Prolog

Prolog

Auf einer Klippe stehend, mit Blick auf das endlose Meer, stand Kaelith, der Ewige Souverän.

Als vierdimensionales Wesen unterschied sich seine Wahrnehmung des Universums stark von der der Sterblichen.

Für ihn waren die Wellen unten, der wechselnde Himmel und sogar das Land selbst nichts als ein gefrorenes Gemälde – über Zeit und Raum gestreckt, alles auf einmal gesehen.

Selbst der kleine Junge, der auf ihn zurannte, mit vor Aufregung wedelnden Armen, war nur ein Flackern im Fluss der Ewigkeit – eine kurze Verbindung, die für einen Moment da war, aber im nächsten leicht verschwinden könnte.

"Opa! Opa!" rief das Kind, sein Lachen hell, unbeschwert.

Kaelith drehte sich um, seine goldenen Augen wurden weicher.

"Schau! Ich habe heute eine Zeichnung gemacht – von uns, in einem Garten!"

Die Begeisterung des Jungen war grenzenlos. Aber in seiner Eile stolperte er.

Sein kleiner Körper traf auf den Steinweg, und ein scharfer Schrei entfuhr seinen Lippen, als sein Knie über den Boden schrammte.

Kaelith schmunzelte.

Mit einer Handbewegung hoben die Winde sowohl den Jungen als auch seine Zeichnung in seine Arme. Eine weitere Geste, und die Wunde am Knie des Jungen verschwand – ausgelöscht, als hätte sie nie existiert.

Der Junge kicherte, klammerte sich an Kaeliths Hals, aber dann flackerte Neugier in seinen Augen auf.

"Opa, verletzt du dich nie?"

Kaelith lächelte schwach.

"Nein, Kleiner. Ich existiere außerhalb der Zeit. Selbst wenn ich jemals verletzt würde, würde ich es einfach korrigieren."

Der Junge blinzelte verwirrt. "Korrigieren?"

Kaeliths goldener Blick wanderte zum Horizont. Er nahm sich einen Moment Zeit, bevor er erklärte, und wählte seine Worte sorgfältig, damit das kleine Kind folgen konnte.

"Stell dir die Zeit nicht als etwas vor, durch das du dich bewegst, sondern als etwas, das bereits existiert – jeder Moment, jede Sekunde, alles auf einmal. Ein Sterblicher lebt in einem einzigen Augenblick, ist daran gebunden. Aber ein Wesen wie ich?"

Er hob seine Hand, die Finger leicht gekrümmt.

"Wenn ich in diesem Moment geschnitten würde, würde ich einfach in einen anderen Moment treten. Einen, in dem ich unberührt war. Für dich würde es wie Heilung aussehen, wie Unsterblichkeit. Aber für mich... ist es einfach eine kleine Korrektur."

Die Augenbrauen des Jungen runzelten sich nachdenklich, sein junger Verstand versuchte, etwas zu begreifen, das weit jenseits des menschlichen Verständnisses lag.

Nach einem Moment schaute er wieder auf, seine Stimme diesmal leiser.

"Nicht einmal durch ein mächtiges Schwert?"

Kaelith ließ ein leises Lachen hören. Anstatt sofort zu antworten, zeigte er auf die Zeichnung, die der Junge noch immer in den Händen hielt.

"Schau dir deine Zeichnung an. Wenn du dir selbst, hier im Bild, ein mächtiges Schwert geben würdest... Glaubst du, dass das kleine Du in dieser Zeichnung das echte Du schneiden könnte?"

Der Junge zögerte und blickte auf die grobe, kindliche Skizze hinab.

Eine Strichfigur von ihm selbst stand neben einer übertriebenen Version von Kaelith, Blumen und Bäume waren ungeordnet um sie herum gezeichnet.

Seine kleinen Finger fuhren über die Figur seines gezeichneten Selbst und stellten sich ein Schwert in dessen Händen vor.

Dann kicherte er und schüttelte den Kopf. "Nein, natürlich nicht. Es ist nur eine Zeichnung."

Kaeliths Lächeln kehrte zurück, wenn auch nur leicht.

"Genau. So wie eine zweidimensionale Zeichnung dir, einem dreidimensionalen Wesen, nicht schaden kann. Eine dreidimensionale Waffe kann mir nicht schaden, egal wie gut gebaut, denn die Klinge eines Schwertes ist für mich so bedeutungslos wie Tinte auf Papier."

Die Augen des Jungen weiteten sich fasziniert. "Dann... können Götter wirklich nicht getötet werden? Niemals?"

Kaelith zögerte.

Für einen Moment wurde der Wind still.

Die Wellen unten, einst rhythmisch und beruhigend, schienen langsamer zu werden.

Der Junge hatte eine unschuldige Frage gestellt, aber ihr Gewicht war alles andere als das.

Nach einer langen Pause atmete Kaelith schließlich aus, seine Stimme wurde tiefer.

"Oh, nein... viele sind gestorben."

Kaeliths goldener Blick verdunkelte sich, seine Gedanken schweiften weit über die Gegenwart hinaus.

"Es gab eine Zeit, in der selbst Götter den Tod fürchteten."

Der Wind frischte auf, die einst ruhigen Wellen unten schlugen heftig gegen die Klippen.

"Als der Zeitlose Attentäter zwischen den Momenten wandelte, zitterten selbst Götter nachts in ihren Betten."

"Er jagte uns wie Beute, mit einer Klinge, die die Ewigkeit selbst durchtrennen konnte... und selbst die Stärksten unter uns fielen vor ihm."

Das Herz des Jungen pochte in seiner Brust. Er hatte seinen Großvater noch nie so sprechen hören.

"Aber... aber er ist jetzt weg, oder? So ein böser Mann, er muss doch umgekommen sein, oder?" fragte er, als Kaelith einen tiefen Seufzer ausstieß.

"Getötet während des Großen Verrats, vor zweitausend Jahren.... Und seitdem ist kein Gott mehr gestorben–"

Der Junge hielt die Zeichnung fester, aber sein junger Verstand kämpfte damit, die Ungeheuerlichkeit dessen zu begreifen, was er hörte.

Der Zeitlose Attentäter.

Der Große Verrat.

Für ihn war es nichts weiter als eine Fantasiegeschichte. Aber für Kaelith war es eine Narbe – eine, die in das Gefüge der Realität selbst geätzt war.

Eine Weile brütete Kaelith schweigend, aber bald wandte er sich wieder dem Jungen zu, sein Ausdruck unlesbar.

"Aber die Ewigkeit ist lang, Kleiner. Und die Geschichte hat die Angewohnheit, sich zu wiederholen."

"Lasst uns beten, dass die Vergangenheit begraben bleibt, denn wenn sie wieder aufsteigt... werden selbst Götter zittern."