Auf nach Utara!

Tsuyoi hatte nun die neuen Freunde geschaffen, die er brauchte. Er wusste, dass Delia und Luke ihn mochten oder sich zumindest mit ihm unterhalten konnten. Er hoffte aber gleichzeitig, dass beide nicht sauer auf ihn waren, weil er ihnen bei ihrem Gespräch zugehört hatte. Das würde sich jedoch erst klären lassen, wenn er mit ihnen darüber sprach, also durfte das noch warten. Dann traf er bei dem Kampf Tosin, den er sehr gut leiden konnte. Sie waren über die letzten Wochen gute Freunde geworden. Tsuyoi hatte sogar Cayman, Emma und Asha, die Freunde Tosins, näher kennenlernen dürfen. Auf all das kommt auch noch hinzu, dass Tsuyoi seine Freundschaft mit Utopius ausgeweitet hatte. Sie waren durch den Kampf weiter zusammengewachsen, weshalb sie lernten, einander zu vertrauen. Tsuyoi glaubte auch, dass sie beide einfach zusammen gehören und nicht alleine kämpfen könnten - deshalb hatte er Utopius auch vorgeschlagen, als Team zu kämpfen. Diesen Vorschlag brachte er vor ein paar Tagen. 

“Du fragst mich, ob wir ein Team sein wollen?”, Utopius zog seine Augenbrauen in die Höhe. “Ich dachte, wir wären schon ein Team. Wir sind unschlagbar gewesen, deshalb bin ich auf jeden Fall dabei.”

Tsuyoi freute sich sehr deutlich darüber, dass Utopius ihm das Ja gab. So kann sich auch Tsuyoi auf die Zukunft freuen, denn mit Leuten an deiner Seite, denen man vertrauen kann, wird ein Kampf einfacher und es nimmt einem die Spannung. 

Tsuyoi, der durch den Kampf schwere Verletzungen erlitt, würde heute seinen letzten Tag im Bett verbringen. Denn heute würde er nur noch einmal untersucht werden. Und wenn die Ergebnisse stimmen, dann dürfte er gehen. Das hatte ihm ein Arzt vor einigen Tagen erzählt. Er sagte auch, dass Tsuyois Wunden schon sehr gut verheilt seien, weshalb er seiner Tätigkeit als Xiongshou sofort weiter nachgehen könnte. Das waren gute Nachrichten für Tsuyoi, denn Delia und Luke wurden schon lange entlassen. Sie waren gerade mal eine Woche ans Bett gefesselt, während Tsuyoi schon seit sechs Wochen hier festgehalten wurde. Er spürte auch schon, wie sein Körper an Muskeln verlor. Es war also Zeit, dass er endlich wieder an die Waffe durfte, um das Land zu beschützen und sich fit zu halten. 

Da die Untersuchung heute stattfand, lag Tsuyoi hibbelig im Bett, immer noch eingepackt in Bandagen. Seine Geduld war langsam am Ende. Die Sonne stand schon hoch im Himmel. Tsuyoi wollte also einfach nur diese Bandagen loswerden und dann sein Training fortführen, um sich fit zu halten und dieses Mal loszuwerden. 

Das Mal, das ihm gegeben wurde, fügte ihm Schmerzen zu, die so stark waren, dass er zusammenbrach oder ohnmächtig wurde. Wenn das nicht schon zu viel wäre, passierte es fast nur, wenn er seinen Körper stark anstrengte, weshalb es ihn im Kampf oft behinderte. 

Wie stark soll ich denn werden, damit dieses Mal mich nicht mehr tyrannisiert, fragte sich Tsuyoi. 

Darauf würde er jedoch nie eine Antwort bekommen, denn er hatte diese Grenze nie selbst einstellen dürfen. Die Einzigen, die diese Grenze kannten, waren Haru und diejenigen, denen sie es erzählte. Falls das Mal selbst noch einen eigenen Willen hatte, kannte auch das Mal die Grenze, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit gering. 

Während Tsuyoi darüber nachdachte, watschelte ein kleiner Arzt in den Raum. Er hatte einen langen grauen Bart, der den Boden berührte und sein halbes Gesicht verdeckte. Seine weiße Uniform strahlte wie Schnee, während eine bunte Ballonmütze seine Haare verdeckte. 

“Guten Tag, Tsuyoi!”

Seine tiefe Stimme brachte die Luft zum Beben. Tsuyoi war überrascht, dass eine so kleine Person eine so tiefe Stimme besaß. 

“Guten Morgen! Oh, mein guten Tag!”

Tsuyoi wurde ganz nervös wegen der Stimme des Arztes, doch mit der Zeit gewöhnte er sich an sie. 

Ohne viel zu sprechen begann er dann die Untersuchung an Tsuyoi. 

Er untersuchte die Lungen, die Verletzungen, wie sich Tsuyoi allgemein fühlte und so weiter. Es gab ein paar Unstimmigkeiten, die nicht fatal erschienen. 

“Also, Tsuyoi …”, sagte der Arzt, seine Instrumente wegsteckend. “Deine Werte sehen soweit gut aus. Von nun an solltest du versuchen, dir keine allzu schweren Verletzungen einzuholen. Du musst deinen Körper zwar nicht schonen, aber behandle ihn mit Liebe, denn er ist der Einzige, den du haben wirst.”

Tsuyoi nickte. Dann nahm der Arzt ihm den Verband ab. Tsuyoi verabschiedete sich vom Arzt und begab sich zur Tür. Da gab der Arzt Tsuyoi noch etwas mit auf den Weg: “Tsuyoi, ich weiß, dass du noch jung bist und ein Held sein möchtest, doch du wirst nicht jeden retten können. Habe immer den Gedanken im Hinterkopf, dass deine Freunde und Kameraden sterben könnten und priorisiere dein Leben.”

Tsuyoi hob beide Mundwinkel, um ein Lächeln zu bilden. Der Arzt seufzte, als er das sah. Er dachte, Tsuyoi würde nun dieselbe Antwort wie jeder andere geben. 

“Niemals! Ich werde keinen meiner Freunde zurücklassen oder mein Leben über ihres Stellen. Wenn ich nicht alles gegeben habe, um sie zu retten, dann bin ich kein Xionshou, sondern ein Versager.” 

Als der Arzt das hörte, ertappte er sich selbst. Über sein altes Gesicht huschte ein Lächeln, das man trotz des Bartes sehen konnte. Er wusste nun, dass Tsuyoi ein guter Xiongshou sein wird.

Vielleicht wird er eines Tages auch der Grund sein, dass der Goemul besiegt wird. Vielleicht wird der Schrecken durch seine Hand enden. 

Der Arzt wusste, wie lächerlich das klang, weshalb er sich ein zweites Mal ertappte. Diesmal lachte er über sich selbst, doch er nahm diesen Gedanken auch zum Teil ernst. 

“Die Wahrscheinlichkeit besteht …”, sagte er. 

Während der Arzt noch über sich selbst lachte, war Tsuyoi schon längst weg. Er hatte sich nämlich auf den Weg zum Trainingsplatz gemacht. Er hatte das Training schon so sehr vermisst, dass er nachts davon träumte. Es war wirklich grausam. Manchmal wachte er an Tagen, an denen er über ein Training träumte, mit Tränen in den Augen auf. Aber obgleich er nun geweint hatte oder nicht, das Einzige, was jetzt zählte, war, dass er wieder trainieren durfte. 

Als Tsuyoi am Trainingsplatz angekommen war, konnte er seinen Augen kaum trauen. Er durfte wirklich wieder raus. Er würde keinen Ärger mehr bekommen. Tsuyois Augen waren weit geöffnet. Als er sich wieder in den Griff bekam, lief er auf die Tür des Trainingsplatzes zu, um sie zu öffnen. Er lief hinein. Die Steine und der Sand, den der Wind auf den Platz geweht hatte, fühlte sich gut unter seinen Füßen an. Das harte Metall der riesigen Zäune, die den Platz umringten, wärmte sein Herz. Der Geruch des Sandes und der metallische Geruch des Zaunes ließen sein Herz höher schlagen.

“Wie ich dich vermisst habe. Du wirst mir nie wieder so lange fehlen, ich werde immer dafür sorgen, dass ich so schnell wie nur möglich zu dir zurückkomme.”

Tsuyoi war fast schon verliebt in diesen Trainingsplatz. Die Personen, die in der Nähe des Trainingsplatzes standen, hörten, was Tsuyoi sagte. Sie schauten ihn nur mit Unbehagen an. Er wirkte gruselig und nicht stabil auf sie. Doch ohne die Gedanken auszusprechen, gingen sie weiter. Tsuyoi bemerkte die Blicke nicht einmal. Er stand nur mit weit geöffneten Augen da. Dann erinnerte sich Tsuyoi an den Grund seines Kommens. Er griff an seine linke Hüfte. Er spürte jedoch nichts. 

“Scheiße! Ich habe mein Schwert ja gar nicht mit mir.”, beschwerte er sich. “Wie soll ich denn so trainieren?”

Das Einzige, was Tsuyo machen konnte, war in sein Zimmer zu eilen. Er drehte sich also um und ging los, nur um direkt darauf stehen zu bleiben. 

“Was machst du denn hier? Solltest du nicht langsam mal wieder gehen? Ich dachte, du bist dafür verantwortlich, Informationen über den Goemul zu sammeln.”

Tsuyoi klang zwar ein wenig fies, doch böse war es gar nicht gemeint. Die Suche nach Informationen über den Goemul ist wichtig und eine Aufgabe, die nur jemand wie er übernehmen konnte. 

“Willst du mich etwa nicht sehen, Tsuyoi?”

“Ach nein, ganz und gar nicht. I… Ich habe mir einfach nur Gedanken darüber gemacht, s… schließlich ist das eine w… w… wichtige Aufgabe, Rood.”

Rood lachte, als er die Antwort hörte, da Tsuyoi nervös mit seinen Augen blinzelte, als er das sagte. Jedoch nahm Rood es Tsuyoi nicht übel.

“Ich bin hier aber, weil ich dir etwas Wichtiges erzählen möchte. Folge mir also!”

“Jepp!”

Tsuyoi folgte Rood durch das gesamte Gebäude der Yezhu Nanhai, bis sie im selben Raum ankamen, in dem sie das Gespräch mit Wolfy und Alexander führten. Rood öffnete Tsuyoi die große Tür des Raums. Es war der Raum, in dem sich die Anführer der Yezhu Nanhai, also Wolfy, Alexander und Rood. Sie berieten sich hier über viele Themen, die die Yezhu Nanhai betrafen. Als Rood die Tür öffnete, erblickte Tsuyoi den Anblick der teuren Möbel und den von Alexander und Wolfy ein zweites Mal. Doch ein anderes Gesicht, das Tsuyoi sehr bekannt vorkam, erblickte ihn. 

“Tsuyoi, du auch hier?”, fragte Utopius überrascht. 

“Utopius! Länger nicht gesehen. Wie geht's dir?”

Tsuyoi freute sich darüber, ihn wiederzusehen. Doch im selben Moment bemerkte er eine zweite Person, die ihm bekannt vorkam. Sie starrte Tsuyoi an, als wäre er ein Kunstwerk, das den Blick nicht bemerken würde. 

“Delia, du bist auch hier? Wie geht es dir denn?"

“Ich muss eure kleine Zusammenkunft leider unterbrechen, denn wir haben euch drei wegen eines wichtigen Themas hergebracht.”, räusperte sich Rood.

“Worum geht es denn?”, fragte Delia, augenrollend. 

Daraufhin begann Wolfy zu erklären, dass eine kleine Stadt, hoch im Norden, von einem Untergebenen des Goemuls terrorisiert wird. Dieser Untergebene war hoch im Rang. Seit einigen Wochen schickte er Goblin-Trupps und andere Kreaturen, um die Menschen dort zu verunsichern. Doch bislang konnten die Wachen alle Kreaturen ohne Verluste besiegen, weshalb sie keinen Sinn darin sahen, die Yezhu Nanhai zu beauftragen. Jedoch wuchs die Anzahl der Goblins stark an, weshalb es immer schwerer wurde. Sie schafften es also nicht mehr, die Goblins ohne Verluste zu besiegen. Damit sahen sie sich gezwungen, die Yezhu Nanhai einzuschalten, um die Verluste auf ein Minimum zu reduzieren. 

“Deshalb haben wir uns für euch entschieden. Ihr geht nach Utara. Wir glauben, ihr habt euch im letzten Kampf bewiesen und gezeigt, dass ihr dafür bereit seid. Auch wenn der Untergebene des Goemuls einen hohen Rang besitzt, glaube ich, dass ihr es schaffen könnt.”

Wolfy sprach ehrliche Worte, die er mit einer starken Ausstrahlung verstärkte. Delia, Utopius und Tsuyoi nickten sich zu. Sie waren sich einig, dass sie diesen Kampf übernehmen würde.

“Also, seid ihr bereit, diese Aufgabe zu übernehmen?”, fragte Alexander, der seine Hände in die Hüfte stellte. Alexander dachte, er würde eine erhabene Ausstrahlung, fast schon wie ein Herrscher, haben, doch er sah aus wie ein hochmütiger kleiner Junge, dem all das Lob den Kopf verdrehte. Tsuyoi musste sich ein Lachen verkneifen.

“Pff …”

Man hörte ein leises Kichern aus dem Raum, das auf Delia zurückzuführen war. Alle starrten sie unglaublich an. Sich über Alexander lustig zu machen, war keine gute Idee, da er immer noch ganz oben stand. Als Delia die Blicke bemerkte, stellte sie sich kerzengerade hin, ohne auch nur ein Anzeichen zu geben, dass sie lachen müsste. Alexander sah über ihren Fehler hinweg und fragte dann ein zweites Mal. 

“Seid ihr also bereit, diese Aufgabe zu übernehmen?”

Alexander nahm dieselbe Pose ein und rollte seine Augen, da es ihm egal war, ob sie zustimmten. Sie mussten nach Utara gehen. Diese Frage war nur Schall und Rauch, mehr nicht. 

“Ja!”

“Ja!”

“Ja!”

Delia, Tsuyoi und Utopius riefen wie im Chor. Alexanders Lippen zierte ein stolzes Lächeln, während er sich wieder in seine vorherige Position begab. Delia, Tsuyoi und Utopius mussten sich schon wieder ein Lachen verkneifen, ganz besonders Delia. Alexander würde ein zweites Mal nicht durchgehen lassen. Bevor irgendwer lachen oder sprechen konnte, klinkte sich Rood ins Gespräch ein. 

“Dann macht euch bereit. Wir werden in einer Stunde losfahren, da diese Mission eilt. Immerhin könnten jetzt schon Menschen sterben. Und noch eine Sache. Hier die gebe ich euch. Damit können wir über große Distanz kommunizieren.”

Rood gab Delia, Tsuyoi und Utopius Ohrringe, doch man steckte sie sich nicht ans Ohr, sondern in das Ohr. Wobei da auch die Nadel, die an einem Ohrring befestigt ist, fehlte.

“Was ist das? Ein Ohrring?”, fragte Tsuyoi, die Augenbrauen hebend.

“Nein, Tsuyoi. Das ist ein Kopfhörer. Eine neue Erfindung, die aber ausreichend getestet wurde, weshalb wir sie auch nutzen können.”

Tsuyoi nickte. In seiner Hand befand sich also ein Kopfhörer. Er war wunderschön. Er sah so aus, als könnte man ihn an seinem Ohr tragen. Denn der Kopfhörer trägt einen blauen Edelstein in der Mitte, der von den grünen Akzenten verstärkt wird.

“Steckt ihn euch ins Ohr, ok!”

Nachdem Rood ihnen erklärte, wie der Kopfhörer funktionierte, verließen Delia, Tsuyoi und Utopius den Raum, um in ihre Zimmer zu gehen. Während sie die Gänge entlang liefen, führten sie ein lebhaftes Gespräch. Sie sprachen über Waffen, Kampfstile und viele andere Themen. Tsuyoi freute sich sehr über dieses Gespräch, da es bedeutete, dass sie sich alle näher kamen.