"Hey du, kleines kostbares Ding. Du siehst aus, als würdest du gleich vor Durst sterben."
Ein tiefes Kichern folgte den spöttischen Worten, bald begleitet vom Gelächter der nahestehenden Soldaten. Einer der Werwolf-Krieger verlangsamte sein Pferd, um Sorayahs schleppenden Schritt anzupassen. Belustigung tanzte in seinen goldenen Augen, als er auf sie herabblickte, seine scharfen Eckzähne blitzten in einem grausamen Grinsen.
"Warum lässt du mich dir nicht helfen?" Seine Stimme triefte vor falscher Besorgnis. "Ich teile etwas Wasser mit dir..." Er lehnte sich leicht nach vorne und senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. "Im Gegenzug könntest du vielleicht deine hübschen kleinen Beine für mich spreizen. Ich verspreche, ein gutes Wort bei Beta Dimitri einzulegen. Abhängig natürlich davon, wie gut du dich anstellst."
Erneut brach Gelächter unter den nahestehenden Soldaten aus, ihre Spötteleien hallten durch die Nachtluft.
Sorayah jedoch blieb stumm. Sie würdigte den Werwolf keines Blickes und schwankte nicht in ihren Schritten.
Ihre Gleichgültigkeit schien ihn nur noch mehr zu unterhalten.
"Was, keine Antwort? Das ist schade." Der Soldat seufzte in gespielter Enttäuschung. "Warum bestehst du darauf, dir die Dinge schwerer zu machen? Vielleicht sollte ich dich einfach hier und jetzt nehmen und dich danach in das schmutzigste Arbeitshaus schicken."
Damit hob er seine Peitsche.
Das Leder knallte durch die Luft, schnitt in Richtung Lily, aber Sorayah bewegte sich zuerst.
Ohne zu zögern warf sie sich über ihre bewusstlose Freundin. Die Peitsche traf stattdessen sie, zerriss den dünnen Stoff ihres Kleides und brannte sich in das Fleisch ihres Rückens.
Sie gab kaum einen Laut von sich.
Der Schmerz war scharf, aber flüchtig, nichts im Vergleich zu der Qual, die sie bereits ertragen hatte.
Der Werwolf höhnte, als erneut Gelächter ertönte. "Wie du willst", spottete er, bevor er mit der Zunge schnalzte und sein Pferd antrieb. "Wir sollten das Lager bis zum Einbruch der Nacht erreichen. Versuch, nicht vorher zu sterben."
Die Soldaten ritten voraus, ihr Gespött verklang in der Ferne.
Sorayah verharrte einen Moment regungslos, ihr Atem ging schwer, ihr Rücken pochte von der frischen Wunde. Langsam richtete sie sich auf und griff erneut nach den Griffen der Schubkarre.
Ihr Körper war zerschlagen, ihre Haut von Blutergüssen gezeichnet, ihre Glieder zitterten vor Erschöpfung. Dennoch drängte sie vorwärts, jeder schmerzende Schritt belastet vom Gewicht der Schubkarre.
Denn sie weigerte sich, das Mädchen darin zurückzulassen.
Lily.
Ihre Kindheitszofe. Ihre beste Freundin.
Entlang der Straße lagen menschliche Körper verstreut, zurückgelassen, um unter der unbarmherzigen Sonne zu verrotten. Mehr waren während dieses Marsches zusammengebrochen, einige vor Hunger, andere vor schierem Erschöpfung. Keinem wurde Gnade gewährt.
Aber Sorayah hatte geschworen, dass Lily nicht eine von ihnen sein würde.
Sie würde nicht fallen. Sie würde nicht nachgeben.
Nicht, bis die Blutschuld vollständig beglichen war.
Eine raue Stimme ertönte bald von der Frontlinie. "Wir sind da!"
Zunächst nahm Sorayah die Worte kaum wahr, ihr Fokus noch immer auf den staubbedeckten Boden unter ihren schmerzenden Füßen gerichtet. Doch als die Erkenntnis einsank, hob sie langsam den Kopf.
Reihen von Zelten erstreckten sich vor ihr, ihre Planen schwankten leicht in der Abendbrise. Das Werwolf-Kriegslager ragte vor ihr auf, seine Präsenz fast unwirklich. Die Luft war schwer vom Duft gebratenen Fleisches und frisch gebackenen Brotes, das reiche Aroma verdrehte ihren Magen zu einem Knoten aus Hunger.
Ein langsames, erschöpftes Lächeln huschte über ihre Lippen.
"Ich habe es geschafft."
Selbst als ihr Körper zuvor zu versagen drohte, hatte sie sich gezwungen, vorwärts zu gehen. Jetzt stand sie endlich auf feindlichem Boden.
Sorayah nahm einen langsamen, beruhigenden Atemzug, bevor sie sich an einen der Wachen wandte. Ihre Stimme, heiser vor Durst, kam kaum über ihre rissigen Lippen.
"Bitte... kann ich etwas Medizin für meine Freundin bekommen? Sie ist schwer verletzt."
Ihre langen, geschwungenen Augenbrauen hoben sich in stiller Bitte, ihr Ausdruck roh vor Verzweiflung. Aber der Werwolf-Soldat schnaubte nur, seine scharfen Augen verengten sich amüsiert.
"Medizin? Für eine Sklavin?" Er höhnte und verschränkte die Arme vor der Brust. "Lass sie einfach sterben. Es ist nicht so, als würde es einen Unterschied machen."
Sorayah ballte ihre Fäuste.
Nein!
Sie weigerte sich, das zu akzeptieren.
Sie sank auf die Knie und drückte zwei Finger gegen Lilys Handgelenk. Der Puls unter ihren Fingerspitzen war schwach, zu schwach. Schwächer als zuvor.
Wenn sie nicht bald handelte, würde Lily die Nacht nicht überstehen.
Die Werwölfe anzuflehen war sinnlos. Das wusste sie jetzt. Es war ihnen egal, ob sie oder einer der anderen Gefangenen lebte oder starb.
Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, ihr Verstand raste. Wenn sie nur für einen Moment entkommen könnte, könnte sie ihre Heilmagie einsetzen. Aber das war ein Risiko, das sie sich nicht leisten konnte. Nicht hier. Nicht, wenn sie von Feinden umgeben war.
Die Werwölfe suchten immer noch nach dem vermissten Prinzen des Menschenreichs, dem Prinzen, von dem es hieß, er sei mit sieben göttlichen Gaben geboren worden.
Aber was niemand wusste, war, dass der Prinz nie existiert hatte.
Es war die ganze Zeit eine verkleidete Prinzessin gewesen.
Wenn sie sähen, wie sie ihre Fähigkeiten einsetzte, würde ihr Geheimnis aufgedeckt werden. Sie würden sie entweder zu einem Spielball für ihren Krieg machen oder sie direkt töten. Der Tod selbst ängstigte Sorayah nicht. Aber sie hatte ein Versprechen gegeben.
Sie würde nicht ruhen. Nicht, bis jeder vergossene Blutstropfen gerächt war.
Die Stimme eines Soldaten durchschnitt das Lager und riss sie zurück in die Gegenwart.
"Hört zu! Ihr werdet alle in Gruppen von sieben ins Zelt gebracht, um den General zu treffen. Er will euch inspizieren, bevor wir zum Palast aufbrechen. Wer weiß? Einige von euch könnten sogar in seinem Bett landen."
Ein paar Wachen lachten finster darüber.
"Aber seid vorsichtig mit euren Köpfen", fügte der Soldat hinzu, sein Ton durchsetzt mit grausamer Belustigung.
Sorayah hatte kaum Zeit, seine Worte zu verarbeiten, bevor raue Hände sie packten. Sie wurde nach vorne gestoßen, zusammen mit sechs anderen Frauen, ihre Körper wie weggeworfene Reste zu Boden geworfen.
Schmerz schoss durch ihre Handflächen, als sie über den Schmutz schrammten, aber sie reagierte kaum.
Um sie herum zitterten die anderen Gefangenen, ihre Blicke nach unten gerichtet, zu verängstigt, um auch nur ihre Entführer anzusehen.
"Geht rein!" bellte der Soldat.
Die sechs Frauen rappelten sich auf und stürzten ins Zelt, getrieben von Terror und Instinkt.
Sorayah jedoch blieb, wo sie war, ihr Blick auf Lilys stille, regungslose Gestalt fixiert.
Die Augen des Soldaten verdunkelten sich. Er trat auf sie zu und zog sein Schwert. "Bist du taub?" knurrte er.
Sie schenkte ihm kaum einen Blick. Sie wird in Ordnung sein... vorerst. Die Werwölfe würden ihre Zeit nicht damit verschwenden, ein bewusstloses Mädchen zu töten. Nicht, wenn sie bereits an der Schwelle des Todes stand.
Sorayah presste ihre Lippen zusammen, ihr Kiefer spannte sich in Entschlossenheit an. Ich muss mich nur beeilen.
Auch wenn sie ihre Magie hier nicht einsetzen konnte, würde sie einen anderen Weg finden. Sie würde Medizin stehlen. Sie würde hinausschleichen und Heilkräuter sammeln, wenn es sein musste.
Aber sie würde Lily nicht sterben lassen.
Bevor der Soldat sie erreichen konnte, stemmte sie sich auf die Füße und stürzte ins Zelt.