Kaylden Veyl war der Dieb

Die Sonne schien hell auf die Schlossgründe, während die Vorbereitungen für die große Willkommenszeremonie von Kalden Veyl in vollem Gange waren. Das gesamte Königreich war voller Vorfreude, und die Atmosphäre war lebendig, erfüllt von Aufregung und Energie. Arbeiter eilten, um Girlanden aus goldenen Blumen entlang der großen Treppe zu platzieren, während Diener die Marmorböden in der großen Halle polierten. Banner in tiefem Purpur und Gold schmückten die Wände und schwankten leicht in der sanften Brise, während sie von jeder Säule und jedem Bogen hingen. Die Luft war erfüllt vom Duft frischer Blumen und polierten Holzes, der Art von Duft, die von königlichen Feiern kündete.

Die königliche Familie, normalerweise gefasst und würdevoll, war uncharakteristisch beschäftigt. Die Präsenz der Königin war in jeder Ecke zu spüren, als sie persönlich die Vorbereitungen überwachte und sicherstellte, dass jedes Detail für die Ankunft der beiden Figuren, die so viel Aufregung verursacht hatten, perfekt war. Der König war ebenso involviert, sprach mit Diplomaten, gab Anweisungen und überprüfte die Vorbereitungen. Selbst sein üblicherweise ruhiges und gefasstes Verhalten hatte sich in eines der Dringlichkeit verwandelt. Es war klar, dass dies nicht nur eine weitere Veranstaltung war – es war etwas viel Größeres.

Die Menschen, die sich versammelt hatten, um zu dekorieren und vorzubereiten, waren voller Freude, ihre Gesichter strahlten vor Aufregung. Es kam nicht oft vor, dass dem Königreich ein so großes Spektakel geboten wurde, besonders eines, das solch wichtige Persönlichkeiten involvierte. Die Straßen waren mit Bannern und Kränzen gesäumt, und überall, wo man sich hinwandte, gab es fröhliche Gesichter und geschäftiges Treiben. Gelächter erfüllte die Luft, während Diener plauderten, während sie arbeiteten, und Adlige aufgeregte Flüstergespräche führten.

Aria jedoch stand abseits von all dem, ihr Gesicht verriet keine Spur von Aufregung oder Freude. Sie beobachtete mit schwerem Herzen, wie alle um sie herum eilten, um alles perfekt zu machen, aber in ihrer Brust war kein Nervenkitzel. Die bevorstehende Ankunft der beiden bedeutendsten Personen in ihrem Leben – ihr älterer Bruder und der mysteriöse Kalden Veyl – war nichts, worauf sie sich freute.

Ihr Bruder. Der Gedanke allein ließ ihren Magen sich zusammenziehen. Es lag nicht nur daran, dass er ihr Bruder war; es waren die Erinnerungen an ihre früheren Begegnungen, die ständige Qual und der emotionale Schmerz, den er ihr zugefügt hatte. Jetzt, mit der Ankunft von Kalden Veyl, dem mächtigen und mysteriösen Meister, verdoppelten sich ihre Ängste. Sie hatte den Mann nie getroffen, aber allein sein Ruf hatte Furcht in ihr Herz geschlagen. Zu allem Überfluss war Aria immer noch als Magd gefangen, gezwungen, bei der Party zu dienen, während die anderen als Gäste teilnehmen würden. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, vor allen gedemütigt zu werden.

Als Magd während eines so bedeutenden Ereignisses zu arbeiten, fühlte sich wie die ultimative Schande an. Es war unmöglich zu erwarten, dass sie ihrem Bruder, dem Mann, der sie quälte, und einem mächtigen Meister dienen konnte, ohne weitere Demütigungen zu ertragen. Aber trotz ihres inneren Aufruhrs wusste sie, dass sie keine Wahl hatte. Ihre Pflichten waren zugewiesen, und egal wie sehr sie sich wünschte, dem zu entgehen, es gab kein Entkommen. Die Tatsache, dass sie solche Qualen ertragen musste, um im Schloss zu bleiben, war eine harte Realität, die sie nicht ändern konnte.

Mit schwerem Herzen und einem Kopf voller Furcht stürzte sich Aria in die Vorbereitungen, wissend, dass es das Einzige war, was sie tun konnte. Es gab keinen Raum für Rebellion oder Verweigerung, nicht wenn der König und die Königin, ihre Eltern, bereits ihre Befehle gegeben hatten. Das Beste, was sie tun konnte, war, ihre Pflichten schnell zu erledigen und zu versuchen, ihr Unbehagen zu verbergen. Und glücklicherweise tat sie das. Die Diener waren flink gewesen, hatten fleißig gearbeitet, und bald war alles bereit. Das Schloss glänzte, die große Halle war für Könige würdig.

Als die letzten Momente der Vorbereitung vergingen, stand die lang erwartete Ankunft von Kalden Veyl bevor. Zuerst machte der Sohn des Königs, Arias ältester Bruder, seinen Auftritt. Die Menge teilte sich, und Arias Augen weiteten sich, als ihr Bruder die Halle betrat.

Sein Name war Edward, und er war ein großer, breitschultriger Mann mit einer befehlenden Präsenz. Er trug königliche Kleidung, eine feine Tunika aus tiefem Marineblau mit silberner Stickerei, die bei jeder Bewegung schimmerte, ein Symbol seines edlen Blutes. Er ging mit Selbstvertrauen, seine Schritte bedacht und gemessen. Die Menge jubelte, und viele Adlige traten vor, um ihn zu begrüßen, offensichtlich respektvoll gegenüber dem erstgeborenen Sohn.

Aria versteifte sich, als sie ihn sah, ihr Magen verknotete sich bei dem Gedanken, ihm gegenübertreten zu müssen. Seine kalten Augen schweiften durch den Raum und landeten kurz auf ihr, bevor sie weiterwanderten. Aber Aria konnte spüren, wie sein Blick einen Moment zu lang verweilte. Ihr Bruder hatte eine Art, sie klein und unbedeutend erscheinen zu lassen, und sie hasste die Art, wie er sie ansah. Der Moment verging, und die Jubelrufe hielten an.

Kurz darauf traf der zweite Gast ein.

Der Klang einer weiteren Prozession erfüllte den Hof, diese leiser, aber irgendwie bedrohlicher. Die Atmosphäre schien sich zu verändern, als ein einzelner Reiter an den Toren erschien.

Kalden Veyl.

Das Gemurmel der Menge verstummte augenblicklich. Er war eine in Geheimnis gehüllte Gestalt, sein dunkler Umhang flatterte im Wind. Sein Gesicht war teilweise durch die Schatten seiner Kapuze verborgen, aber selbst ohne ihn deutlich zu sehen, war das schiere Gewicht seiner Präsenz unbestreitbar.

Es lag eine spürbare Energie in der Luft, als alle im Raum ihn ehrfürchtig anstarrten. Die machtvolle Aura, die ihn umgab, war unbestreitbar. Es war nicht nur sein Erscheinungsbild, das Aufmerksamkeit gebot, sondern die Luft um ihn herum schien sich seinem Willen zu beugen. Die Flüstereien, die sich im Raum ausbreiteten, waren sowohl von Furcht als auch von Respekt erfüllt.

Er stieg mit einer geschmeidigen, fließenden Bewegung ab, jede seiner Bewegungen strahlte eine mühelose Kraft aus. Ohne auf eine Vorstellung zu warten, schritt er auf die königliche Familie zu.

"Meister Veyl," begrüßte ihn der König, sein Ton formell, aber mit Respekt durchsetzt. "Es ist eine Ehre, Sie in unserem königlichen Haus willkommen zu heißen."

Kalden neigte leicht den Kopf, sein Ausdruck unlesbar. Seine Stimme war kalt und distanziert. "Eure Majestät."

Die Königin trat vor, ihr Lächeln warm trotz der Kälte in seinem Verhalten. "Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Meister Veyl. Wir fühlen uns geehrt, Sie hier zu haben."

Kaldend purpurrote Augen schweiften über die versammelten Adligen, verweilten nur kurz, bevor sie zum König zurückkehrten. "Ich vertraue darauf, dass die Vorkehrungen für die Überwachung des magischen Zaubers angemessen sind?"

"Natürlich," versicherte ihm der König, obwohl er leicht nervös von Kaldens Direktheit zu sein schien. "Alles ist vorbereitet, wir können morgen nach Ihrer Ruhe mit der Überwachung des Prozesses beginnen."

Der Austausch ging weiter, aber Aria hörte ihn kaum. Weit vom Zentrum der Aufmerksamkeit entfernt positioniert, kämpfte sie darum, auch nur einen Blick auf Kaldens Gesicht zu erhaschen. Seine Kapuze, kombiniert mit der Entfernung, machte es nahezu unmöglich. Sie spürte einen Anflug von Verärgerung – wenn der gesamte Palast wegen dieses Mannes in Aufruhr geraten war, wollte sie wenigstens sehen, wer er war und was der ganze Trubel sollte.

Aber die Gelegenheit verging, als Kalden mit der königlichen Familie und ihrem Bruder in der großen Halle verschwand.

Die Menge begann sich aufzulösen und ließ Aria im Schatten des Torbogens stehen. Sie stieß einen leisen Seufzer aus, Frustration brodelte unter ihrer stoischen Fassade. Trotz all des Trubels hatte sie diesen sogenannten mächtigen Meister immer noch nicht deutlich gesehen. Vielleicht war es besser so. Je weniger sie wusste, desto weniger kümmerte es sie.

Gerade als sie sich zum Gehen wandte, zwang sie etwas, noch einmal zurückzublicken. Ihre Augen huschten zum Eingang der Halle, und da geschah es.

Die Gestalt am Türeingang drehte sich um, als ob sie ihren Blick spürte. Kalden Veyl. Seine Kapuze nun gesenkt, enthüllte scharfe, gemeißelte Züge und diese durchdringenden purpurroten Augen.

Aria stockte der Atem. Ihr Puls beschleunigte sich, als ihr Blick sich mit seinem kreuzte. Sein Ausdruck war ruhig, aber distanziert, der schwächste Hauch von Neugier und ein spöttischer Blick flackerten in seinen Augen, als sie sich in ihre bohrten.

Sie erstarrte, ihre Gedanken rasten. Da war etwas unheimlich Vertrautes an ihm, etwas, das sie nicht einordnen konnte – bis es klick machte.

Warte... Was?!

Ihr Herz pochte laut in ihrer Brust, als die Erkenntnis in ihr dämmerte. War das nicht der Dieb? Der sogenannte Dieb, dem ich gestern im Garten begegnet war?

Schock durchfuhr sie, als Erinnerungen an ihre kurze Begegnung zurückfluteten. Warte, sie hatte tatsächlich einen mächtigen Meister einen Dieb genannt und obendrein nicht einmal respektvoll mit ihm gesprochen, sondern nur mit Dreistigkeit, oh nein!!!

Er... Er war der mächtige Meister?