Kapitel 27: Damon
Elijah – nein, nicht nur Elijah, sondern jeder Genie in der Arena – starrte Noah an.
Nicht wegen seiner überwältigenden Aura. Nicht wegen seiner Schönheit.
Sondern weil er zu gewöhnlich aussah.
Keine Macht ging von ihm aus. Kein Druck, keine Präsenz – nur ein einfacher, unscheinbarer junger Mann.
Die Menge, die Gewöhnlichen, ignorierten ihn sofort.
Aber die Genies?
Ihre Gesichtsausdrücke verhärteten sich. Ihre Instinkte schrien.
Dieser ist gefährlich.
Der Gedanke hallte in jedem Kopf wider, wie ein stilles Flüstern, das durch ihre Knochen kroch.
Elijah jedoch blieb unbeeindruckt. Er hatte das erwartet. Seine Quest hatte ihn bereits gewarnt – Noah war eine Bedrohung.
Dennoch, nicht jeder interessierte sich dafür.
Eric zum Beispiel gähnte. "Lasst uns diesen dummen Test einfach hinter uns bringen. Ich brauche ein Nickerchen."
Währenddessen lächelte Sophie sanft und trat auf Noah zu.
Jahrelang hatte Noah ihre Verbindung gepflegt – Briefe, freundliche Worte, seltene Geschenke, sogar Eislotusblumen. Nicht nur, weil er es musste, sondern weil er es wollte.
Er hatte diese Frau von ihm liebgewonnen.
Sophies Stimme war warm. "Es ist lange her, Noah."
Noah, mit Neko auf seinem Kopf zusammengerollt, grinste schelmisch.
Und dann – überwand er die Distanz in einem Augenblick und zog sie in seine Arme.
WELP!
Ein überraschter Laut entfuhr Sophies Lippen. Geflüster brach um sie herum aus.
Sie zischte leise, "Hast du kein Schamgefühl? Alle sehen zu."
Noah lachte, unbekümmert. "Ist das nicht normal? Mann und Frau, die sich nach drei Jahren wiedersehen?"
"Du bist derjenige, der kalt ist."
Sophies Lippen zuckten. Sie kannte ihn zu gut – Noah tat nie etwas ohne Zweck.
Und tatsächlich –
"Oh mein, oh mein..."
Elisabeth verbarg kaum ihre Belustigung, als sie zu Elijah neben ihr blickte.
Sein Gesicht blieb unleserlich. Emotionslos.
Aber Elisabeth kannte ihn.
Die Luft um ihn hatte sich verändert. Wärmer. Nur leicht.
Er ist wütend.
Denn wenn Elijah sein Augenmerk auf etwas – oder jemanden – richtete, betrachtete er es als sein Eigentum.
Sophie war für ihn bestimmt. Der Kaiser selbst hatte es bestätigt. Ihre Verlobung wurde nur aufgrund gewisser... Komplikationen verzögert.
Und doch war sie hier. In Noahs Armen.
Aber Elijah bewegte sich nicht. Er beobachtete nur.
Plötzlich erschien neben Noah und Sophie – ohne ein Geräusch – eine Gestalt.
Blutrotes Haar. Ein teuflisches Grinsen.
Rouge Bloodheart.
Ihre Stimme triefte vor Belustigung. "Wusste nicht, dass die Prinzessin so ist. Betrügst du deinen Freund, Den Auserwählten?"
Dann wandte sie sich Noah zu, trat näher – so nah, dass sich ihre Atemzüge vermischten.
Ihr Grinsen wurde breiter.
"Ich wusste, dass du etwas Besonderes bist. Du hast es sogar geschafft, vom Auserwählten zu stehlen."
Ihre Stimme sank zu einem heiseren Flüstern.
"Selbst jetzt schreien meine Instinkte mich an. Sie sagen mir, ich soll weglaufen. Nicht einmal in deine Nähe kommen."
Noahs Augen glänzten. "Warum tust du dann genau das Gegenteil?"
Ihr Körper zitterte. Nicht vor Angst.
Sondern vor Erregung.
Ihre Lippen kräuselten sich zu etwas fast Unmenschlichem. Zähne entblößt.
"Genau weil meine Instinkte schreien."
Ihre Stimme war hungrig.
"Lass uns kämpfen."
Mit einer Handbewegung wallte Blut um sie herum auf und verdichtete sich zu einem massiven Kriegshammer – doppelt so groß wie sie. Sie hob ihn hoch, bereit zuzuschlagen.
Und dann –
"Halt."
Eine Stimme.
Tief. Schwer. Erdrückend.
Alles erstarrte.
Der Kriegshammer verschwand.
Selbst Elijah. Selbst Noah. Hielten inne.
Ein Schatten ragte über ihnen auf.
Hoch am Himmel – stand ein Mann, schwerelos.
Schwarze Haut, weiße Dreadlocks, Augen so dunkel wie der Abgrund. Ein Schwert hing lässig an seiner Hüfte.
Aber sein Blick.
Sein Blick zerdrückte sie.
Wie das Gewicht des Himmels, das auf sie niederdrückte.
Als er sprach, war es nicht laut. Es musste nicht laut sein.
"Ich bin Damon. Aufseher der diesjährigen Aufnahmeprüfung."
Sein Blick schweifte über sie hinweg.
"Ihr werdet euch nicht daneben benehmen."
Sein Ton ließ keinen Raum für Widerspruch.
"Ich habe keine Zeit für so etwas."
Seine Augen verengten sich.
"Jeder, der mir missfällt – stirbt. Sofort."
Eine Pause.
"Versteht ihr?"
Bevor jemand antworten konnte –
"Nein. Haltet den Mund. Ich will eure Antworten nicht hören."
Schnipp.
Er schnippte mit den Fingern.
Magische Kreise brachen unter ihren Füßen hervor, leuchteten heftig.
Damons Lippen kräuselten sich zu etwas, das nicht ganz ein Lächeln war.
"Der erste Test beginnt. Jetzt."
Und im nächsten Atemzug –
Waren sie verschwunden.
…
Damon blickte auf die verbliebenen Vertragsbestien hinab. Sein Blick verweilte auf Neko.
"Ihr bleibt hier. Beobachtet eure lieben Meister."
Dann fielen seine Augen auf Ester – die zu ihrer menschlichen Form zurückgekehrt war.
"Interessant."
Er klatschte in die Hände.
Und plötzlich – erschien eine Projektion.
Nicht nur hier.
Überall.
Der Palast des Kaisers. Die großen Familien. Das Elfenreich. Das Bestienreich.
Alle Augen waren auf den Test gerichtet.
Und was sie sahen –
…
Die Teilnehmer tauchten in einem Wald wieder auf. Eine weite, endlose Ausdehnung uralter Bäume.
Noah stand allein.
Damons Stimme hallte vom Himmel wider.
"Dieser Test ist einfach."
"Es gibt Monster in diesem Wald. Das schwächste ist B-Rang."
"Erreicht das Zentrum. Sobald ihr das Zentrum erreicht, ist der erste Teil dieses Tests abgeschlossen. Und für den zweiten Teil werdet ihr es wissen, sobald ihr dort seid."
"Jeder von euch hat ein Token. Es wird eure Kills aufzeichnen. Bestien und Menschen gleichermaßen."
"Wenn ihr einen anderen Teilnehmer tötet, wird sein Token euer und damit auch seine Kills."
"Sobald zweihundert Personen das Zentrum erreicht haben, werden die Übrigen, die es nicht geschafft haben, automatisch eliminiert und hinausgeschickt."
"Der Test dauert 1 Tag."
Seine Stimme war absolut.
"Und er beginnt jetzt."
Stille.
Noah atmete aus.
Allein. Schattenlos.
Er grinste.
—Ende von Kapitel 27—