zu kopieren. Doch das half ihr nicht weiter. Rood hatte das sofort bemerkt und konnte ihre Angriffe vorhersehen und sie sofort zunichtemachen.

Als Rood genug gesehen hatte, forderte er Delia auf aufzuhören. Dann fragte er: „Wie fandest du es, mit dieser Waffe zu kämpfen?"

„Es war unausstehlich! Sie war viel zu schwer, verlangsamte deshalb meine Bewegungen und sorgte dafür, dass ich zu schnell Kraft verlor. Dazu kommt auch noch, dass ich nicht weiß, wie man kämpft. Ich will nie wieder so eine schwere Waffe in die Hand gedrückt bekommen."

Rood ließ sich das durch den Kopf gehen und überlegte sich schnell eine Antwort.

„Ich verstehe, du hast also nicht genug Kraft. Aber abgesehen davon, muss ich dich loben. Du hast sauber gekämpft, obwohl das nicht einmal dein eigener Stil war. Du hast Luke, den du nur einmal kämpfen sehen hast, sofort kopiert."

„Danke schön, Herr Rood!"

In diesem Muster ging das den ganzen restlichen Tag weiter. Die Kinder probierten zig neue Waffen aus. Es war zermürbend und anstrengend, doch sie schafften es. Dabei hatten sie auch viel Spaß.

Als der Tag also zu Ende ging hatten sich Delia und Luke für die Waffen entschieden, die sie noch heute trugen.

„Also Kinder, da ihr nun wisst welche Waffen ihr verwenden werdet, erkläre ich das heutige Training für beendet und entlasse euch von euren Pflichten."

Die nächsten sechs Jahre wurde der Alltag der beiden von diesem Training bestimmt. Rood hob die Schwierigkeit des Trainings alle paar Monate an, damit sie auch Fortschritte machten. Wenn Rood auf Missionen ging, dann übernahm jemand anderes das Training der beiden. Wenn es gar nicht anders ging trainierten sie allein.

Jeden Tag wurden die Kinder stärker und stärker, ihr Geschick mit dem Schwert besser und selbst ihr Intellekt stieg. Sie lernten in Stresssituationen, rationale Entscheidungen zu treffen, ohne das Leben anderer oder ihr eigenes aufs Spiel zu setzen. Der Trainingsplatz wurde sozusagen zu ihrem zweiten Zuhause.

Eines Tages, als die Kinder schon zwölf Jahre alt waren, stellten sie Rood ihre eher seltsame Idee vor.

„Herr Rood, wir möchten mit dir auf deine nächste Mission mitkommen. Bitte erlaube uns das!"

„Was?", entfuhr es Rood mit Entsetzen im Gesicht. „Ihr wollt mit auf eine meiner Missionen? Wie habt ihr euch das denn vorgestellt. Niemals! Ihr bleibt auf jeden Fall hier und trainiert schön, damit ihr für die Aufnahmeprüfung gewappnet seid, verstanden?"

„Aber wir wollen mit!"

Luke und Delia protestierten, doch sie konnten Rood nicht umstimmen. Er blieb eisern bei seiner Meinung. Er würde es ihnen niemals erlauben mitzukommen.

„Das ist nicht einmal mit dem Recht und den Regeln der Yezhu Nahi vereinbar. Ich würde mich also Strafbar machen, wenn ich es euch erlauben würde. Wollt ihr mich etwa in einem Kerker besuchen?"

„Nein, natürlich nicht, Rood. Wir wollen aber so gern mit, deshalb …"

„Nein bleibt nein! Ich werde es euch niemals erlauben!"

Mit wütendem Blick lief er weiter. Er konnte es nicht fassen, dass diese Kinder so etwas wollen, obwohl sie doch nur zwölf sind. Es machte ihn ein wenig traurig, das zu sehen.

 

Während Rood sich sorgen um die Mission machte, überlegten Delia und Luke wie sie doch an der Mission teilnehmen könnten. Es war eine hitzige Diskussion, doch sie entschieden sich schnell. Als das geregelt war, machten sie sich auf ihren Plan in die Wirklichkeit umzusetzen.