Kapitel 28: Ein Schritt
Noah stand still. Ungehetzt.
Während andere eilten, kämpften und sich ihren Weg nach vorne bahnten – saß er.
Mit einem Fingerschnippen formte sich ein Eisstuhl unter ihm.
Er lehnte sich zurück, schlug ein Bein über das andere.
Ruhig. Unbekümmert.
Eine Porzellantasse materialisierte sich in seinem Griff, Dampf kräuselte sich von der Oberfläche.
Der Duft von Jasmin und Frost erfüllte die Luft.
Eine besondere Mischung. Der Favorit seiner Mutter.
Als er die Tasse an seine Lippen führte –
Rascheln.
Eine Gestalt tauchte aus dem Blattwerk auf.
Zierlich. Grünhaarig. Mit großen Augen.
Sie blinzelte.
Verwirrung huschte über ihre feinen Gesichtszüge. Tee? Hier? Mitten in einem Kampf auf Leben und Tod?
Noah erwiderte ihren Blick. Sein Gesichtsausdruck unlesbar.
"Magst du Tee?" fragte er mit sanfter Stimme. "Das ist die persönliche Mischung meiner Mutter. Betrachte dich als geehrt."
Das Mädchen: O|O
…
Anderswo bewegte sich keines der wahren Genies zum Zentrum.
Es war eine unausgesprochene Übereinkunft.
Sie warteten. Maßen. Bewerteten.
Jeder beschäftigte sich auf seine Weise –
Aphasia schwebte in der Luft, scheinbar schwerelos. Aber jene mit scharfen Sinnen konnten es sehen – ein Luftgeist, der ihre Gestalt trug.
Elijah briet den Kadaver einer erlegten Bestie. Flammen leckten gierig am Fleisch, kontrolliert durch seine Fertigkeit.
Eric? Schnarchend. Ausgestreckt auf einem Baumast, völlig gleichgültig gegenüber dem Chaos unter ihm.
Sophie schlenderte ruhig, ohne sich um die Welt zu kümmern.
KNISTERN.
Roter Blitz pulsierte durch ihre Adern.
Sie verlangsamte nicht. Sie zögerte nicht.
Jedes Mal, wenn sie einen anderen Teilnehmer sah –
Starben sie. Keine Gnade.
Elisabeth tat, was sie am besten konnte – eine Armee aufbauen.
Sie suchte nach Nachzüglern, webte ihr Netz. Eine wachsende Streitmacht, alles um Elijah zu unterstützen.
Rouge? Die Zwillings-Tiermenschen?
Sie jagten. Aktiv. Sie waren wahrhaft blutrünstig.
…
Ein halber Tag verging.
Inzwischen blieben nur die Starken, die Talentierten und die Einfallsreichen übrig.
Und dann –
Bewegten sie sich.
Einer nach dem anderen erhoben sie sich.
Ihre Blicke fixierten das Zentrum, als könnten sie so weit sehen.
Ein Puls durchlief die Luft – Spannung, Erwartung, eine stille Erklärung.
⸻
Elijah las die Quest-Aufforderung und grinste.
Es war Zeit.
Er streckte sich. Rollte mit den Schultern.
Dann – trat er vor.
Und verschwand.
Einen Atemzug später erschien er hunderte Meter weiter vorne wieder.
Teleportation.
"Hmph." Er seufzte. "Noch zwei Schritte, und ich bin da. Wenn diese Fähigkeit nur einfacher zu trainieren wäre..."
Kopfschüttelnd drängte er vorwärts.
Zur gleichen Zeit –
Aphasia.
Sie beschwor fünf Windgeister, ihre durchscheinenden Formen wirbelten um sie herum.
Dann – verschwamm sie.
Ein Hurrikan in Menschengestalt.
Rouge.
Sie schmolz zu einer Blutlache, schlängelte sich ungesehen durch den Wald.
Die Zwillinge.
Ein goldener Blitz.
Zwei Löwen streiften über das Land, ihre Pfoten berührten kaum den Boden.
Sophie.
KNISTERN.
Roter Blitz wallte auf.
Und dann – war sie verschwunden.
Zehn Sekunden.
Das war alles, was es brauchte.
Und sie war bereits dort. Im Zentrum. In Gesellschaft eines orangehaarigen Schwertmädchens und eines düsteren Jungen mit tödlicher Aura.
"Was zum?"
⸻
Währenddessen blieb Noah sitzen.
Immer noch Tee schlürfend.
Die Zuschauer wurden unruhig und fragten sich, was er tat.
Der Kaiser runzelte die Stirn.
Was tat er? Warum hatte er sich nicht bewegt?
Und dann –
Stand Noah auf.
Das grünhaarige Mädchen blickte verwirrt zu ihm auf.
"Machen Sie endlich Ihren Zug, mein Herr?"
Noah hob eine Augenbraue. "Mein Herr? Wir sind im gleichen Alter."
Sie zögerte. "Ich weiß nicht... Ich fühle mich einfach, als sollte ich Sie so nennen."
Noah atmete aus.
Sein Blick wanderte – zum Herzen des Waldes.
"Also..." murmelte er. "Bist du bereit?"
Das Mädchen runzelte die Stirn. "Bereit wofü—?"
"Ich nehme dich mit."
Bevor sie reagieren konnte –
Legte er eine Hand auf ihre Schulter.
Und dann –
Seine Aura regte sich.
Etwas verschob sich.
Etwas veränderte sich.
Doch – nichts schien zu geschehen.
Keine große Explosion. Kein dramatisches Spektakel.
Nur Stille.
Aber die Welt bemerkte es.
Alle Augen richteten sich auf ihn.
Seine Mutter. Der Kaiser. Unzählige mächtige Wesen. Die gewöhnlichen Menschen.
Sogar Damons Interesse war geweckt.
Noahs Stimme hallte in der Stille wider.
"Ich bin grenzenlos. Raum und Zeit können mich nicht binden."
Eine Welle durchlief den Raum um ihn herum.
Was ist eine Grenze?
Raum war eine Grenze. Er bestimmte, wo man stehen konnte, wie weit man sich bewegen konnte.
Zeit war eine Grenze. Sie bestimmte, wann Dinge geschehen konnten, wie lange sie dauern würden.
Aber Noah war Grenzenlos.
Raum sollte ihn nicht einschränken.
Zeit sollte ihn nicht einengen.
Und so –
Seine Aura aktivierte sich.
Der Raum schwächte sich ab.
Die Zeit verlangsamte sich leicht um ihn herum.
Es war nur ein bisschen. Aber es war genug für Noah.
Und dann –
Er machte einen Schritt.
Für die Zuschauer – bewegte er sich nicht. Er... erschien einfach.
Einen Atemzug stand er bei dem Mädchen.
Im nächsten –
War er im Zentrum des Waldes.
Im exakt gleichen Moment wie Elijah.
Die Welt erstarrte.
Schock durchlief das Publikum.
Sogar Damons Augenbrauen schossen nach oben.
Ein Grinsen umspielte seine Lippen.
Selene strahlte stillen Stolz aus.
Ihr Sohn – begann endlich, sich zu offenbaren.
Im selben Moment –
Ein Klingeln ertönte in Noahs Kopf.
{Dein Titel: Der Wiedergeborener ist aktiv.}
{Du hast die notwendigen Bedingungen erfüllt.}
{Glückwunsch, Noah Weberherz.}
{Du hast Raum- und Zeitaffinitäten erweckt.}
Noah atmete aus.
Langsam drehte er sich um –
Augen fixierten ihn.
Schock. Unglaube.
Noah grinste.
"Nun," sagte er und steckte die Hände in die Taschen.
"Sieht so aus, als wäre ich nicht zu spät."
—Ende von Kapitel 28—