011 Wir haben......einen langen Weg vor uns in der Zukunft

Su Ran erwachte und stellte fest, dass es bereits Abend war. Das Nachglühen der untergehenden Sonne vermischte sich mit der Helligkeit des Raumlichts und war etwas blendend. Sie schloss ihre Augen wieder und öffnete sie dann erneut.

Ein Blick um sich herum zeigte ihr, dass sie in einem Krankenhausbett lag, mit einem Hauch von Verwirrung in ihren sternklaren Augen.

"Wach."

Eine magnetische und tiefe Stimme erhob sich langsam.

Der Stimme folgend sah Su Ran den Mann, der lässig auf dem Sofa ihr gegenüber saß.

"Warum bist du hier? Was ist mit mir passiert?"

Sie rieb sich die pochenden Schläfen und setzte sich auf, gegen das Kopfteil gelehnt.

"Bist du immer so unvorsichtig?"

"Hmm?" fragte Su Ran mit fragendem Gesicht.

"Ein Fieber von 39,7 Grad, und du hast es nicht bemerkt?" Fu Qiyuans reiche und verführerische Stimme war leicht heiser.

Bei seinen Worten war Su Ran leicht erschrocken und erinnerte sich erst jetzt.

Sie war gerade von dem Mann ins Büro gezogen worden, und bevor sie ein Wort sagen konnte, war sie ohnmächtig geworden.

"Warst du den ganzen Nachmittag bei mir?"

Die Frage kam bejahend heraus, und eine Welle noch nie dagewesener Wärme und Emotion wallte in Su Rans Herz auf, als sie überrascht war.

"Gerührt?" Der typischerweise kalte Ton des Mannes trug jetzt eine Spur von Necken.

Su Ran sprach nicht, beobachtete ihn nur still.

Fu Qiyuans Augenbrauen hoben sich, und seine Mundwinkel formten eine zufriedene Kurve.

"Es ist in Ordnung, wir... haben Zeit vor uns."

Die bedeutungsvolle Aussage war etwas verführerisch.

Vielleicht war es die benebelnde Wirkung ihrer Erkältung, aber Su Ran fand es selten, dem Gedankengang des anderen nicht zu folgen.

"Ruhe dich gut aus, der Direktor sagte, du seist körperlich nicht dazu in der Lage."

Als er die Müdigkeit und Erschöpfung in ihren Brauen sah, stand Fu Qiyuan auf und sagte.

"Danke für heute."

Fu Qiyuans tiefe Augen starrten eindringlich auf Su Rans blasses und zartes Gesicht, sein Ausdruck trug beiläufig ein leichtes Lächeln, sein Ton spielerisch und distanziert:

"Verbaler Dank? Fräulein Su, finden Sie nicht, dass das an Aufrichtigkeit mangelt?"

Su Ran: "..."

Su Ran sah Fu Qiyuan sprachlos weggehen und sagte schließlich kein Wort.

Mit dem Weggang des Mannes verwandelte sich das Krankenhauszimmer, das ruhig und gemütlich gewesen war, wieder in seinen üblichen kalten und einsamen Zustand.

Su Ran saß still am Kopfende ihres Bettes, ihr Blick leer, als sie aus dem Fenster auf etwas in der Ferne starrte.

Ich hätte die Dunkelheit ertragen können, hätte ich nicht die Sonne gesehen!

Es stellt sich heraus, dass sie nicht von Natur aus zur Einsamkeit und Stärke neigte.

Su Rans Gedanken drifteten allmählich ab, sie versank in ihrer eigenen Welt.

Gu Heng betrat das Krankenhauszimmer, um eine solche Szene zu sehen; in dem weiten und leeren Raum saß Su Ran, in ein dünnes Gewand gekleidet, an das Krankenhausbett gelehnt und blickte durch das Fenster auf den süßen Osmanthusbaum draußen, ihr Gesicht zeigte eine gleichgültige Ruhe ohne einen Hauch von Aufruhr.

Sie hatte ein sehr zartes und schönes Gesicht, mit einer Traurigkeit, die in ihre anmutigen Wangen eingemeißelt zu sein schien, von Krankheit geplagt, die ihre zerbrechliche Gestalt umhüllte, in diesem Moment strahlte Su Ran eine atemberaubende morbide Schönheit aus.

Gu Hengs Eindruck von ihr war immer der einer kalten Stärke gewesen, die aus ihren Knochen zu sickern schien, frostig und distanziert. Selbst wenn sie ihm, ihrem verlobten Freund, gegenüberstand, blieb sie immer ernst mit kaum schwankenden Emotionen.

Völlig reizlos.

Aber jetzt...

Da saß sie ruhig; ihre helle Haut, ihr zartes und atemberaubendes Profil im Nachglühen der Sonne durch das Fenster gebadet, die einsame und leicht melancholische Gestalt schaffte es, einen einzigartigen Charme zu weben, der anders war als alles andere in der Welt.

Gu Heng spürte eine leichte Enge in seinem Herzen; eine solche Su Ran schaffte es irgendwie, ihn zu erschüttern.

Als sie sich der Annäherung von jemandem bewusst wurde, wandte Su Ran ihren Blick leicht und sah Gu Heng an der Tür stehen.

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PS:

Ich hätte die Dunkelheit ertragen können, hätte ich nicht die Sonne gesehen—von der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson