Feuer und Flamme

ELIA

"Hallo!", sagte Elia erschrocken.

"Hallo, Elia. Es freut mich zu sehen, dass du es geschafft hast", erwiderte die Frau und verneigte sich tief, während alle Umstehenden zuschauten. Elia wollte sie am liebsten an den Schultern packen und aufrichten.

Doch Reth schaute zwischen ihnen hin und her. "Ihr kennt euch?" fragte er überrascht.

"Ja, letzte Nacht", erklärte Elia. "Als ich beim Ritual aufgewacht bin, hat Candace mir geholfen."

Reth wandte sich an die Frau und verneigte sich ebenfalls galant über ihre Hand. "Ich danke dir, Candace. Du besitzt den Dank deines Königs", sagte er leise und voller Bedeutung.

Candace legte sich die Hand aufs Herz und errötete. "Ach, es war kaum der Rede wert, Majestät. Ich versichere euch."

"Trotzdem", beharrte Reth, "war es eine dringend benötigte Güte. Du bist ein Vorbild für das Königreich. Ich danke dir. Da du so ein gütiges Herz hast, darf ich dich um einen weiteren Gefallen bitten?"

"Aber natürlich!" Candaces schlankes Gesicht erhellte sich.

Reth lächelte. "Ich muss mich mit dem Sicherheitsrat treffen. Vielleicht könntest du Elia das Stadtzentrum zeigen und ihr einige unserer Bräuche erklären?"

Candaces Lächeln erstarrte einen Moment, aber sie zögerte nicht, sich zu verbeugen und Reth zu versichern, dass sie dies gerne tun würde.

"Danke", sagte Elia. Ihr wurde allerdings warm um die Wangen. Es war so offensichtlich, dass diese Frau sie eigentlich nicht betreuen wollte, sondern es nur tat, um Reth zu gefallen. Sah er das denn nicht?

"Danke", wiederholte Reth und wandte sich seinem Essen zu. Während jemand Elia einen Teller mit Essen hinlegte und sie zu essen begann, hörte sie ein leises Schnauben und Reth stupste sie an.

Sie drehte sich um, der Mund voll mit dem knusprigen Brot, und ihr Blick traf einen sehr ernsten Reth. Oh nein, was hatte sie bloß angestellt? Gab es hier ein Gebet, das man vor dem Essen sprechen sollte, oder irgendeine andere Tradition?

Reth beugte sich vor und sie schluckte hastig, um den Mund zu leeren. Seine Lippen streiften ihr Ohr, als er flüsterte: "Als Königin wirst du niemals an Essen mangeln, das verspreche ich dir."

Sie klopfte ihm schmunzelnd auf die Schulter, während er kicherte und ein wohliger Schauer sie erfasste. Sie liebte dieses tiefe, warme Lachen.

Als er mit Lachen fertig war, hielt er ihren Blick gefangen, seine Augen vom Lächeln gerunzelt. "Guten Morgen, Frau", murmelte er.

Sie blinzelte bei dem Kosenamen und starrte ihn an. "Guten Morgen", sagte sie atemlos. "Hast du gut geschlafen?"

Er brummte und zuckte mit den Schultern. Angesichts der dunklen Schatten unter seinen Augen, die sie nun erkennen konnte, war die Antwort nein. Aber als sie sich daran erinnerte, weshalb, veränderte sie schnell das Thema. "Du hättest mich wecken sollen. Ich wäre dann mit dir zum Essen gekommen."

Er winkte ab und nahm einen weiteren Bissen. "Ich wollte, dass du dich ausschläfst", sagte er, doch er traf dabei nicht ihren Blick.

Elia fühlte sich niedergeschlagen.

Sie aßen schweigend für einige Minuten, während Elia verzweifelt nach einem Gesprächsthema suchte und doch immer wieder staunte, als sie sich umsah – die Menschen, die völlig menschlich aussahen, sich jedoch anders bewegten und sprachen. Das Essen, das allesamt vertraut und köstlich wirkte, von dem aber nur einiges wirklich erkennbar war. Und die Kleidung, die irgendwie edel, aber auch einfach war – keine Schuhe, nur natürliche Leinen und Leder, Federn oder Blumen im Haar der Frauen…

Dann sah sie Reth an und abermals hatte sie das Gefühl, ihn schon mal gesehen zu haben – ihn zu kennen. Nur war sie jetzt nicht mehr von den Ereignissen oder dem Rauch überwältigt.

Das Gefühl, ein vertrautes Gesicht, einen bekannten Freund zu sehen, ließ sie nicht los – und nagte in ihrem Inneren, da sie ihm keinen Platz zuordnen konnte. Gerade als er einen Bissen nahm, räusperte sie sich.

"Du sagtest, du warst in meiner Welt – der Menschenwelt. Haben wir uns getroffen, als du...?"

Reth verschluckte sich und hätte beinahe einen Mundvoll Essen über den Tisch gespuckt. Die nächste Minute war gefüllt mit seinem Würgen, einem der Wächter klopfte ihm auf den Rücken, und besorgte Gesichter starrten, um sicherzustellen, dass ihr König nicht erstickte.

Letztendlich hob er sein Glas in Richtung derer auf dem Boden und krächzte mit tränenden Augen: "Alles ist gut!"

Während die Leute lächelten und sich wieder ihren Mahlzeiten zuwandten, räusperte er sich weiterhin. Es dauerte einige Minuten, bis er sich zu ihr umdrehte und heiser fragte: "Entschuldige die Unterbrechung. Was hast du gesagt?"

Sie runzelte die Stirn. "Ich fragte, ob wir uns begegnet sind, als du in der Menschenwelt warst... haben wir da jemals...?"

"Majestät! Ich bitte um Entschuldigung für die Unterbrechung, aber wir brauchen Euer Ohr, unverzüglich."

Elia und Reth drehten sich um und sahen einen jungen Mann hinter sich stehen. Elia erkannte ihn nicht, doch Reth offenbar schon. "Natürlich, selbstverständlich, mein Junge. Keine Sorge. Ich komme. Elia, mein Lieb, es tut mir leid, dich heute Morgen allein zu lassen, aber ich habe noch einiges zu klären von gestern. Candace wird dich herumführen, und wir sehen uns zum Abendessen wieder." Er umfasste ihr Gesicht und lächelte, doch bevor sie etwas erwidern konnte, war er schon fort.

Als wäre er erleichtert, sich davongemacht zu haben.