Das Echo der Vergangenheit

Dylan saß zusammengesunken an der Bar, das Glas in seiner Hand zitterte leicht, als er noch einen Drink herunterkippte. Der Schmerz von Avas Ohrfeige nagte immer noch tief in ihm, zerfraß seine Gedanken. Ihre kalten, distanzierten Augen, erfüllt von Wut und etwas, das Verachtung ähnelte, blitzten immer wieder in seinem Kopf auf.

Er konnte es nicht begreifen. Das war die Frau, die sich einst an ihn geklammert hatte, die ihm immer wieder ihre Liebe gestanden hatte.

Wie hatten sich die Dinge so drastisch verändert? Warum hatte sie sich verhalten, als würde sie sich überhaupt nicht um ihn kümmern? Sie hatte nicht einmal die Blumen gewürdigt, die er ihr gekauft hatte.

Er knallte sein leeres Glas auf den Tresen und gab ein Zeichen für ein weiteres.

"Hey Mann, das reicht," mischte sich sein Freund James ein und legte eine Hand auf Dylans Schulter. "Du bist schon betrunken."

Dylan warf ihm einen scharfen Blick zu und schob seine Hand weg. "Ich bin noch nicht fertig," schnappte er und hob seinen Finger in Richtung des Barkeepers. "Noch einen."

James runzelte die Stirn, sichtlich besorgt. Er hatte Dylan noch nie so gesehen - so verloren, so aufgewühlt. "Was ist los mit dir? Ich habe dich noch nie so erlebt."

Dylan antwortete nicht. Er wusste nicht, wie er den Sturm in seinem Inneren erklären sollte. Er hatte sich vorher nie um Ava gekümmert, aber ihre kalte Gleichgültigkeit, ihre Ablehnung und die Ohrfeige zerrissen sein Herz und machten ihn rastlos. Er spürte, dass sie sich von ihm entfernte, und das verunsicherte ihn auf eine Art und Weise, die er nicht erwartet hatte.

"Wer zum Teufel hat Dylan Brooks so verärgert?" witzelte James sarkastisch, um die Stimmung aufzulockern.

Der Barkeeper schob ein weiteres Glas über den Tresen, aber bevor Dylan danach greifen konnte, schnappte James es ihm geschickt weg.

Dylans Gesicht verzog sich vor Wut. "Was zum Teufel, James? Gib mir meinen Drink zurück!"

"Nicht, bevor du mir sagst, was dich bedrückt," sagte James und hielt das Glas gerade außerhalb von Dylans Reichweite.

Dylan stieß einen schweren Seufzer aus, sein Kopf sank auf den Tresen. "Es ist Ava," murmelte er, während die Szene, in der Ava ihn ohrfeigte, in seinem Hinterkopf aufflackerte.

"Ava?" James hob die Augenbrauen. "Was hat sie diesmal getan?"

Dylan antwortete nicht sofort. "Glaubst du, ich habe ihr Unrecht getan? War ich zu hart zu ihr?" Er hob den Kopf und verengte die Augen zu James.

James musterte seinen Freund, verwirrt darüber, warum diese Frage überhaupt aufkam. "Nein," antwortete er sofort. "Du mochtest sie nie. Sie war diejenige, die hinter dir her war und dich in diese Ehe gezwungen hat. Es ist offensichtlich, dass du eine Abneigung gegen sie hast. Gib dir nicht selbst die Schuld. Du schuldest ihr nichts."

Dylan starrte ausdruckslos auf den Tresen, sein Griff um das Glas verstärkte sich. Erinnerungen aus der Vergangenheit überfluteten seinen Geist. Er hatte sie gemocht, als sie in der Schule waren, und hatte sich sogar eine Zukunft mit ihr vorgestellt. Aber der Unfall seiner Eltern hatte alles verändert und ihn kalt und von Rache getrieben zurückgelassen.

Wenn Thomas nur nicht seine Eltern getötet hätte, wenn sein Leben nur nicht durch diese Tragödie aus der Bahn geworfen worden wäre, vielleicht wären die Dinge anders gelaufen. Vielleicht hätte er Ava geschätzt, anstatt sie wegzustoßen.

Warum musste das Schicksal so grausam sein? Warum mussten die Dinge so eine Wendung nehmen?

"Ava," murmelte Dylan benommen. "Warum sind die Dinge zwischen uns so hässlich geworden?"

Er konnte nicht verstehen, warum er sich so sehr um Avas Reaktion kümmerte. Sie hatte sich nie über irgendetwas beschwert und hatte alles getan, was er wollte. Aber heute hatte sie ihm widersprochen und ihn sogar geohrfeigt. Und zum ersten Mal war Dylan sich nicht sicher, wie er damit umgehen sollte.

James sah ihn verwirrt an. Dylan hatte noch nie jemanden seine Verwundbarkeit sehen lassen, aber heute Abend lag eine Traurigkeit in seiner Stimme.

James schüttelte den Kopf. "Du magst sie offensichtlich nicht, aber du rufst ihren Namen, wenn du betrunken bist!" Er griff nach seinem Telefon und wählte Avas Nummer.

Das Telefon klingelte lange, bevor es endlich verbunden wurde.

"Hallo?" Avas scharfe Stimme, durchzogen von Ärger, kam vom anderen Ende der Leitung.

"Ava, hier ist James. Dein Mann ist betrunken. Komm zur Bar und bring ihn nach Hause."

"Humph!" schnaubte sie kalt zur Antwort. "Das interessiert mich nicht. Warum bringst du ihn nicht selbst nach Hause?"

"Ava, komm schon!" protestierte James. "Er ist dein Ehemann." Er war überrascht, hatte nicht erwartet, eine so kalte Antwort von ihr zu bekommen.

Warum klang sie, als würde sie sich überhaupt nicht um Dylan kümmern? Das war nicht die Ava, die er einmal kannte. Warum war sie so bereit, ihre Verantwortung abzuschütteln?

"Du hast die falsche Person angerufen," sagte Ava gleichgültig. "Dylan mag mich nicht, und das weißt du sehr gut. Seine Laune wird sich verschlechtern, sobald er mich sieht. Warum wendest du dich nicht stattdessen an seine geliebte Gianna?"

"Du!"

Piep

Der Anruf wurde abrupt beendet. James starrte verwirrt auf das Telefon. Schlug Ava tatsächlich vor, dass er sich an eine andere Frau wenden sollte, um ihren Ehemann abzuholen?

"Diese Frau hat den Verstand verloren," murmelte James. "Sie ist bereit, ihren Ehemann einer anderen Frau zu überlassen." Es war unvorstellbar.

James rieb sich frustriert den Nacken und rief Gianna an.

"Hey, Gianna," sagte er sanft, als der Anruf verbunden wurde. "Dylan ist betrunken. Kannst du kommen und ihn nach Hause bringen? Ich würde ihn selbst fahren, aber ich habe einige persönliche Angelegenheiten zu erledigen."

"Oh! Dylan ist betrunken!" Gianna, die gerade schlafen gehen wollte, setzte sich abrupt auf. "Okay, kein Problem. Ich komme und hole ihn ab. Schick mir die Adresse."

"Danke, Gianna. Komm schnell zur Moon's Bar."

Gianna sprang aus dem Bett und ging sich umziehen.

Als sie schließlich in der Bar ankam, fielen ihre Augen schnell auf Dylan, der unbeholfen auf dem Sofa ausgestreckt lag und völlig desorientiert aussah. James lief in der Nähe auf und ab, offensichtlich ungeduldig.

"Du bist endlich hier," sagte James und seufzte erleichtert. "Kümmere dich um ihn. Ich gehe." Damit stürmte er aus der Bar.

Gianna blickte auf Dylan hinab, der keine Ahnung hatte, was um ihn herum vorging. "Ja, ich werde mich gut um ihn kümmern." Sie näherte sich ihm, ein verschlagenes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. "Dylan," rief sie sanft und schüttelte behutsam seinen Arm. "Ich bin hier, um dich nach Hause zu bringen. Lass uns gehen."

Dylans Augenlider flatterten auf, und er blinzelte sie an, Verwirrung trübte seine Züge. "Wer ist da?" Seine Sicht war verschwommen, und er konnte sie nicht erkennen.

"Gianna," antwortete sie, ihr Ton süß wie Honig. "Komm schon. Steh auf." Mit einem festen Ruck zog sie ihn auf die Füße und legte einen Arm um ihn, um ihn zu stützen.

Dylan lehnte sich zur Unterstützung an sie, als Gianna ihn aus der Bar führte.

"Warum hast du so viel getrunken?" murmelte sie durch zusammengebissene Zähne, während sie sich bemühte, ihn aufrecht zu halten.

Endlich schaffte sie es, ihn auf den Beifahrersitz zu schieben, und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn, keuchend von der Anstrengung.

"Oh Gott. Er ist so schwer," schnaufte sie, aber die Erschöpfung war es wert. Dies war ihr Moment, ihm nahe zu sein, die Gelegenheit zu ergreifen, auf die sie gewartet hatte.

Sie sprang auf den Fahrersitz, drehte den Schlüssel im Zündschloss und fuhr los, Aufregung brodelte in ihr. Sie blickte zu Dylan hinüber, dessen Kopf gegen das Fenster gelehnt war, völlig ahnungslos von den Plänen, die sie im Sinn hatte. Sie konnte nicht anders als zu lächeln. Heute Nacht würde sie ihn zu dem Ihren machen.