"Du kommst zu spät, Damien."
Damiens Blick traf den seines Vaters ohne zu zögern.
Dominic Elford. Ein Mann, der ein Imperium von Grund auf aufgebaut hatte, dessen Name auf allen Kontinenten Respekt gebot. CEO von Elford Enterprises – ein multinationales Konglomerat, so gewaltig, dass sein Einfluss sich in nahezu jede erdenkliche Branche erstreckte.
Und dennoch, trotz seines Einflusses, trotz seiner Macht, trotz der kalten, einschüchternden Aura, die er ausstrahlte – Damien zuckte nicht zurück.
Der Mann war Anfang fünfzig, doch die Zeit hatte ihn kaum berührt. Seine scharfen, gemeißelten Gesichtszüge, sein ordentlich frisiertes dunkles Haar, nur leicht mit Silber durchzogen, und seine durchdringenden stahlgrauen Augen ließen ihn aussehen, als wäre er direkt aus einer maßgeschneiderten Werbung für den Erfolg selbst gestiegen.
Er war natürlich tadellos gekleidet – ein tiefschwarzer Anzug, der von stillem Reichtum sprach, eine Uhr am Handgelenk, die mehr wert war als das Jahresgehalt der meisten Menschen, und die allgegenwärtige Aura der Überlegenheit, die ihn wie ein Mantel umgab.
Einst wäre Damien unter diesem Blick zusammengeschrumpft. Hätte sich beeilt, sich zu beweisen, um einen Funken Anerkennung in der Miene seines Vaters zu finden.
Jetzt?
Jetzt grinste er nur spöttisch.
'Stellst du mich auf die Probe, alter Mann? Als ob mich das kümmern würde.'
Dominics Augen verengten sich leicht, unzufrieden über den offensichtlichen Mangel an Entschuldigung.
"Hast du vergessen, wie man eine Uhr liest?" fragte sein Vater, mit glatter, aber eisiger Stimme. "Oder hast du einfach aufgehört so zu tun, als hättest du irgendeinen Respekt für diese Familie?"
Eine perfekt formulierte Beleidigung. Scharf genug, um zu schneiden, subtil genug, um als einfache Frage getarnt zu sein.
Damien ging nicht auf den Köder ein.
Stattdessen zog er den Stuhl an seinem zugewiesenen Platz zurück – weit genug von Dominic entfernt, um deutlich als Nachgedanke zu gelten, aber nah genug, dass es unpassend gewesen wäre, ihn völlig zu ignorieren.
Bevor er sich setzen konnte, mischte sich eine weitere Stimme in das Gespräch ein.
"Vater, du gibst ihm zu viel Anerkennung. Eine Uhr lesen zu können setzt ein gewisses Maß an Intelligenz voraus."
Adeline.
Seine reizende ältere Schwester.
Damien wandte den Kopf und betrachtete die Frau, die nur wenige Plätze weiter am Tisch saß.
Adeline Elford, das Goldkind, die offensichtliche Erbin, diejenige, die nichts falsch machen konnte. Wo Dominic in Damien eine Enttäuschung sah, sah er in Adeline die Zukunft – die perfekte Nachfolgerin, diejenige, die seit ihrer Geburt darauf vorbereitet worden war, alles zu erben.
Sie war unbestreitbar schön, mit glattem, dunkelbraunem Haar, das mühelos über ihre Schultern fiel, eisigen blauen Augen, die denen ihres Vaters ähnelten, und einer Haltung, die sowohl Raffinesse als auch Überlegenheit ausstrahlte.
In einem eleganten, tiefblauen Abendkleid gekleidet, strahlte sie Kontrolle aus. Selbst die Art, wie sie ihr Weinglas zu den Lippen hob und einen langsamen, bedächtigen Schluck nahm, war ein Akt kalkulierter Anmut.
'Spielst also immer noch die Rolle der perfekten Tochter, wie ich sehe. Wie ermüdend das sein muss.'
Damiens Blick verweilte noch einen Moment länger auf Adeline, sein spöttisches Lächeln vertiefte sich, während etwas Scharfes in seinen Augen aufblitzte.
Ah, ja.
Adeline Elford – seine ach-so-perfekte ältere Schwester. Der Stolz der Familie. Die goldene Erbin. Diejenige, die jahrelang dafür gesorgt hatte, dass Damien in ihrem Schatten blieb, immer unter ihr, immer auf dem zweiten Platz.
Aber das war nicht alles, oder?
Sie war mehr als nur eine Schwester, die ihm im Weg stand.
Sie war einer der Gründe, warum Damien in der Zukunft fallen würde.
Eine der Verräterinnen.
'In Fesseln des Schicksals warst du genauso eine Schlange wie Celia. Nein – schlimmer. Denn du musstest nie vortäuschen, mich zu lieben. Du musstest mich nie täuschen. Du hast dich einfach entschieden, mich zu zerstören.'
Damien hatte stundenlang zugesehen, wie dieser vorgeschriebene Untergang sich entfaltete. Er hatte den Moment gesehen, in dem Adeline ihm den Rücken zukehrte, den Moment, in dem sie sich mit dem Mann verbündete, der ihm alles nahm.
Und in dieser Welt?
In dieser Welt, in der er die Figuren kontrollierte, in der er seine eigene Geschichte diktieren konnte?
Würde sie diese Chance nie wieder bekommen.
Sein Blick wurde kälter, nur für den Bruchteil einer Sekunde – genug, dass Adeline es gesehen haben musste. Denn ihr spöttisches Lächeln schwankte ganz leicht, als hätte sie erwartet, dass er reagieren würde wie immer.
Schüchtern. Defensiv. Machtlos.
Aber stattdessen –
Er lachte leise.
Ein tiefes, amüsiertes Geräusch, reich an Spott.
Und dann sprach er.
"Ah, Adeline," sagte er gedehnt und neigte den Kopf, als spräche er mit einem besonders begriffsstutzigen Kind. "Du hattest schon immer eine solche Art mit Worten. Es ist fast bewundernswert."
Sein spöttisches Lächeln wurde breiter.
"Für eine Schlampe."
Der Tisch verfiel in Schweigen.
Adelines Weinglas verharrte kurz bevor es ihre Lippen erreichte.
Vivienne keuchte leise, ihre Hand streckte sich instinktiv nach ihrem Sohn aus, als hätte sie sich verhört.
Selbst Dominic, der selten auf irgendetwas reagierte, was Damien tat, verengte seine Augen.
Adeline jedoch –
Adelines Stuhl kratzte über den polierten Boden, als sie ihr Glas mit einem hörbaren Klirren abstellte.
"Was," sagte sie, ihre Stimme ruhig, aber direkt darunter lag die unverkennbare Schärfe des Zorns, "hast du mich gerade genannt?"
Damien lehnte sich nicht zurück. Er zog sich nicht zurück. Er hielt ihren Blick und ließ sein spöttisches Lächeln tiefer werden, seine Belustigung über ihre Reaktion war offensichtlich.
'Ah, was ist los, liebe Schwester? Dachtest du, du könntest Gift spucken, ohne jemals selbst welches zu schmecken?'
"Habe ich gestottert?" sinnierte er und stützte sein Kinn auf seine Handfläche. "Ich denke, du hast mich ganz genau verstanden."
Adelines Lippen öffneten sich, ein scharfes Einatmen – Wut baute sich unter der perfekten, einstudierten Maske auf, die sie immer trug.
Und dann –
Ding!
Ein scharfer, aufdringlicher Ton hallte in Damiens Kopf wider.
Dann –
Schmerz.
Eine kalte, packende Kraft umklammerte seine Brust, ergriff seine Muskeln wie unsichtbare Ketten, erstickend, überwältigend. Sein Atem stockte für eine halbe Sekunde – nur eine halbe Sekunde – aber es war genug.
Sein Körper wusste Bescheid.
Er erkannte Adeline.
Genau wie bei Elysia krallte sich ein unnatürlicher, herzzerreißender Impuls in ihm fest, schrie ihn an, sich zu beugen, zu knien, sich zu unterwerfen. Aber anders als bei Elysia – dies war schlimmer.
Ding!
[Warnung! Der Wirt hat sich direkt einer Kernfigur seines Untergangs widersetzt!]
[Die Auswirkungen der Eigenschaften (Naiver Narr) und (Simp) haben sich verstärkt!]
[Physischer Widerstand ist um 20% gesunken. Mentaler Widerstand ist um 35% gesunken.]
Eine übelkeitserregende Welle der Schwäche durchflutete seine Glieder.
Seine Fingerspitzen zuckten auf der polierten Oberfläche des Tisches. Seine Beine fühlten sich träge an, als wären unsichtbare Gewichte an ihnen befestigt. Sein Atem wurde langsamer, flacher. Sein Puls hämmerte in seinem Schädel.
Denn dies war anders.
Elysia war eine Außenseiterin gewesen – eine überwältigende, dominante Präsenz, aber eine neue.
Adeline?
Adeline war Teil seiner Geschichte gewesen. Seines Falls.
In Fesseln des Schicksals war sie eine der Architektinnen seines Leidens gewesen. Eine derjenigen, die gelacht hatte, als er alles verlor.
Und sein Körper erinnerte sich.
Er erinnerte sich an die Hilflosigkeit. Die Qual. Die absolute Gewissheit, dass er ihr gegenüber machtlos war.
Selbst jetzt wollte ein tief verwurzelter Teil von ihm – der Teil, der von diesem verdrehten Spiel geformt worden war – unter ihr zerbrechen.
Wollte sich entschuldigen.
Wollte es zurücknehmen.
Ding!
[Instinktive Reaktion des Wirts: Unterwerfung.]
[Verarbeitung...]
[Fehler.]
[Wirt hat automatische Reaktion abgelehnt.]
Und dann –
Etwas zerbrach.
In dem Moment, als das System versuchte, seinen Körper zum Beugen zu zwingen, wehrte sich etwas in ihm. Eine rohe, unnachgiebige Kraft.
Es war nicht das System.
Es war keine künstliche Korrektur.
Er war es.
'Nein.'
Die Schwäche in seinen Gliedern? Er ignorierte sie.
Die Enge in seiner Brust? Er zerquetschte sie unter seinem Willen.
Den erstickenden Impuls, den Blick zu senken? Er trotzte ihm.
Und stattdessen –
Hielt er ihren Blick.
Ding!
[Warnung! Direkter Trotz erkannt.]
[Verarbeitung...]
[Neuer versteckter Parameter etabliert: Trotz gegen das Schicksal.]
Adeline starrte ihn immer noch an, ihre Augen jetzt von ungezügelter Wut erleuchtet.
"Du arroganter, nutzloser kleiner –" zischte sie, aber Damien hörte sie kaum.
"Halt."