Denke nicht, dass Gefährten existieren

Amelies Blick huschte durch den Raum, während sie zögernd ihre Umgebung musterte. Gabriel deutete auf den Sessel. "Setz dich", sagte er. "So können wir besser reden."

Sie bewegte sich langsam, als würde sie von unsichtbaren Ketten beschwert, bevor sie sich in den Sessel sinken ließ.

Schließlich holte sie zitternd Luft und umklammerte den Stoff ihrer Hose. "Ich bin schwanger", offenbarte sie ihm. "Es tut mir leid, dass ich es vor dir verheimlicht habe."

Sie spürte seinen intensiven Blick auf sich, aber sie zuckte nicht zusammen. Sie musste es sagen - die Wahrheit offenlegen. "Letzte Nacht war ich verzweifelt. Ich brauchte Schutz, und du warst die einzige Option, die ich sah. Deshalb bat ich dich, mit mir zu schlafen, in der Hoffnung, dass es mir Zeit verschaffen würde - mich vor den Wölfen schützen würde, die mich jagen." Ihre Finger verstärkten ihren Griff, die Knöchel wurden weiß. "Ich weiß, ich habe dich getäuscht, aber ich tat es für das Leben, das in mir wächst. Ich meine... ich dachte, wenn ich dir die Wahrheit sage, würdest du mich vielleicht aus dem Hotel werfen. Aber ich konnte dich nicht länger im Dunkeln lassen. Du hattest ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren."

Gabriel schwieg, und Amelie spürte ihr Herz gegen ihre Brust hämmern. War er wütend? Würde er sie bestrafen?

"Ich weiß, was du denkst", fuhr sie fort. "Du glaubst wahrscheinlich, ich benutze mein ungeborenes Kind als Ausrede, um mich zu retten. Aber ich schwöre, das stimmt nicht. Wenn es nicht wegen dieses Babys wäre, hätte ich den Tod akzeptiert. Ich wollte nur... ich wollte nur mein Kind beschützen und du hast dich geweigert mir zu helfen. Deshalb sagte ich 'schlaf mit mir'."

Jetzt wurde die Stille für sie unerträglich. Sie war auf seinen Zorn gefasst.

Doch dann sprach Gabriel endlich: "Ich wusste, dass du schwanger bist."

Amelie erstarrte an Ort und Stelle, während sich ihre Augen vor Unglauben weiteten. Ihre Finger, die eben noch den Stoff ihrer Hose umklammert hatten, lagen nun regungslos in ihrem Schoß. Sie starrte ihn einfach an, ihr Verstand kämpfte damit, seine Worte zu verarbeiten.

"Was?" Die Erschütterung in ihrer Stimme war unverkennbar. "Wenn du wusstest, dass ich schwanger bin, warum hast du dann nichts gesagt?" Ihre Stimme wurde etwas lauter, ihr Blick traf ungläubig auf seinen.

Gabriel erwiderte ihren Blick ruhig. "Ich sagte doch, ich könnte einen Wolf an dir riechen", erinnerte er sie. "Ich spürte die Präsenz eines anderen Lebens in dir. Warum glaubst du, habe ich mich zurückgehalten von..." Er brach ab, sein durchdringender Blick wurde weicher, als er ihre tränengefüllten Augen sah.

Amelie schluckte schwer, ihre Stimme zitterte, als sie sprach. "Ich fühle mich wie eine Frau ohne Würde", flüsterte sie. Ihre Schultern bebten leicht, aber sie weigerte sich wegzusehen. "Ich - ich hatte letzte Nacht Angst. Für mich warst du die einzige Hoffnung."

Gabriel lehnte sich leicht vor. "Und ich wurde zu dieser Hoffnung, oder?" fragte er mit fester Stimme.

Amelie hatte keine Antwort. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, während eine einzelne Träne ihre Wange hinunterlief. "Du hättest mir auch helfen können, ohne mit mir zu schlafen", sagte Amelie.

"Ich habe dir geholfen, Amelie. Glaubst du wirklich, dieser Wolf kam nicht nach dir suchen, auch als ich log, du seist meine Gefährtin?" Er hob eine Augenbraue. "Ich wollte nur sehen, wie weit du gehen würdest, um dein Kind zu retten. Jeder nennt mich den Bastardprinzen, aber selbst ich habe einen Funken Güte in meinem Herzen."

Er machte eine Pause, sein durchdringender Blick auf sie gerichtet. "Aber was ich nicht ignorieren konnte, war die Anziehung, die ich zu dir spürte. Deshalb küsste ich bestimmte Stellen deines Körpers - aber ich hielt mich davon ab, weiterzugehen. Du kannst nicht leugnen, dass auch du diese Küsse willkommen geheißen hast."

Amelies Schultern zitterten, stille Tränen liefen ihre Wangen hinunter. Er erhob sich von seinem Platz, ging auf sie zu und hob ihr Kinn sanft mit seinen Fingern. Er wischte ihre Tränen weg, während sein Daumen einen Moment länger als nötig verweilte.

"Ich hasse weinende Frauen", murmelte er.

Amelies Tränen versiegten, und sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Inzwischen hatte Gabriel ihr Kinn losgelassen und war einen Schritt zurückgetreten.

"Der Arzt wird morgen nach dir sehen", sagte er. "Wie ich schon sagte, ich brauche dich an meiner Seite - vorerst. Es gibt etwas, das ich überprüfen muss, also bleib hier. Ich werde dich nicht davon abhalten, zu tun, was du möchtest."

Amelie senkte den Blick, ihre Finger verschränkten sich gedankenverloren in ihrem Schoß. "Was musst du überprüfen?" fragte sie. "Und ich möchte, dass du ehrlich zu mir bist."

Gabriels Ausdruck blieb neutral, als er antwortete: "Ob du meine Gefährtin bist oder ob dies nur... Anziehung ist. Wenn es sich als bloße Anziehung herausstellt, werde ich dich bitten zu gehen."

Amelie lachte bitter auf und schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass es Gefährten gibt", behauptete sie, ihre Stimme von Schmerz gefärbt.

Gabriels Stirnrunzeln vertiefte sich bei ihren Worten. "Warum denkst du das?" fragte er, während seine violetten Augen sie aufmerksam studierten.

"Wenn es Gefährten wirklich gäbe, wäre ich nicht verraten worden." Ihre Stimme zitterte, und sie ballte ihre Hände zu Fäusten. "Mein vorherbestimmter Gefährte hat mich abgelehnt, weil er mich nicht für würdig hielt. Und du wirst es nicht glauben - er betrog mich mit meiner eigenen Schwester." Sie schluckte schwer, ihre Brust wurde eng. "Ich - ich dachte, er liebte mich, aber es war alles eine Lüge. Als er herausfand, dass ich schwanger bin, beschloss er, mich zu töten." Ihr Atem wurde unregelmäßig, als die Erinnerungen hochkamen. "Ich hörte zufällig seine Krieger darüber reden, wie der Alpha mich tot sehen wollte."

Amelies Herz schmerzte bei dem grausamen Verrat, den sie erlitten hatte.

"Also stellte sich dein Ex-Gefährte als Mistkerl heraus", bemerkte Gabriel in einem Satz.

Amelie stieß einen zittrigen Atemzug aus. "Ja", flüsterte sie. "Ich werde niemals zulassen, dass mein Baby von seinem Vater erfährt. Es würde meinem Baby nur wehtun zu wissen, dass... dass..." Ihre Stimme versagte, und ihre Lippen zitterten, unfähig den Satz zu beenden.

Gabriel beobachtete sie, aber seine Gedanken schweiften ab. Ihre Worte hatten etwas tief in ihm aufgewühlt - Erinnerungen und Schmerz, die er lange begraben hatte. Waren alle Mütter so? Beschützten sie ihre Kinder alle instinktiv mit solch wilder Hingabe?

Wenn das der Fall war... warum war seine Mutter dann nicht so gewesen?

"Ich hoffe, du wirst dieses Baby sicher zur Welt bringen", murmelte Gabriel.

Amelie blickte mit Dankbarkeit in den Augen zu ihm auf. "Ich werde deine Güte mir gegenüber nie vergessen, Gabriel. Ich hätte letzte Nacht mein Baby verlieren können, wenn - wenn du mich nicht mitgenommen hättest. Es tut mir leid wegen meiner früheren Konfrontation."