Ritter in Rosa Kleidung

Sumayas Atem kam in kurzen, ungleichmäßigen Stößen, als sie durch den überfüllten Flur eilte, ihr Herzschlag donnerte in ihren Ohren. Jeder Schritt brannte, jeder Blick über ihre Schulter sandte neue Panikschübe durch ihre Adern. Sie musste Olivia finden. Jetzt.

Ihre Turnschuhe quietschten auf dem polierten Boden, als sie um die Ecke bog – so nah, nur noch ein bisschen weiter – aber ein heftiger Ruck an ihrem Rucksack hätte sie fast zu Boden geschleudert.

"Hab dich!"

Jennas Stimme klang triumphierend, ihr Griff war wie Eisen. Sumaya knirschte mit den Zähnen und versuchte, sich loszureißen, entschlossen weiterzugehen, aber Bree stand bereits vor ihr und blockierte ihren Fluchtweg mit einem selbstgefälligen Grinsen.

"Hör auf zu rennen, du Freak," keuchte Bree, noch immer atemlos von der Verfolgungsjagd.

Dann kam der Stoß. Es war nicht nur ein Schubs – es war eine absichtliche, gewaltsame Kraft, die sie gegen die Schließfächer schleuderte. Das kalte Metall bohrte sich in ihren Rücken und ließ ihre Knochen erzittern. Sie atmete scharf aus, Schmerz flammte ihren Rücken hinauf.

Sie hatten sie in die Enge getrieben.

Jenna und Bree standen zu beiden Seiten von ihr, keuchend, aber zufrieden. Und dann – wie eine Königin bei ihrem großen Auftritt – erschien Amanda.

Sie ließ sich Zeit, zupfte die Ärmel ihres Designerpullovers zurecht, während sie zu ihnen schlenderte, ihr blondes Haar wippte in perfekten Wellen. Sie wirkte nicht einmal außer Atem. Dieses Grinsen von ihr – arrogant, giftig – war bereits auf ihrem Gesicht, als sie vor Sumaya stehen blieb, die Arme verschränkt.

"Da bist du ja," sagte sie gedehnt, als wäre Sumaya ein verlaufenes Haustier. Jenna und Bree verstärkten ihren Griff, ihre Finger gruben sich in Sumayas Arme. "Warum läufst du ständig vor uns weg?"

Sumaya ballte ihre Fäuste und schluckte die scharfe Erwiderung hinunter, die auf ihrer Zunge brannte.

Amanda seufzte theatralisch. "Ernsthaft, du musst aufhören, vor deinem Schicksal davonzulaufen." Ihr Grinsen wurde breiter. "Und warum zum Teufel lebst du überhaupt noch?"

Jenna und Bree kicherten und labten sich an Amandas Grausamkeit.

"Wir waren so sicher, dass du es gestern Nacht nicht aus diesem Wald schaffen würdest," sagte Bree, ihre Stimme triefte vor Belustigung. "Wie hast du das geschafft?"

"Vielleicht..." Jenna tat so, als würde sie tief nachdenken, dann beugte sie sich vor, ihre Stimme sank zu einem übertriebenen Flüstern, "ist sie wiederauferstanden." Sie keuchte, drehte sich mit weit aufgerissenen Augen zu Bree um und brach dann in einen weiteren Lachanfall aus.

Amanda kicherte. "Nun, das ist eine interessante Theorie." Sie tippte mit einem manikürten Nagel gegen ihre Lippen, tat so, als würde sie es in Betracht ziehen, und nickte dann Jenna und Bree zu. "Das sollten wir definitiv testen."

Sie grinste Sumaya an. "Lass uns sehen, ob du wirklich von den Toten zurückkommen kannst."

Sumaya versteifte sich, als Panik ihre Brust ergriff. Sie kämpfte, aber Jenna und Brees Hände drückten noch fester zu.

Amandas Handfläche traf ihr Gesicht, bevor sie sich darauf vorbereiten konnte, der Stich brannte über Sumayas Wange, ihr Kopf schnellte zur Seite. "Hör auf zu kämpfen," schnappte Amanda.

"Ich glaube, sie hat Angst," neckte Bree, ihr Atem warm an Sumayas Ohr.

"Das sollte sie auch." Amanda fuhr mit einem Finger entlang Sumayas Kiefer, bevor sie es packte und sie zwang, ihrem Blick zu begegnen. Ihr Lächeln war pure Bosheit. "Denn ich habe so viele Dinge, die ich an ihrem freakigen Körper ausprobieren möchte."

Sumaya starrte sie wütend an, Wut brodelte unter dem Schmerz. Amanda höhnte nur und verstärkte ihren Griff um Sumayas Kiefer.

"Sieh mich nicht so an," warnte sie. Sie lehnte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: "Gib dir selbst die Schuld dafür, dass du ein Freak bist. Ich wette, deshalb haben deine Eltern dich in diesem Waisenhaus wie Müll zurückgelassen."

Sumaya stockte der Atem, die Worte durchschnitten sie wie eine Klinge.

Sie hatte schon früher darüber nachgedacht, spät in der Nacht, wenn die Einsamkeit hereinschlich. Warum haben sie mich verlassen? Hatten sie Angst vor ihr? Hatten sie sie verlassen, weil sie anders war?

Das war die eine Wunde, die vielleicht nie heilen würde. Ihre Fragen, auf die sie vielleicht nie eine Antwort finden würde.

Jenna und Bree kicherten. "Oh, schau dir ihr Gesicht an! Sie sieht so traurig aus." Jenna gurrte spöttisch. "Sie wird gleich weinen."

Ihr Gelächter ging weiter, Sumaya verschwammen ihre Stimmen. Ihr Puls dröhnte in ihren Ohren und übertönte die Sticheleien, die grausamen Worte—

Sie bemerkten die drei Augenpaare nicht, die zusahen.

Marrok, Ulva und Raul standen in einiger Entfernung, bewegungslos und beobachteten die Szene.

Rauls Augenbrauen zogen sich zusammen, als er sich umschaute. So etwas hatte er noch nie gesehen.

Nicht so. Nicht in aller Öffentlichkeit, am helllichten Tag, wo Schüler vorbeigingen, als würde nichts passieren, als wäre das normal. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. "Ist das... normal?" flüsterte er zu Marrok.

Keine Antwort, er sah ihn an. Marrok war angespannt, die Schultern steif, der Kiefer zusammengepresst. Aber es war nicht nur Anspannung. Etwas anderes ging vor.

Raul konnte es sehen – wie seine Finger sich krümmten und wieder streckten, das Flackern von etwas Dunklem in seinen Augen. Marrok kämpfte gegen etwas an.

Marrok führte einen echten Kampf in sich selbst – mit Zeev.

Der Wolf in ihm lief auf und ab, ruhelos. Nein – ruhelos war nicht das richtige Wort. Er kochte vor Wut.

"Hilf ihr", schnappte Zeev. "Sofort."

Marrok atmete durch die Nase aus und versuchte, sich zu beruhigen. "Wir mischen uns nicht ein."

"Bist du blind? Sie behandeln sie wie Beute."

"Sie ist nicht unser Problem."

Zeevs Knurren dröhnte durch seinen Kopf. "Geh. Hilf. Ihr. Verdammt."

"Warum?" Marroks Finger gruben sich in seine Handflächen. "Willst du, dass Ulva und Daciana wieder missverstehen?"

"Wen kümmert es, was dieser Clown und ihr Köter denken?" knurrte Zeev. "Dieses Mädchen braucht Hilfe."

Marrok schluckte das Knurren hinunter, das in seiner Kehle aufstieg. Er konnte es spüren – Zeev wollte raus. Und das war gefährlich.

"Du bindest dich zu sehr an ein Mädchen, das wir kaum kennen."

"Und du tust nichts, außer dazustehen wie ein verdammter Feigling," spuckte Zeev.

Marroks Zähne mahlten aufeinander. Er würde nicht mit seinem Wolf mitten in einem Flur streiten, nicht jetzt, nicht wenn er schon darum kämpfte, ihn unter Kontrolle zu halten.

Dann sprach Raul und trat einen Schritt vor. "Ich werde ihr helfen."

"Nein."

Das Wort kam von zwei Stimmen, Marrok und Ulva. Raul drehte sich um, die Stirn runzelnd.

Ulva spürte, wie Erleichterung sie durchströmte, sie hatte Marrok genau beobachtet, darauf gewartet, dass er sich bewegte, etwas tat. Die Art, wie er sich verhielt, seit sie dieses seltsame Mädchen getroffen hatten, war... seltsam.

Und das gefiel ihr nicht.

Aber jetzt, als sie sah, wie er Raul aufhielt – als sie sah, dass er nicht die Absicht hatte, einzugreifen – beruhigte sich etwas in ihr.

Gut. Das bedeutete, dass sie sich keine Sorgen um dieses Mädchen machen musste, sie lächelte leicht.

Aber was sie nicht wusste, war, dass für einen Moment Zeev die Kontrolle übernommen hatte, entschlossen, derjenige zu sein, der das Mädchen rettete – nicht Raul.

Marrok drängte ihn mit all seinem Willen zurück.

Zur Hölle, ich lasse dich nicht raus.

Rauls Augenbrauen zogen sich noch mehr zusammen. "Warum?" forderte er. "Sie hat mir gestern geholfen, lass mich wenigstens—"

Eine Stimme durchschnitt die Spannung.

"Amanda!" Der scharfe, befehlende Ton ließ die Köpfe drehen. Amandas Lakaien erstarrten.

Und da, den Flur hinunterstürmend wie ein Hurrikan, war ein Mädchen in Pink gehüllt.

Gekleidet in eine kaugummirosa Kurzjacke über einem weißen Top, hochgeschnittene Jeans und passende rosa Turnschuhe, stürmte Olivia den Flur hinunter, als würde er ihr gehören.

Ihre blonden Locken wippten wild, ihre strahlend blauen Augen loderten warnend. Ihre manikürten Hände waren bereits in die Hüften gestemmt, und sie sah aus, als würde sie sich jeden Moment auf Amanda stürzen.

"Du und deine hirnlosen Handlanger lasst besser sofort meine BFF los!"

Sumayas Lippen zuckten zu einem Grinsen. "Endlich," seufzte sie erleichtert.

Ihre Rettung. Ihre beste Freundin. Ihr Ritter in rosa Kleidung ist endlich hier, und was für einen Auftritt sie hinlegte.