KAPITEL 1

"Ihr Ehemann ist eingetroffen, Dame Valentina."

Die Stimme des Dienstmädchens war ruhig, aber das leichte Zittern ihrer Hände, während sie den Saum ihrer rosa Uniform umklammerte, verriet ihre Unruhe.

Sie verharrte an der Türschwelle, unsicher, ob sie weiter ins Zimmer treten oder auf eine Antwort warten sollte.

Jedoch stand Valentina regungslos am Fenster. Das durch das Glas einfallende Sonnenlicht warf einen sanften Schimmer auf ihr weißes Kleid, das wie ein Schleier aus unberührtem Schnee bis zum Boden fiel. Es schmiegte sich auf eine Weise an ihren Körper, die von Eleganz zeugte, doch lag eine Leere darin, wie sie es trug – wie eine Braut, die sich für die Geschichte eines anderen kleidet.

In diesem Moment strichen ihre behandschuhten Finger gedankenverloren über die Fensterbank, das dicke Material dämpfte das Geräusch. Die langen Ärmel ihres Kleides ließen keinen Raum für nackte Haut, ihr Körper war unter Stoffschichten verborgen, als wären sie ein Schutzschild.

"Soll ich ihn hereinlassen?" fragte das Dienstmädchen erneut, diesmal leiser. Sie versuchte, Valentinas Blick einzufangen, aber es war unmöglich. Valentinas Gesicht und Hals waren in weiße Schals gehüllt, die präzise und eng gewickelt waren und ihre Gesichtszüge vollständig verbargen.

Nur ihre Augen waren sichtbar – blau, unglaublich hell, leuchtend mit einem überirdischen Licht, das die Barrieren zu durchdringen schien, die sie errichtet hatte. Diese Augen waren einst eine Quelle der Bewunderung gewesen, in Ecken geflüstert als die schönsten in der Callum-Familie. Jetzt trugen sie eine Last, die jeden zum Schweigen brachte, der es wagte, zu lange hinzusehen.

Valentina Callum stand im Schatten des großen Vermächtnisses ihrer Familie, ihr Name, einst mit Stolz ausgesprochen, war nun auf Flüstern von Mitleid und Vermeidung reduziert.

Als erste junge Dame der Callum-Familie schrieb die Tradition vor, dass sie, die älteste Tochter, vor ihren jüngeren Geschwistern heiraten musste. Aber Tradition hatte ihre Grenzen, und seit über einem Jahrzehnt hatte ihr Zustand sie in den Augen potenzieller Freier unwürdig gemacht.

Ihre Stiefschwester, Chloe Callum, sollte in wenigen Tagen heiraten, die Luft im Callum-Anwesen summte vor Vorbereitungen und Aufregung. Sie konnte sich Chloes Lachen vorstellen, das durch die Hallen hallte, während sie über Blumenarrangements und Kuchendesigns diskutierten, ihr Verlobter immer an ihrer Seite, lächelnd, als ob sich seine Welt um sie drehen würde. Für alle anderen schien es wie Liebe.

Aber Valentina konnte es nicht so nennen. Nicht, wenn Chloes "Liebe" ein Preisschild trug – genau hunderttausend Dollar.

Das Angebot war natürlich nicht für Chloe. Es war für Valentina. Chloes zukünftiger Ehemann hatte die Summe angeboten, um sicherzustellen, dass die Tradition der Familie nicht gebrochen wurde. Er würde jeden bezahlen, der bereit war, Valentinas Hand zur Ehe zu nehmen, und so den Weg für seine eigene Hochzeit freimachen, ohne einen Skandal zu riskieren.

In diesem Moment ballte Valentina ihre Fäuste, während sie in ihrem Zimmer saß und den sanften Schimmer ihres Spiegelbildes betrachtete.

Ihre leuchtend blauen Augen waren der einzige Teil von ihr, der noch lebendig, lebendig, trotzig wirkte. Der Rest von ihr, in Schichten von weißen Schals und Handschuhen gehüllt, fühlte sich wie ein Phantom an – eine Frau, die niemand wagte, zu lange anzusehen.

Ohne dass es ihr gesagt werden musste, wusste sie, dass sie sie nicht verheirateten; sie stießen sie weg.

Sie war eine Last, die sie nicht erwarten konnten loszuwerden, ein Schatten auf dem Namen Callum. Die Heirat würde ihr ihren Familientitel, ihren Namen und jeden zerbrechlichen Faden der Zugehörigkeit, den sie noch hatte, nehmen.

Und sobald ihr Name nicht mehr Callum wäre?

Sie wäre schlimmer als eine Fremde für sie oder irgendjemanden.

Valentinas leuchtend blaue Augen folgten dem Mann, als er aus dem Taxi stieg und eilig in das Callum-Anwesen eilte.

Die Sonne reflektierte auf der abblätternden Farbe des alten Autos, ein starker Kontrast zur Pracht ihres Familienhauses. Von ihrem Platz am Fenster aus konnte sie seinen zerlumpten Mantel sehen, der beim Gehen flatterte, seine Haltung steif, als ob er sich auf das vorbereitete, was drinnen auf ihn wartete.

Ihr Kiefer spannte sich an.

'Er ist wahrscheinlich wegen des Geldes gekommen,' dachte sie bitter, ihre Hände streiften den Rand der Fensterbank.

Das Kopfgeld von hunderttausend Dollar, das ihre Familie auf sie ausgesetzt hatte, hatte endlich jemanden angelockt, der verzweifelt genug war.

Selbst nachdem der Mann im Haus verschwunden war, verweilte Valentina am Fenster, die kalte Luft, die durch das Glas sickerte, war eine willkommene Ablenkung.

Jedoch hatte sie kaum Zeit, sich zu sammeln, bevor die Tür aufgerissen wurde und Lucas Stimme erklang, die die Stille durchbrach.

"Val! Dein Ehemann ist hier!" Der Junge, nicht älter als neun, stürmte auf sie zu, seine kleinen Arme schlangen sich fest um ihre Taille. Seine Aufregung war nicht zu bändigen, sein Gesicht leuchtete vor unschuldiger Neugier. "Komm runter! Du musst ihn sehen! Er ist wirklich groß, und seine Haare –" Luca hielt inne, warf seine Hände dramatisch in die Luft, "– seine Haare sind so lang, wie, super lang! Oh, und er hat einen Bart! Einen langen! Ich dachte, du magst keine Männer mit Bärten, Val? Warum hat dein Ehemann einen?"

Als sie hörte, was Luca gerade gesagt hatte, zwang sich Valentina zu einem Lächeln, ihre behandschuhte Hand ruhte leicht auf Lucas Schulter.

"Muss ich dir alles erzählen, Luca?" sagte sie, ihre Stimme sanft, aber von Müdigkeit durchzogen. "Manche Dinge musst du einfach selbst herausfinden."

"Aber du musst kommen!" bestand Luca darauf, ergriff ihre Hand und zog mit der ganzen Dringlichkeit eines Kindes auf einer Mission.

"Lass ihn nicht warten, Val. Komm schon!"

Widerwillig ließ Valentina sich von ihm aus dem Zimmer führen, ihre Schritte langsam und bedächtig, als ob jeder das Gewicht von hundert Gedanken tragen würde. Als sie die große Treppe erreichten, konnte sie ihn sehen – den Mann, der ihr Ehemann sein würde.

Er saß ihren Eltern im prächtigen Wohnzimmer gegenüber, der polierte Tisch zwischen ihnen sah aus wie ein Abgrund, der Welten trennte.

Das Gesicht ihres Vaters war stoisch, unlesbar, während ihre Stiefmutter, Marie Callum, einen Ausdruck trug, der zwischen Irritation und erzwungener Höflichkeit schwebte.

Aber es war der Mann, der Valentinas Aufmerksamkeit auf sich zog.

Seine Kleidung hing lose an seinem Körper, unpassend und abgetragen, mit ausgefransten Kanten und Flecken, die von Jahren der Vernachlässigung zeugten. Sein langes Haar war ungepflegt, fiel in ungleichmäßigen Strähnen um sein Gesicht, und sein Bart – Luca hatte nicht übertrieben – war wild und ungezähmt.

Neben ihm saßen zwei ältere Gestalten, vermutlich seine Eltern.

Ihre Kleidung war genauso zerlumpt, ihre dünnen Gestalten kauerten zusammen, als ob die Wärme des Raumes ein Luxus wäre, den sie seit Jahren nicht gekannt hatten.

Sie sahen aus, als wären sie direkt von der Straße gekommen, ihre müden Gesichter ein starker Kontrast zur makellosen Umgebung des Callum-Anwesens.

In diesem Moment verkrampfte sich Valentinas Magen, als ihre Augen zu dem Mann zurückkehrten. Er war wegen des Geldes hier. Das war sicher. Aber als sie dort stand, eine Hand leicht auf dem Geländer ruhend, konnte sie nicht anders, als sich zu fragen, welchen Preis sie wirklich für diese Vereinbarung zahlen würde.

Valentinas Magen drehte sich, als sie die Treppe hinabstieg, jeder Schritt fühlte sich schwerer an als der letzte.

Die Szene, die sich unten entfaltete, bestätigte, was sie befürchtet hatte – sie schickten sie zum schlimmstmöglichen Kandidaten, der auch nur das geringste Interesse gezeigt hatte.

Sie wusste tief im Inneren, dass jeder, der bereit war, sie zu heiraten, es nur wegen des Geldes tat.

Aber dennoch hatte sie an der schwachen Hoffnung festgehalten, dass ihre Familie jemanden Anständigen wählen würde – einen Mann mit sauberer Kleidung, einem Hauch von Würde und der Fähigkeit, ihr ohne Scham in die Augen zu sehen.

Stattdessen saß hier ein Mann, der aussah, als wäre er von der Straße gestolpert.

Als ihr Fuß die letzte Stufe erreichte, straffte sie die Schultern und zwang sich, gefasst zu bleiben. Ihre leuchtend blauen Augen huschten zum Tisch, wo offene Dokumente warteten, ihre stark weißen Seiten ein kaltes Versprechen dessen, was kommen würde.

"Val!" Lucas Stimme riss sie aus ihren Gedanken, als er an ihrer Hand zog, seine kleinen Finger fest um ihre geschlungen.

Er grinste zu ihr hoch, ahnungslos gegenüber dem Gewicht des Moments.

Seine Freude war echt, seine Aufregung ansteckend trotz der erstickenden Spannung im Raum.

Jedoch schaffte Valentina ein Lächeln und strich mit einer behandschuhten Hand leicht über sein zerzaustes Haar. Aber die Wärme war flüchtig, als ihre Stiefmutter, Marie, Luca einen scharfen Blick zuwarf, ihre stille Missbilligung laut genug, um ihn zusammenzucken zu lassen.

"Luca," rief Marie bestimmt, ihr Ton eisig.

Jedoch zögerte der Junge, schaute zwischen Valentina und seiner Mutter hin und her, seine kleinen Schultern sackten zusammen, als er Valentinas Hand losließ.

"Ich warte oben auf dich," flüsterte er, umarmte sie ein letztes Mal fest, bevor er zurücktrat.

"Geh schon," sagte Valentina sanft, ihre Stimme ruhig trotz des Schmerzes in ihrer Brust. Lucas Umarmung hatte etwas geweckt – einen Schmerz, ja, aber auch einen Funken Freude. Jemand würde sie vermissen, auch wenn es nur ein kleiner Junge war, der nicht vollständig verstand, was geschah.

Als Luca davoneilte, wandte Valentina dann ihre Aufmerksamkeit dem Mann zu, der ihrer Familie gegenübersaß. Sein ungepflegter Bart und sein langes, verfilztes Haar verdeckten den größten Teil seines Gesichts, nur seine Augen waren sichtbar. Sie waren blutunterlaufen, ein tiefes Rot, das sich von seinen ansonsten schattenhaften Zügen abhob.

Er schaute sie an – starrte wirklich – mit einer Intensität, die ihre Haut kribbeln ließ. Sein Blick war nicht grausam oder spöttisch, aber er enthielt etwas, das sie nicht ganz entziffern konnte. Und doch konnte sie sich nicht dazu bringen, ihn zu halten.

leise ging Valentina zu ihrem Platz neben ihrem Vater und ließ sich anmutig auf den Stuhl sinken, darauf bedacht, ihre Bewegungen langsam und bedächtig zu halten. Ihre leuchtend blauen Augen huschten noch einmal zu dem Mann, angezogen von seinem unnachgiebigen Starren. Für einen Moment hielt sie seinem Blick stand, ihr Atem stockte in ihrer Kehle, als etwas Unausgesprochenes zwischen ihnen hindurchging.

Sofort hallte das Geräusch von Schritten in der großen Halle wider, als der Anwalt der Callum-Familie eintrat, einen dicken Stapel Dokumente unter dem Arm tragend. Seine polierten Schuhe klickten auf dem Boden, ein scharfer Kontrast zu der Spannung, die im Raum hing.

"Ich entschuldige mich für die Verzögerung," begann er und rückte seine Brille zurecht.

"Lassen Sie uns fortfahren. Ich empfehle, dass Mr. Malcolms Familie die Dokumente gründlich durchsieht, bevor wir weitermachen. Bitte nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie mich wissen, wenn es Fragen gibt."

Jedoch bevor der Anwalt die Papiere auf den Tisch legen konnte, hob Raymonds Vater eine Hand, seine Stimme rau, aber fest. "Kein Grund, etwas zu lesen. Wir haben keine Fragen. Bringen wir es einfach hinter uns."

Seine Mutter, die neben ihm saß, nickte zustimmend, ihre zerbrechlichen Hände fest ineinander verschränkt.

Ihr Ton war leiser, trug aber die gleiche Entschlossenheit.

"Wir sind bereit."

In diesem Moment wurde Marie Callums Lächeln breiter, die Schärfe in ihrem Blick verriet ihre geübte Wärme.

"Natürlich. Wir wollen Sie nicht warten lassen," sagte sie geschmeidig. "Und Sie werden diese Verbindung nicht bereuen. Teil der Callum-Familie zu werden, bringt seine Privilegien mit sich. Wenn Sie sich jemals in Not befinden, zögern Sie nicht zu fragen. Wir kümmern uns immer um die Unseren."

Raymonds Vater neigte seinen Kopf in einem Nicken der Dankbarkeit, seine Stimme wurde weicher.

"Wir schätzen Ihre Großzügigkeit, Mrs. Callum. Danke."

Die Heiratsurkunde wurde auf dem Tisch ausgebreitet.

Der Anwalt räusperte sich, blätterte zu den Seiten, die Unterschriften erforderten.

"Beide Familien haben unterschrieben. Jetzt ist es Zeit für Braut und Bräutigam."

Valentinas Hände ruhten in ihrem Schoß, verborgen durch die dicken Handschuhe, die sie trug. Ihre leuchtend blauen Augen huschten zu dem Mann ihr gegenüber. Er hatte kein Wort gesprochen, aber seine Präsenz war imposant – größer, als seine zerlumpte Kleidung oder sein ungepflegtes Haar es hätten erlauben sollen.

Er erwiderte ihren Blick, seine Augen ruhig, suchend, als ob er versuchte, etwas in ihr zu enträtseln, das selbst sie nicht verstand.

Die Stille dehnte sich aus, geladen und schwer, bis er sie schließlich brach.

"Raymond Malcolm," sagte er, seine Stimme tief und ruhig.

Die Worte schienen zu hallen, sich in den Ecken des Raumes niederzulassen.

Er streckte seine Hand über den Tisch zu ihr aus.

Es war keine große Geste, nur das einfache Anbieten seiner Handfläche, aber es sandte einen Ruck durch Valentina, als ob die Luft zwischen ihnen sich verschoben hätte.

Ihre behandschuhte Hand schwebte für einen Moment, bevor sie sie in seine legte. Die Berührung war kurz – kaum mehr als eine Sekunde – aber die Empfindung blieb, eine seltsame, unerklärliche Wärme kroch durch ihre Brust.

In diesem Moment konnte sie nicht begreifen, was sie im Inneren fühlte, aber es war seltsam.

Jedoch veränderte sich Marie Callums Ausdruck subtil, als ihre Wangen zuckten, ihr scharfer Blick auf Valentina fiel.

"Nun, sitz nicht einfach da," sagte sie mit einem geübten Lächeln, obwohl ihr Ton keinen Raum für Widerspruch ließ. "Nimm den Handschlag des Herrn an."

Valentina blinzelte, aus ihren Gedanken gerissen. Ihre leuchtend blauen Augen huschten zu Raymonds ausgestreckter Hand, verweilten einen Moment, bevor sie schließlich ihre behandschuhte Handfläche in seine legte.

"Valentina Callum," stellte sie sich sanft vor, ihre Stimme ruhig, aber mit einer unausgesprochenen Schwere durchzogen.

In ihrem Geist wiederholte sie den Namen, ließ das Gewicht davon über sich sinken. Das ist das letzte Mal, dass ich ihn sage, dachte sie. Ihre Identität als Callum würde in dem Moment weggerissen werden, in dem sie die Papiere unterschrieb, und sie würde an nichts anderes gebunden sein als an diesen Mann und seine Familie.

In diesem Moment schob der Anwalt, effizient und unpersönlich, die endgültigen Dokumente über den Tisch. Valentina und Raymond unterschrieben in Stille, ihre Stifte glitten über das Papier wie Flüstern der Endgültigkeit.

Als sie fertig waren, erhoben sich beide Familien, eine Flut von Bewegungen brach die angespannte Stille.

Hände wurden ausgestreckt, Lächeln erzwungen und höflich.

Marie war das Bild der Zufriedenheit, ihr Grinsen so hell wie der Kronleuchter über ihnen.

In diesem Moment wandte sich Raymonds Vater an Herrn Callum und Marie, seine Stimme fest, aber aufrichtig.

"Wir werden eine richtige Hochzeit für Valentina abhalten," sagte er, die Worte überraschten alle.

Marie erstarrte für eine halbe Sekunde, bevor sie in Gelächter ausbrach, ihr scharfer Ton hallte durch den Raum. Sie winkte abweisend mit einer Hand, obwohl ihre Heiterkeit eine Schärfe hatte.

"Eine Hochzeit, sagen Sie? Nun, wann immer Sie bereit sind! Aber Sie werden die Rechnung bezahlen."