1 – Flucht aus der Dunkelheit
Der Wind trug den Geruch von Regen und feuchtem Holz, als Raito, Haru, Renji, Kaito und Takeshi sich durch das dichte Unterholz schlugen. Die Schatten, die sie im Tempel angegriffen hatten, waren verschwunden – aber das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ niemanden los.
„Wir sollten uns beeilen", murmelte Haru und blickte über die Schulter. „Ich traue dieser Stille nicht."
„Seit wann bist du so paranoid?" fragte Renji mit einem schiefen Grinsen.
„Seit wir fast getötet wurden."
Keiner widersprach.
Ihre Reise führte sie tiefer in das unbekannte Land. Die karge Berglandschaft wich langsam einer nebligen Steppe, durchzogen von alten Steinpfaden, die von Moos überwuchert waren.
Raito blieb kurz stehen und blickte nach vorn.
„Da ist etwas…"
Die Gruppe folgte seinem Blick. In der Ferne erhob sich eine Stadt aus dem Nebel – halb zerstört, halb von der Natur zurückerobert. Verfallene Gebäude ragten aus dem Boden wie die Knochen einer vergessenen Zivilisation.
„Shinkai?" fragte Kaito leise.
Haru schüttelte den Kopf. „Nein. Aber vielleicht finden wir hier eine Spur."
Ohne eine Alternative setzten sie ihren Weg fort.
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2 – Die Fremde
Die Straßen der Stadt waren menschenleer. Nur der Wind zog durch die Ruinen, trieb Staub und trockene Blätter über den Boden.
„Ich mag das hier nicht…" murmelte Takeshi und ließ seine Hand über den Griff seiner Waffe gleiten.
Plötzlich – ein Geräusch.
Ein leises Rascheln. Ein Atemzug.
Raito drehte sich um – zu spät.
Etwas schoss aus dem Schatten. Bevor er reagieren konnte, spürte er kaltes Metall an seiner Kehle.
Eine Stimme flüsterte nahe an seinem Ohr:
„Wer seid ihr?"
Renji zog sofort sein Schwert, Haru hob die Hand für eine Chakrai-Technik, aber Raito hob warnend die Hand.
„Wir sind auf der Suche nach Antworten", sagte er ruhig.
Die Klinge verweilte einen Moment, dann zog sie sich zurück.
Vor ihnen stand eine Frau. Ihr langes, dunkles Haar fiel in leichten Wellen über ihre Schultern, und ihre smaragdgrünen Augen musterten sie wachsam. Ihr Mantel war an mehreren Stellen zerrissen, als hätte sie viele Kämpfe hinter sich.
„Ihr habt Glück, dass ich euch nicht für Feinde halte."
„Wer bist du?" fragte Haru misstrauisch.
Die Frau lächelte leicht, aber es war kein freundliches Lächeln.
„Mein Name ist Sayaka. Und ihr habt keine Ahnung, worauf ihr euch eingelassen habt."
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3 – Das verlorene Wissen
Sayaka führte sie in eines der halb eingestürzten Gebäude. Eine alte Bibliothek, deren Regale voller Bücher waren, die dem Zahn der Zeit getrotzt hatten.
„Ihr sucht Shinkai, richtig?" fragte sie und lehnte sich gegen einen alten Tisch.
Raito nickte. „Du weißt etwas darüber?"
Sayaka seufzte. „Jeder, der dumm genug ist, diesen Ort zu betreten, sucht nach Shinkai. Aber die wenigsten kehren zurück."
„Warum?" fragte Takeshi.
Sayakas Blick wurde dunkler. „Weil Shinkai eine Stadt der Geister ist. Ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen. Und die, die dort gefangen werden… vergessen sich selbst."
Eine unheilvolle Stille legte sich über die Gruppe.
„Kuro ist dort", sagte Raito schließlich.
Sayakas Augen verengten sich. „Euer Freund?"
„Ja. Und wir werden ihn zurückholen."
Sie musterte ihn einen Moment, dann lachte sie leise. „Ihr seid entweder mutig oder dumm."
„Beides", murmelte Renji.
Sayaka seufzte. „Na schön. Ich werde euch helfen. Aber ihr müsst mir etwas versprechen."
„Was?" fragte Haru.
Sayaka trat näher und ihr Blick wurde eisern.
„Wenn wir in Shinkai eintreten… dürft ihr niemandem vertrauen. Nicht einmal euch selbst."
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4 – Der Pfad nach Shinkai
Die Nacht brach über die Stadt herein, als Sayaka die Gruppe auf einen verborgenen Pfad führte.
„Wir müssen durch das Nebelmeer", erklärte sie. „Ein Labyrinth aus Illusionen und Erinnerungen. Wenn wir es durchqueren, erreichen wir das Tor von Shinkai."
„Illusionen?" fragte Kaito misstrauisch.
Sayaka nickte. „Ihr werdet Dinge sehen, die nicht real sind. Freunde, Feinde… vielleicht sogar euch selbst."
„Klingt ja wunderbar", murmelte Takeshi.
Raito atmete tief durch. „Dann lasst uns gehen."
Sayaka führte sie in den dichten Nebel. Die Luft wurde schwer, die Geräusche gedämpft.
Dann, plötzlich – Stimmen.
Flüsternde Stimmen, die Raito kannte.
„Du bist zu spät…"
Er drehte sich um. Vor ihm stand eine Gestalt. Ihre Haare waren silbern, ihre Augen leuchteten rot.
„Kuro…?"
Aber es war nicht Kuro.
Es war ein Schatten.
Ein Schatten mit seinem Gesicht.
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5 – Das Trugbild
Raito stolperte zurück. Die anderen verschwanden im Nebel, ihre Stimmen wurden zu bloßen Echos.
„Was ist das…?"
Der Schatten bewegte sich auf ihn zu, spiegelte jede seiner Bewegungen.
„Du bist schwach."
Raito kniff die Augen zusammen. „Verschwinde."
Der Schatten lachte. „Du kannst mich nicht loswerden. Ich bin ein Teil von dir."
Ein Luftzeichen formte sich in Raitos Handfläche. Licht flackerte auf.
„Dann werde ich dich zerstören."
Der Schatten lachte erneut. „Versuch es."
Raito stieß die Hand nach vorn – doch bevor sein Angriff den Schatten traf, war er verschwunden.
Und die Stimmen im Nebel lachten weiter.
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6 – Der Preis der Wahrheit
Plötzlich – eine Hand auf seiner Schulter.
„Raito!"
Er wirbelte herum. Haru stand vor ihm, sein Gesicht voller Sorge.
„Bist du in Ordnung?"
Raito atmete schwer. „Ja… Ich glaube schon."
„Gut. Denn wir sind da."
Der Nebel lichtete sich – und vor ihnen lag eine massive, schwarze Toranlage.
Sayaka trat nach vorne. „Willkommen in Shinkai."
Das Tor öffnete sich mit einem tiefen Grollen. Dahinter erstreckte sich eine Stadt in Ruinen, ihre Straßen in Schatten gehüllt.
Etwas bewegte sich im Dunkeln.
Sayaka drehte sich zu ihnen um.
„Von hier an gibt es kein Zurück."
Raito ballte die Fäuste.
„Dann gehen wir weiter."
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Fortsetzung folgt…