ch wusste nicht, was passieren würde. Nur, dass es das Beste und das Schlimmste zugleich war.
Es beginnt nicht mit einem Knall. Nicht mit Blut, nicht mit einem Schrei in der Nacht. Es beginnt leise. Wie ein Gedanke, den man nicht mehr loswird. Wie ein Lied, das durch ein offenes Fenster in dein Zimmer weht und sich in deinem Kopf einnistet, ohne dass du es bewusst gehört hast. So beginnt es.
Ich erinnere mich nicht an den Tag, an dem mein Leben sich veränderte. Vielleicht war es ein Dienstag. Vielleicht regnete es. Ich weiß nur, dass ich fortging. Nicht aus Mut, sondern aus Müdigkeit. Ich war müde vom Ertragen. Vom Aushalten. Vom Stillsein. Von mir selbst.
Moonvale. Ich hatte den Namen einmal gelesen, auf einem verwitterten Holzschild am Straßenrand, als ich in einem Bus an endlosen Feldern vorbeifuhr. Die Stadt wirkte wie aus einem alten Gedicht. Als würde die Zeit dort anders vergehen – langsamer vielleicht. Oder überhaupt nicht. Damals wusste ich, dass ich zurückkehren würde. Und diesmal würde ich bleiben.
Als ich ankam, war es später Nachmittag. Der Himmel hing tief, die Wolken waren schwer, aber der Regen fiel kaum – nur ein feiner Schleier, kaum spürbar. Das Licht war weich, wie gefiltert durch Dunst und Staub. Und die Luft… sie roch nach Moos, nach nassem Holz und etwas, das ich nicht benennen konnte. Etwas Vertrautem. Etwas Altem.
Ich stand mitten auf der Hauptstraße. Kein Auto fuhr vorbei. Kein Mensch ging an mir vorüber. Ich war allein, aber es fühlte sich nicht so an. Als würde mich jemand beobachten. Oder etwas. Nicht unheimlich – eher wie das Gewicht eines Blickes auf der Haut. Ich atmete tief durch. Und zum ersten Mal seit langer Zeit… fühlte ich.
Etwas war da. In mir. Oder um mich. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es war kein Schmerz. Kein Glück. Kein Hunger, keine Angst. Es war… ein Vibrieren. Wie das Flimmern der Luft über heißem Asphalt. Wie ein Gedanke, der nicht mir gehörte.
Ich schloss die Augen und hörte. Und die Welt hörte mit mir auf zu atmen. Kein Wind. Kein Rascheln. Nur mein Herz, das dumpf in meiner Brust pochte. Wie ein Echo. Wie ein Ruf.
Was, wenn du nicht das bist, was du glaubst zu sein?
Ich öffnete die Augen. Die Stadt lag vor mir wie eine Kulisse – zu perfekt, zu ruhig. Als hätte sie gewartet. Auf mich. Oder auf das, was ich mitbringen würde.
Ich hatte keine Familie, kein Zuhause, kein Plan. Nur diese Wohnung, die ich gemietet hatte, blind, ohne zu wissen, warum gerade sie mich gerufen hatte. Und eine Ahnung, die sich nicht fassen ließ: Dass ich nicht zufällig hier war.
Vielleicht beginnt jede Geschichte so. Mit einem Weggehen. Mit einem Ankommen. Mit einem Namen auf einem Schild, das man nicht vergessen kann. Und mit dem leisen Gefühl, dass man selbst nicht ganz… richtig ist.
Ich bin Lyra. Und ich erinnere mich nicht an den Anfang. Nur daran, wie es sich anfühlte, als alles still wurde.
Und irgendetwas in der Welt innehielt.
Und mich ansah.
Es beginnt.