Mysterium

Kapitel 10

Die Nacht war still. Ein schwacher Wind strich durch die Bäume hinter unserem Haus, während der Mond in blassem Licht über den Himmel wanderte. Ich lag in meinem Bett, doch an Schlaf war nicht zu denken.

Ich konnte mich selbst heilen.

Diese Erkenntnis ließ mich nicht los. Ich hatte es nun mehrfach getestet - die Schnitte, die Kratzer, alle verschwanden sie in wenigen Sekunden. Es war, als würde mein Körper jede Verletzung ignorieren, als würde er einfach den Zustand von vorher wiederherstellen.

Aber wie funktionierte das? War es eine bewusste Fähigkeit? Oder geschah es einfach von selbst?

Und dann war da noch das SYSTEM.

Ich hatte keine Kontrolle darüber, aber es existierte. Die Nachricht war nicht eingebildet gewesen. Ich musste es irgendwie aktivieren können.

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Langsam setzte ich mich auf. Das Haus war still - meine Eltern schliefen bereits.

Ich schlich mich vorsichtig zur Tür, öffnete sie so leise wie möglich und trat auf den kalten Holzboden. Schritt für Schritt bewegte ich mich durch den Flur, lauschte auf jedes Geräusch.

Dann war ich draußen.

Die frische Nachtluft füllte meine Lungen, während ich durch den Garten in Richtung des Waldes lief. Ich kannte diesen Ort gut - hier hatte ich trainiert, hier hatte ich mit Feuer und Wasser experimentiert. Aber diesmal war es anders.

Diesmal suchte ich nach einer Antwort.

Ich blieb an einer kleinen Lichtung stehen, umgeben von hohen Bäumen. 

Die Blätter raschelten leise im Wind, doch ansonsten war es still.

Ich atmete tief durch und konzentrierte mich.

Zuerst wollte ich meine Heilung testen. Ich hatte es mit kleinen Wunden versucht - aber was war mit größeren Verletzungen?

Ich nahm einen Stein vom Boden, wog ihn in der Hand. Dann atmete ich noch einmal tief durch - und schlug ihn mit voller Wucht gegen meinen Unterarm.

Ein dumpfer Schmerz zuckte durch meine Knochen. Die Haut platzte auf, Blut trat hervor. Ich biss die Zähne zusammen und beobachtete.

Wenige Sekunden vergingen.

Dann begann die Wunde zu verschwinden. Die Haut zog sich zusammen, das Blut verschwand, als wäre es nie da gewesen. Innerhalb von zehn Sekunden war mein

Arm vollkommen geheilt.

Mein Herz raste.

Es funktionierte.

Ich konnte nicht nur kleine Schnitte heilen - auch tiefere Verletzungen schlossen sich von selbst. Aber wie weit konnte ich gehen? Was war die Grenze?

Ich atmete erneut tief durch und dachte nach. Was, wenn ich es mit etwas anderem versuche?

Feuer.

Ich hob meine Hand und ließ eine kleine Flamme in meiner Handfläche entstehen.

Das vertraute, warme Glühen beruhigte mich für einen Moment. Dann atmete ich aus - und ließ die Flamme langsam auf meine Haut gleiten.

Der Schmerz kam sofort. Ich kniff die Augen zusammen, spürte das Brennen - und dann, genau wie zuvor, verschwand es. Die Haut, die bereits gerötet war, heilte sich in Sekundenbruchteilen.

Ich zog die Hand zurück und starrte auf meine Haut.

Mein Körper ignorierte Verletzungen einfach.

„Das ist nicht normal..." murmelte ich.

Es war nicht einfach Heilung. Es war, als würde mein Körper den Zustand von vorher zurückholen. Aber wie?

Dann spürte ich es.

Ein leichtes Kribbeln in meinem Kopf. Ein seltsames Gefühl, als würde mich jemand beobachten

Ich richtete mich auf und blickte mich um.

SYSTEM.

Ich wusste nicht, warum, aber ich spürte, dass es irgendwie damit zu tun hatte. Ich hatte die Nachricht gesehen - sie musste irgendwo existieren. Also konzentrierte ich mich.

Zeig dich...

Nichts geschah.

Ich kniff die Augen zusammen. Vielleicht musste ich es anders versuchen?

„System."

Keine Reaktion.

Ich versuchte es auf andere Weise:

„Status."

„Fähigkeiten."

„Aktivieren."

Doch nichts geschah.

Ich stieß frustriert die Luft aus. Wenn es mir eine Nachricht schicken konnte, dann musste ich auch mit ihm kommunizieren können. 

Ich dachte an andere Möglichkeiten - vielleicht war es nicht einfach wie ein Befehl? Vielleicht brauchte es eine bestimmte 

Mein Blick fiel wieder auf meine Hand. Ich hatte mich verletzt - und dann hatte ich es gespürt. Das leichte Kribbeln in meinem Kopf.

Vielleicht musste ich es erneut versuchen.

Ich griff nach meinem Dolch, zog ihn langsam aus der Scheide. Die kalte Klinge schimmerte im Mondlicht. Ich wusste, dass es verrückt war, aber ich musste es wissen.

Mit einem tiefen Atemzug setzte ich die Klinge an meine Handfläche und drückte zu.

Blut tropfte auf den Boden.

Und dann geschah es.

Eine Nachricht erschien plötzlich vor meinen Augen, schwebend in der Luft, als wäre sie direkt in meinen Kopf projiziert:

[Fähigkeit aktiviert: Unbekannt]

Mein Atem stockte.

Es funktionierte. Ich konnte es beeinflussen.

Aber was bedeutete „Unbekannt"? War es noch nicht vollständig? Oder verstand das System selbst nicht, was meine Fähigkeit war?

Während ich noch darüber nachdachte, heilte meine Hand sich wieder. Das Blut verschwand, die Haut wurde glatt.

Ich ballte die Faust.

Das hier war nur der Anfang.

Ich wusste jetzt, dass ich mich selbst heilen konnte - und dass das SYSTEM existierte. Aber es gab noch so viele Fragen.

Woher kam es? Warum hatte ich es? Wer hatte mich mit dem Pfeil getroffen?

Ich atmete tief durch.

Das hier war noch lange nicht vorbei. Ich musste weiterforschen, weiter testen.

Und wenn das SYSTEM existierte, dann musste es auch Regeln haben.

Ich würde sie finden.

Ich würde verstehen, was ich wirklich war.