Ausziehen!

Sorayahs Augen gewöhnten sich langsam an das schwache Licht im Zelt. Die Luft war dick, schwer vom Geruch brennenden Holzes, Schweiß und etwas Metallischem... vielleicht Blut.

Ihr Blick huschte durch den Raum, scannte ihre Umgebung, bevor er auf der einsamen Gestalt am anderen Ende des Zeltes ruhte, die ihnen den breiten Rücken zuwandte.

Die Spannung in der Luft war erstickend, wand sich wie eine unsichtbare Kraft. Selbst das flackernde Kerzenlicht schien vor seiner Präsenz zurückzuweichen.

Der rücksichtslose General.

Ein Beta Lord, der nur dem Alpha Kaiser selbst unterstellt war.

Sorayahs Körper versteifte sich. Ihre Fäuste ballten sich an ihren Seiten, die Nägel gruben sich in ihre Handflächen. Hass durchströmte ihre Adern wie ein Lauffeuer und verbrannte die Erschöpfung, die auf ihr gelastet hatte.

Er war derjenige, der das Massaker an ihrem Volk angeführt hatte.

Er war derjenige, der die Hinrichtung ihrer Familie befohlen hatte.

Beta Lord Dimitri Nachtschatten.

Sein Name wurde in gedämpften Flüstern über Königreiche hinweg gesprochen, nur in tiefster Nacht von jenen geäußert, die zu viel Angst hatten, den Klang davon nachhallen zu lassen. Ein Kriegsherr von unvergleichlicher Brutalität, ein Biest, das nie eine Niederlage gekannt hatte. Ein Monster, das im Blut seiner Feinde badete und nichts als Verwüstung hinterließ.

Niemand wusste, wie er wirklich aussah.

Gerüchte tanzten durch die Länder wie geisterhafte Flüstern. Manche behaupteten, er sei ein Dämon in Menschengestalt, andere, dass er verflucht sei, sein Gesicht so schrecklich, dass er gezwungen war, sich hinter einer Maske zu verstecken.

Doch als er sich endlich zu ihnen umdrehte, erkannte Sorayah, dass die Wahrheit weitaus beunruhigender war.

Sein Gesicht blieb hinter einer schlanken, schwarzen Maske verborgen, deren glatte Oberfläche mit feinen Symbolen graviert war, die im flackernden Kerzenlicht schimmerten. Sein lockiges braunes Haar war zurückgeflochten und betonte die scharfe Linie seines Kiefers.

Doch es waren seine Augen, die ihr den Atem raubten.

Leuchtend. Grün. Raubtierartig.

Zwei smaragdgrüne Flammen, die mit einer Intensität brannten, die ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Sein Blick fand ihren und nagelte sie an Ort und Stelle fest.

Für einen Herzschlag schrumpfte die Welt, die anderen Frauen um sie herum verblassten zur Bedeutungslosigkeit.

Sein Blick war unlesbar, kalt, berechnend, doch mit etwas anderem durchsetzt. Etwas Gefährlichem.

Sorayahs Atem stockte, aber sie weigerte sich zu wanken. Mit reiner Willenskraft riss sie ihren Blick los und zwang sich, auf den Schmutz unter ihren Füßen zu starren.

Sie konnte sich keine Schwäche leisten.

Nicht hier. Nicht jetzt.

Sie hatte die Höhle des Löwen freiwillig betreten, entschlossen, ihre Rache zu nehmen. Aber sie war keine Närrin. Ein falscher Zug, und sie würde den Sonnenaufgang nicht mehr erleben.

Dimitri bewegte sich mit einer leisen Anmut, die den Raum um ihn herum kleiner, erstickender wirken ließ. Als er in der Mitte des Zeltes Platz nahm, schien seine bloße Präsenz Gehorsam zu gebieten.

Die Spannung war dick genug, um sie zu durchschneiden.

Sorayah musste nicht um sich blicken, um zu wissen, dass die anderen Frauen unter seinem Blick zitterten.

Dann durchschnitt seine Stimme die Stille wie eine Klinge.

"Ausziehen!"

Der einzelne Befehl war scharf. Absolut.

Der tiefe Klang seiner Stimme sandte ein sichtbares Zittern durch die versammelten Frauen. Sie hatten in den letzten zwei Tagen schnell gelernt, Gehorsam bedeutete Überleben.

Köpfe gesenkt. Hände zitterten, als sie nach dem zerlumpten Stoff griffen, der ihre Körper bedeckte.

Aber eine von ihnen blieb regungslos.

Erstarrt.

Dimitris durchdringender Blick verdunkelte sich, seine Augen verengten sich, als er den Ungehorsam vor sich fixierte.

Interessant.

Eine Sklavin, die ihm trotzte?

Das war noch nie passiert.

War sie dumm? Lebensmüde?

Ein langsames, amüsiertes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Die anderen Frauen hatten sich bereits entblößt, ihre Blicke auf den Boden gerichtet, ihre Körper zitterten unter seiner Prüfung. Aber sie?

Sie zitterte nicht. Sie schrumpfte nicht.

Dimitri trat einen Schritt vor.

Dann noch einen.

Die Luft im Zelt wurde dicker, erstickend in ihrer Schwere. Die anderen Frauen hielten den Atem an, bereiteten sich auf das Unvermeidliche vor.

Doch gerade als er seine Hand hob, ließ ihn etwas innehalten.

Sie war nicht hier.

Ihr Körper stand vor ihm, aber ihr Geist war woanders. Entfernt. Weit, weit weg.

Faszinierend.

Sein Lächeln vertiefte sich. Anstatt zuzuschlagen, hob er seine Hand und schnippte mit den Fingern in einem stummen Befehl.

Die anderen Frauen verstanden sofort.

Ohne zu zögern beeilten sie sich, sich anzuziehen, ihre Finger zitterten in ihrer Hast, bevor sie aus dem Zelt stürmten, ihre nackten Füße wirbelten Staub auf.

Nun blieben nur noch zwei übrig.

Er und sie.

Sorayah blinzelte, ihre Trance zerbrach, als wäre sie gewaltsam aus einem Traum gerissen worden. Ein scharfes Ausatmen entwich ihren Lippen, ihre Brust hob und senkte sich in kontrollierten Atemzügen.

Langsam, bewusst, hob sie ihren Blick.

Nicht mit Angst.

Nicht mit Unterwerfung.

Sondern mit Feuer.

Dimitri musterte sie, Belustigung flackerte in diesen leuchtend smaragdgrünen Augen. Er neigte leicht den Kopf, wie ein Raubtier, das mit seiner Beute spielt, bevor er sein Schwert mit einem scharfen Klicken in die Scheide steckte.

Sorayahs Stimme durchbrach die Stille.

"Wo sind die anderen?" Ihr scharfer Blick huschte umher, suchte nach den fehlenden Frauen. Dann schnellte ihre Aufmerksamkeit zu ihm zurück. "Und wie kann ich Ihnen helfen? Was wollen Sie von mir?"

Ihre Stimme war ruhig, kontrolliert, doch er übersah nicht das leichte Zittern ihrer Finger.

Er lachte, tief und höhnisch, bevor er in ihren Raum trat und die Distanz schloss, bis die Hitze seines Körpers gegen ihren drückte.

Sein Duft drang in ihre Sinne ein, Stahl, Leder und etwas dunkel Berauschendes.

"Was ich von dir will?" wiederholte er, seine Stimme ein Flüstern, sein Atem warm auf ihrer Haut.

Langsam, bewusst, hob er eine Hand und fuhr mit einem einzelnen Finger die zarte Linie ihres Halses hinab.

Ihr Puls verriet sie.

Schnell. Unruhig.

Seine Lippen kräuselten sich zu etwas Bösartigem. "Ich könnte hundert Dinge aufzählen," murmelte er. "Aber jetzt gerade? Ich will, dass du gehorchst."

Sorayah runzelte leicht die Stirn, ihre Brauen zogen sich in Verwirrung zusammen.

Dimitri summte in gespielter Überlegung. "Oder ziehst du es vor, dass ich es für dich tue?"

Er ließ die Frage in der Luft hängen und genoss, wie ihr Atem stockte.

"Versuchst du, meine Aufmerksamkeit zu erregen, kleine Menschenfrau?" sinnierte er, sein Lächeln vertiefte sich.

Seine Hand glitt in ihr Haar, Finger drehten sich sanft durch die Strähnen, fest, aber nicht schmerzhaft.

Sein Blick fixierte ihren, brannte mit etwas Unlesbarem.

Eine Warnung.

"Denn ich muss sagen..." er lehnte sich vor, sein Atem heiß auf ihrer Haut, "du spielst mit dem Feuer."

Sorayah schluckte schwer, ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen.

Dimitri lehnte sich näher, seine Lippen streiften ihre Ohrmuschel, als er flüsterte:

"Die Frage ist... wie sehr willst du brennen?"