Kapitel 29: Blut&Donner

Kapitel 29 – Blut & Donner

Alle starrten Noah an, als hätten sie einen Geist gesehen.

"Seit wann ist er hier?" Diese Frage ging still durch die Menge, Schock zeichnete sich auf jedem Gesicht ab.

Die zentrale Lichtung war bereits voller Spannung. Hunderte von Teilnehmern standen verstreut herum, keiner wagte es, den Rücken zu kehren, alle Augen waren wachsam – beobachtend, wartend. Ein einziger Atemzug fühlte sich an, als könnte er das Pulverfass der Stille entzünden.

Die Atmosphäre war angespannt. Die Luft knisterte vor Erwartung. Jeder wartete – auf den zweiten Test, darauf, dass das Chaos beginnt.

Sophie schlenderte zu Noah hinüber und warf einen Blick auf das grünhaarige Mädchen, das neben ihm stand. Ihre Stimme war neckend, mit gespielter Eifersucht durchsetzt.

"Du hast kaum angefangen und sammelst schon Mädchen hinter meinem Rücken auf, lieber Ehemann?"

Noah drehte sich um, seine Lippen kräuselten sich zu einem spöttischen Lächeln. "Wie könnte ich es wagen? Mein Herz schlägt nur für dich. Diese Kleine ist mir nur zufällig gefolgt."

Anya runzelte die Stirn. "Diese Kleine hat einen Namen. Es ist Anya."

Beide ignorierten sie.

Sophies Augen verengten sich leicht und wandten sich wieder der Situation zu. "Hast du eine Ahnung, was der zweite Teil des Tests ist?"

Noahs Lächeln vertiefte sich. "Ist es nicht offensichtlich? Zweihundert sind zu viele. Sie müssen uns dezimieren."

Er schaute sich um, fast amüsiert von der Stille.

"Und was wäre besser geeignet als eine gute alte Battle Royale?"

Als wären sie von seinen Worten ausgelöst worden, dröhnte Damons Stimme durch den Wald, wie Donner durch die Bäume grollend.

"Zweihundert von euch haben es geschafft. Der Rest... ist bereits draußen."

"Ihr wurdet gewarnt. Die Akademie pflegt keine Schwächen. Wir wollen Monster – die Besten der Besten."

"Also reduzieren wir jetzt die Anzahl."

"Ihr seid genau zweihundert. Ich will mindestens die Hälfte von euch loswerden. Tot oder verkrüppelt, das spielt keine Rolle. Ich brauche nur hundert, die noch stehen. Oder weniger. Diese werden weiterkommen."

"Der Test beginnt – jetzt."

Stille.

Sie fiel wie ein Hammer – schwer, erdrückend. Niemand bewegte sich. Niemand wagte es. Der Erste, der zuschlägt, würde der Erste sein, der stirbt. Das wussten alle.

Und doch gibt es immer diejenigen, denen es egal ist. Die sich keine Sorgen machen müssen.

Auftritt: Rouge Bloodheart.

Sie warf den Kopf zurück und lachte – wild, wahnsinnig.

"HAHAHAHA! Das ist genau das, was ich wollte!"

BOOM!

Ein massiver, aus Blut geschmiedeter Hammer materialisierte sich in ihrer Hand. Ohne zu zögern, ließ sie ihn auf einen nahestehenden Teilnehmer niedersausen. Fleisch brach. Knochen zersplitterten.

Der Körper fiel leblos zu Boden.

Und damit –

Brach das Chaos aus.

Fähigkeiten erleuchteten die Lichtung wie Feuerwerk – Blitze von Macht, Ausbrüche von Geräuschen, Schreie. Überall entbrannten Kämpfe. Nicht einmal eine Minute verging, bevor Körper zu fallen begannen. Blut floss. Schreie hallten.

Und im Zentrum hatte diejenige, die den Funken entzündet hatte, bereits ihre nächste Flamme gefunden.

"NOAAHHHH!!!" Rouges Stimme zerriss das Gemetzel. Ihre roten Augen fixierten ihn, wild vor Aufregung. Niemand wagte es, ihr in den Weg zu treten.

Noahs Lippen zuckten. "Verdammtes Mädchen."

Er wandte sich an Sophie. "Meine liebe Frau. Dieser rote Blitz von dir? Ziemlich überraschend vorhin. Beeindruckend."

Sein Grinsen wurde breiter. "Wie wäre es, wenn du ihn noch einmal einsetzt? Gegen die Kampfmaniakerin, die auf mich zurennt?"

Er wartete keine Antwort ab. "Halte sie nur eine Minute beschäftigt, okay? Ich habe Dinge zu erledigen."

Er stürmte davon und hinterließ nur einen Abschiedssatz für das grünhaarige Mädchen. "Anya, du bist jetzt auf dich allein gestellt."

Anya blinzelte. Einmal. Zweimal.

Dann explodierte das Schlachtfeld.

Schreie. Blut. Explosionen von Licht, Flammen, Wind und Schlimmerem.

Sie taumelte instinktiv zurück, ihre Hände zitterten. Der Geruch von Eisen traf sie wie eine Backsteinmauer. Sie drehte sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie ein Kopf auf den Boden fiel – und rollte.

Ihr stockte der Atem.

Das ist kein Training. Das ist Krieg.

Und Sophie?

Sophies Augen zuckten. Rouge, im Begriff, Noah zu verfolgen, wurde in einem Schleier abgefangen.

Knistern.

Blitze tanzten durch die Luft, als Sophie vor ihr erschien. "Tut mir leid, Erbin der Bloodhearts. Du gehst nirgendwo hin."

Rouge neigte den Kopf, ihr Grinsen wurde breiter. "Also willst du doch kämpfen, Prinzessin."

Sie ballte ihre Fäuste. Um sie herum verdrehte und verdichtete sich das Blut auf dem Schlachtfeld – Stacheln bildeten sich aus den Gefallenen. Ein grotesker Tribut.

"Lass uns sehen, was du drauf hast, betrügerische Prinzessin."

Sophies Augen verhärteten sich. Roter Blitz wogte um sie herum wie ein Sturm, der kurz vor dem Ausbruch stand.

In einem Wimpernschlag war sie nur Zentimeter von Rouges Gesicht entfernt.

BOOM! KRACH!

Ein blitzumhüllter Schlag traf. Rouge wurde weggeschleudert, ihr Körper krachte über die Lichtung.

Aber Sophie war bereits in Verfolgung.

Rouges Lachen hallte wider. "JA! JA! SCHLAG MICH MEHR!"

Sie schlug hart auf dem Boden auf. Ihre Nase gebrochen, Zähne über den Schmutz verstreut. Aber dann – Regeneration. Haut vernähte sich. Knochen richteten sich neu aus. Ihr Lächeln kehrte zurück, wilder.

Und mit ihm stieg ihre Kraft. Ihre Aura wurde heftiger.

Als Sophie wieder erschien, um erneut zuzuschlagen, hatte Rouge eine Blutbarriere errichtet.

KRACH!

Sie zerbrach unter der Wucht von Sophies Schlag, und Rouges Arm brach. Sie wurde erneut geschleudert, ihr Körper rutschte über das Feld.

Sie stand auf, ihr Arm heilte vor ihren Augen. Ihre Stimme zitterte vor Aufregung. "Prinzessin... du bist unglaublich. Ich wusste nicht, dass du so stark bist."

"Was ist das für ein roter Blitz von dir?"

Sophie antwortete nicht.

Rouge lachte und plötzlich verdunkelte sich ihre Aura. "Jetzt bin ich an der Reihe."

Sie hob eine Hand.

"Blutexplosion."

BOOM. BOOM. BOOM.

Explosionen zerrissen den Boden unter Sophies Füßen. Sie sprang zurück, aber nicht schnell genug. Blut sickerte aus einer Wunde.

Rouge grinste. Denn vor ihr zu bluten? Das war Selbstmord.

...

Überall auf dem Schlachtfeld wiederholte sich die Geschichte in verschiedenen Formen.

In der nordwestlichen Ecke dieses Schlachtfelds

kreuzte Elijah die Klingen mit einem blauhaarigen Mann, der in eine tödliche Aura gehüllt war – das genaue Gegenteil seiner eigenen strahlenden Präsenz.

"Wer bist du?" fragte Elijah und parierte einen Dolchstoß. "Warum greifst du mich an?"

Der Mann grinste. "Malrik Thorneborne. Und bist du dumm? Der Test besteht darin, zu eliminieren. Ich folge nur den Anweisungen."

Seine Dolche bewegten sich wie Vipern – schnell, präzise. Elijah runzelte die Stirn, in die Defensive gedrängt.

"Du wirst mich nicht töten. Ich habe noch nicht einmal eines meiner Talente eingesetzt. Das ist nur Schwertkampf."

Malrik kicherte. "Glaubst du, du bist der Einzige, der sich zurückhält?"

Er hob seine Hände. "Gut. Lass uns einen Gang höher schalten."

Der Boden zitterte. Leichen kratzten sich heraus – Menschen, Bestien, alle untot. Seine Aura verzerrte den Raum um sie herum und ließ Verfall über das Schlachtfeld kriechen.

Elijah fluchte. "Du hast es so gewollt."

Goldenes Licht flackerte in seinen Augen.

Er hob seine rechte Hand: ein Schwert aus reinem Licht. In seiner Linken eine Klinge aus goldener Flamme.

Er verschwand – und tauchte über Malrik auf wie ein göttliches Urteil.

"Mach dich bereit, du schmutziges Ding."

Malrik grinste nur, Wahnsinn in seinen Augen. Ein skelettartiger Dolch, der grün glühte, erschien in seinem Griff.

"Komm schon."

...

Anderswo fielen Körper wie Fliegen.

Aphasia stand unberührt da, tanzte mit ihren Windgeistern durch den Tod. Jede Annäherung endete mit einem Schnitt – still, sauber, unvermeidlich.

Ihr Gesicht ruhig und unbekümmert.

Und Elisabeth?

Elisabeth beobachtete aus der Ferne, ihre Augenbinde flatterte im Wind. Blind, und doch sah sie mehr als die meisten. Ihr Talent war unheimlich. Gefährlich. Kaum beherrscht.

Nur die Augenbinde hielt es in Schach.

Als sie dort stand, in Gedanken versunken, angewidert von den Methoden der Akademie –

flüsterte eine Stimme hinter ihr.

Sanft. Vertraut.

"Meine liebe Heilige. Was für ein wunderbarer Zufall."

Es war Noah.

—Ende von Kapitel 29—