Vivienne atmete leise aus und schüttelte den Kopf, als sie ihren Blick wieder zu Damien wandte. In ihrem Gesichtsausdruck lag kein Zorn, nur Enttäuschung.
"Du bist zu weit gegangen," sagte sie, ihre Stimme trug dieselbe sanfte Autorität wie zuvor. "Du solltest dich bei deiner Schwester entschuldigen."
Damien blinzelte kaum.
"Wofür?"
Sein Ton war gleichmäßig, unerschütterlich.
"Ich bin hierhergekommen, um mit meiner Familie zu essen," fuhr er fort, seine Stimme glatt, aber bestimmt. "Nicht um hier zu sitzen und mir Beleidigungen anzuhören, die mir entgegengeschleudert werden. Ich war nicht derjenige, der angefangen hat."
Viviennes Lippen pressten sich zusammen, eine leichte Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen. "Das sehe ich," gab sie zu, "aber das rechtfertigt nicht, was du gesagt hast. Du hattest keinen Grund, solch vulgäre Worte zu benutzen. Das ist eines Elford unwürdig."
Damien lachte leise. "Oh? Und was ist mit Adeline? Waren ihre Worte eines Elford würdig?"
Vivienne seufzte erneut, antwortete aber nicht sofort.
Es war Dominic, der als Nächstes sprach.
"Sie hat Recht."
Damien drehte seinen Kopf leicht und begegnete dem Blick seines Vaters.
Dominics stahlgraue Augen waren kalt, erfüllt von stiller Missbilligung. Er hatte während des Austauschs nicht viel gesprochen, aber jetzt, da er es tat, trug seine Stimme ein unbestreitbares Gewicht.
"Du wurdest provoziert, ja. Aber deine Reaktion war übertrieben," sagte Dominic, seine Worte knapp, abgemessen. "Dein Verhalten heute Abend war beschämend."
Sein Blick verschärfte sich. "Du wirst dich entschuldigen."
Damien hielt den Blick seines Vaters stand.
Und dann—
Ein langsames Grinsen umspielte seine Lippen.
"Ich weigere mich."
Die Luft im Raum schien schwerer zu werden.
Damien beobachtete den Gesichtsausdruck seines Vaters genau, sein Grinsen verweilte noch, aber sein Verstand zerlegte bereits jede Reaktion.
'Ah. Dieses gereizte Ausatmen. Dieser scharfe Blick. Diese leise Anspannung in seinem Kiefer.'
Dominic Elford war kein impulsiver Mann. Er brach nicht in Wut aus, schrie nicht, verschwendete keine Energie für offensichtliche Machtdemonstrationen.
Nein, die Macht seines Vaters lag schon immer in der Kontrolle. Kalte, präzise, erstickende Kontrolle.
Und jetzt?
Damien hatte daran gekratzt.
'Ich frage mich, wann das letzte Mal war, dass jemand dir rundheraus die Stirn geboten hat, Vater.'
Dominics Finger trommelten einmal gegen den Tisch, langsam, methodisch. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und atmete aus, als ob das Gespräch ihn nicht mehr interessierte.
Ein einstudierter Zug.
Ein kalkulierter Rückzug.
Damien hätte fast gelacht.
'Du denkst, mich zu ignorieren lässt mich verlieren? Dass desinteressiert zu wirken dich wieder in Kontrolle bringt?'
Nein.
Denn diesmal war er derjenige, der das Gespräch diktierte.
Sein Vater hatte einen Befehl erteilt.
Und Damien hatte ihn verweigert.
Und trotz seiner Versuche, unbeeindruckt zu wirken, trotz der Art, wie er versuchte, seine Irritation unter Gleichgültigkeit zu verbergen—
Damien hatte gewonnen.
Nicht nur gegen Adeline. Nicht nur gegen seinen Vater.
Sondern gegen den Damien Elford, der einst in diesem Haus existierte.
Denjenigen, der nachgegeben hätte. Denjenigen, der zusammengezuckt wäre. Denjenigen, der seinen Stolz hinuntergeschluckt und sich ihren Erwartungen gebeugt hätte.
'Ich bin nicht mehr dieser Mann.'
Ein langsamer, zufriedener Atemzug füllte seine Lungen, obwohl sein Gesichtsausdruck sich nicht veränderte.
Vivienne sah ihn noch immer an, beobachtete ihn, ihre eigenen Gedanken verborgen hinter diesen stets sanften smaragdgrünen Augen.
"Ich werde ihn nicht zwingen, sich zu entschuldigen," hatte sie gesagt.
Die Worte waren wie eine Erklärung gelandet.
Dominic hatte sie nicht gemocht. Das war offensichtlich. Aber Damien hatte das erwartet.
Die eigentliche Frage war—
Warum hatte Mutter das getan?
Es war nicht so, als ob Vivienne Konflikte genoss. Das hatte sie nie. Sie war immer die Friedensstifterin, die sanfte Präsenz inmitten all der kalten Ambitionen der Familie.
Und dennoch—
Sie hatte seine Seite ergriffen.
Nicht direkt. Nicht aggressiv.
Aber genug.
'Ist es Liebe, Mutter? Oder ist es Mitleid?'
Sah sie in ihm immer noch das Kind, das ihren Schutz brauchte? Den schwachen, kämpfenden Sohn, der sich nicht gegen Dominic und Adeline verteidigen konnte?
Wenn ja, dann lag sie falsch.
Er brauchte keinen Schutz.
Nicht mehr.
"...Nun gut," sagte Dominic schließlich, seine Stimme glatt, aber knapp, seine Augen ruhten erneut auf Damien.
Nicht mit Anerkennung.
Damien ließ sich in seinen Sitz sinken, seine Bewegungen ungehetzt, bedacht. Die Spannung hing noch in der Luft wie das verblassende Echo eines Kampfes, aber er schenkte ihr keine Beachtung mehr.
Die Diener betraten den Raum mit geübter Effizienz, ihre weißbehandschuhten Hände trugen silberne Tabletts mit Speisen—exquisit, raffiniert, mit der Präzision zubereitet, die man vom Haushalt der Elfords erwartete. Aromen von angebratenem Steak, reichhaltigen Saucen und delikaten Beilagen erfüllten den Raum, als das Essen vor ihnen platziert wurde.
Er nahm sein Besteck mit Leichtigkeit auf und nahm sich einen Moment Zeit, um durch das zarte Fleisch zu schneiden, und bemerkte, wie still der Tisch geworden war, nachdem Adeline gegangen war. Die Abwesenheit ihrer Präsenz war fast amüsant—sie war immer die lauteste Stimme neben ihrem Vater gewesen.
Aber gerade als Damien seinen ersten Bissen nahm, sprach Dominic.
"Dein Schulsemester beginnt nächste Woche, richtig?"
Eine Feststellung, keine Frage.
Damien schluckte sein Essen gemächlich, bevor er ein kleines Nicken anbot. "Das ist korrekt."
Dominic nahm einen Schluck seines Weins, sein Gesichtsausdruck unlesbar. Aber in dem Moment, als er das Glas zurück auf den Tisch stellte, wurden seine nächsten Worte mit derselben ruhigen Autorität gesprochen.
"Deine bisherigen Ergebnisse waren eine Schande für diese Familie. Sorge dafür, dass du deine Noten von jetzt an verbesserst."
Damien kaute weiter, unbeeindruckt von der Bemerkung.
Ah. Das war also der nächste Punkt auf der Tagesordnung.
Natürlich würde sein Vater es nicht ignorieren.
Der alte Damien—derjenige aus Fesseln des Schicksals—war eine Verschwendung gewesen. Faul. Genusssüchtig. Ein verwöhnter Narr, der den Reichtum seiner Familie als selbstverständlich angesehen hatte. Er war durch die Schule geschlittert, hatte nie Mühe investiert, sich nie um Erwartungen gekümmert, überzeugt, dass als Sohn von Dominic Elford alles einfach an seinen Platz fallen würde.
Er hatte sich in Mittelmäßigkeit verrotten lassen, ertränkt in Lastern—Luxus, Drogen, Clubs, flüchtige Vergnügungen—um der Leere zu entkommen, der ungewollte Sohn zu sein.
Und sein Vater hatte ihn dafür verachtet.
Als seine Noten gesunken waren, als er immer wieder bewiesen hatte, dass er des Namens Elford unwürdig war, hatte Dominic aufgehört, ihn als Nachfolger zu betrachten.
Hatte aufgehört, ihn überhaupt anzuerkennen.
Deshalb gab es in Fesseln des Schicksals, als sein Untergang kam—als er verlassen, gedemütigt, beiseite geworfen wurde—kein Zögern.
Keinen Widerstand von Dominic.
Weil er in den Augen seines Vaters schon lange vorher verloren gewesen war.
Aber jetzt?
Jetzt waren die Dinge anders.
Damien legte seine Gabel nieder und tupfte seine Lippen mit der Serviette ab, sein Ausdruck kühl, als er den Blick seines Vaters erwiderte.
"Ich verstehe," sagte er schlicht.
Nicht defensiv. Nicht weinerlich.
Nur Anerkennung.
Und doch schien diese Antwort allein Dominic zu stören. Die Augen seines Vaters verengten sich leicht, als ob er nach den üblichen Ausreden suchte, den leeren Versprechen der Besserung, den erbärmlichen Versuchen, Versagen zu rechtfertigen.
Aber es gab keine.
Nur eine ruhige, unerschütterliche Akzeptanz.
Bevor Dominic mehr sagen konnte, seufzte Vivienne und wandte sich ihrem Ehemann zu, ihre grünen Augen scharf vor Missbilligung.
"Setz ihn nicht unter Druck," sagte sie, ihre Stimme fest, aber immer noch mit dieser sanften, mütterlichen Sorge. "Er hat schon genug durchgemacht."
Dominic atmete scharf durch die Nase aus, sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. "Das kann so nicht weitergehen," sagte er, sein Ton knapp, keinen Widerspruch duldend. Er stellte sein Weinglas mit leiser Präzision ab, seine Finger bildeten ein Dach vor ihm, während sein Blick sich in Damien bohrte.
"Wir haben dieses Gespräch schon einmal geführt," fuhr er fort, seine Stimme glatt, aber mit anhaltender Frustration. "Zu viele Male, um genau zu sein. Verstehst du überhaupt, was auf dem Spiel steht? Oder hast du vor, ein weiteres Jahr in Mittelmäßigkeit zu verschwenden?"
Damien blieb still und ließ die Worte seines Vaters wie ein bedrückendes Gewicht über dem Tisch schweben.
Es war ein vertrautes Drehbuch.
Eines, das sich unzählige Male in seinem Leben abgespielt hatte.
Das Gespräch.
Wo Dominic ihm gegenübersaß, das perfekte Bild der Kontrolle, und Damiens Versagen eines nach dem anderen auflistete. Sein Mangel an Disziplin. Sein verschwendetes Potenzial. Die pure Peinlichkeit, mit jemandem in Verbindung gebracht zu werden, der den Namen Elford trug, aber nichts von dem Ehrgeiz, der damit einherging.
Einst hatte Damien diese Gespräche mit geballten Fäusten unter dem Tisch ertragen, Frustration zurückhaltend, wissend, dass es keinen Sinn hatte, dagegen anzukämpfen.
Jetzt?
Jetzt beobachtete er einfach.
'Vater, du machst einen Fehler,' sinnierte er innerlich, während er zusah, wie Dominic fortfuhr. 'Du denkst, das ist dasselbe wie früher. Dass ich derselbe bin wie früher.'
Aber das war er nicht.
Und das würde bald klar werden.
Bevor Damien sprechen konnte, stieß Vivienne einen weiteren Seufzer aus und schüttelte den Kopf.
"Er wird sich ändern," sagte sie, ihre Stimme trug eine leise Beharrlichkeit. "Du bist zu hart zu ihm."
Dominics Augen flackerten zu ihr hinüber, sein Gesichtsausdruck unlesbar. "Bin ich das?"
"Ja," sagte sie einfach, ihr Blick unerschütterlich. "Du tust so, als wäre er nicht fähig zu wachsen, aber ich weiß, dass das nicht stimmt."
Eine kurze Stille.
Dann lehnte sich Dominic in seinem Stuhl zurück und atmete wieder durch die Nase aus.
"Das habe ich schon einmal gehört," sagte er, sein Ton unlesbar. "Ich höre es seit Jahren, Vivienne. Und doch ändert sich nichts."
Er wandte seinen Blick zurück zu Damien.
"Hier geht es nicht um Verhätschelung," fuhr er fort, seine Stimme scharf. "Du bist mein Sohn. Das allein bedeutet Erwartungen. Der Name Elford ist nichts, was du dir leisten kannst, durch den Schmutz zu ziehen."