Jeans Leben

Ich will sterben!

An manchen Tagen wachte Jean mit dem Gefühl auf, als würde sie ersticken. Heute war einer dieser Tage.

Die tickende Uhr an der Wand klang lauter als sonst, eine rhythmische Erinnerung daran, dass die Zeit niemals stehen blieb... nicht einmal, wenn sie es sich wünschte.

Jean saß am Frühstückstisch, an demselben Platz, an dem sie schon die letzten fünfundzwanzig Jahre gesessen hatte, aber heute lastete das Gewicht des Raumes auf ihrer Brust. Darla Adams, ihre Mutter, blickte kaum von ihrem perfekt gebutterten Toast auf. Der Blick ihrer Mutter war kalt, als er vom Toaster zu Jeans Gesicht wanderte, als würde sie ein Produkt unter hartem Licht inspizieren.

"Du siehst müde aus." Fragte sie, ohne aufzublicken. Ihre Stimme war glatt, distanziert, als würde sie eine Beobachtung über das Wetter machen. Sie legte ihr Messer mit einem leisen Klirren ab. "Hast du überhaupt in den Spiegel geschaut, bevor du heruntergekommen bist?"

Jean schluckte und umklammerte das kühle Glas Orangensaft. "Ich dachte nicht, dass es nötig wäre."

Aber das war nicht einmal eine Frage, es war eher eine Forderung. "Wenn irgendein Paparazzi ein Foto von deinem Gesicht macht, würde das unnötige Kontroversen auslösen."

Ihr Vater, Derek Adams, der am Kopfende des Tisches saß, räusperte sich. "Deine Mutter hat Recht. Die Leute bemerken solche Dinge." Er nahm einen langsamen Schluck von seinem Kaffee. "Bist du sicher, dass du dich gesund ernährst? Vielleicht solltest du weniger Brot essen."

Jeans Magen verkrampfte sich, sie presste ihre Lippe zusammen und unterdrückte die Worte, die an die Oberfläche drängten, aber sie zwang sich zu einem kleinen, freundlichen Lächeln. "Mir geht es gut." Sie hoffte, dass sie sie wenigstens für einen Moment in Ruhe essen lassen würden.

Ihr älterer Bruder, Alex, nahm das Gespräch kaum zur Kenntnis, zu sehr in sein Handy vertieft. Aber selbst sein Schweigen hatte Gewicht. Das stille Urteil in seiner Anwesenheit war immer präsent, wie ein Geist, der im Hintergrund lauerte. Er war das Goldkind, derjenige, der nie strauchelte, nie enttäuschte. Jean hingegen war die Familienverpflichtung.

Darla legte schließlich ihren Toast beiseite und sah sie direkt an, ihre Stimme durchschnitt die Stille. "Wir haben ein weiteres Date für dich arrangiert. Du musst hingehen, Jean. Es ist an der Zeit." Die Worte ihrer Mutter fühlten sich nicht wie ein Vorschlag an, eher wie eine Regel.

Da war es. Die unvermeidliche Forderung.

Jeans Griff um ihre Gabel verstärkte sich, aber ihr Gesichtsausdruck blieb neutral. "Ich werde darüber nachdenken."

"Das wirst du." Der Blick ihrer Mutter wurde schärfer. "Das ist wichtig für deine Zukunft."

Nein, das ist wichtig für deinen Ruf, wollte Jean sagen. Stattdessen nickte sie nur und ließ das Gespräch sterben.

Und damit hatte Jeans Tag bereits begonnen, bevor die Sonne vollständig aufgegangen war.

Das sanfte Brummen ihres Automotors war das einzige Geräusch, als sie durch die frühmorgendlichen Straßen fuhr. Die Stadt sah zu dieser Stunde anders aus, in goldenes Licht getaucht, fast friedlich. Weg von den kalten Mauern des Anwesens ihrer Familie konnte sie atmen. Weg von den kalten Augen ihrer Familie und dem erdrückenden Gewicht ihrer Erwartungen.

Als sie die Innenstadt erreichte, ließ der Anblick des glänzenden Glasgebäudes vor ihr ihre Schultern entspannen. Divine Beauty.

Ihr Unternehmen. Ihre Flucht.

Jede Etage dieses Gebäudes beinhaltete Jahre unermüdlicher Arbeit... lange Nächte, Misserfolge, Siege. Als sie ihre Bio-Hautpflegemarke gründete, glaubte niemand, dass sie es schaffen könnte. Nicht ihr Vater, nicht Alex, und schon gar nicht ihre Mutter. Aber jetzt?

Jetzt war Divine Beauty überall.

Werbetafeln zeigten ihre Produkte in leuchtenden Farben, Schaufenster trugen ihren Namen, und in den sozialen Medien wurde ihre komplett natürliche Hautpflegelinie gelobt. Dies war mehr als nur ein Geschäft. Es war der Beweis, dass sie kein Versager war.

Sie parkte auf ihrem reservierten Platz, das kleine Schild neben der Luxuslimousine mit der Aufschrift Jean Adams – CEO. Es war nicht viel, nur ein bescheidenes kleines Schild neben einer Luxuslimousine, aber es fühlte sich immer noch wie ihr persönlicher Triumph an.

Ein Titel, den sie sich verdient hatte, ohne Dank an ihre Familie.

Sie schloss ihr Auto ab und ging zum Eingang, die Glastüren öffneten sich mit einem sanften Rauschen. Als sie eintrat, begrüßte sie der vertraute Duft von Rose und Jasmin. Dieser Ort war nicht nur ein Büro. Es war ihr Zufluchtsort.

Drinnen war die Atmosphäre anders. Hier gab es keine Verurteilung, keine Erwartungen.

Das gehört mir und nur mir allein.

"Guten Morgen, Jean!" Emma, ihre Assistentin und die einzige Cousine, der sie vertraute, rief vom anderen Ende des offenen Büros.

Jean bot ein kleines Lächeln an. "Morgen, Emma. Wie sieht es heute aus?"

"Alle Systeme sind startklar. Die neue Linie ist bereit für den Launch, und die Marketingkampagne beginnt nächste Woche. Ich werde dir die endgültigen Details bis Mittag auf den Schreibtisch legen."

Jean nickte, bereits in Gedanken voraus. "Perfekt. Außerdem... was würdest du sagen, wenn wir eine Kleidungslinie starten würden?"

Emmas Augen weiteten sich, dann breitete sich ein wissendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. "Ich denke, du hast es bereits alles in deinem Kopf geplant."

Jean schmunzelte. "Vielleicht." Ihre Gedanken drifteten bereits zu den nächsten Schritten. Sie hatte tausend Dinge zu tun, aber in diesem Moment, umgeben von den Produkten, die sie geschaffen hatte, fühlte sich das Gewicht der Welt nicht so schwer an.

Ihr Unternehmen ist ihre Freiheit.

"Sag mir bitte meinen Zeitplan, Emma."

Emma reichte ihr einen Ordner, zögerte aber, bevor sie sprach. "Da ist etwas, das du wissen solltest."

"Was?" fragte Jean.

"Deine Mutter hat heute Morgen angerufen."

Jeans Lächeln verschwand. "Natürlich hat sie das. Was will sie?"

Emma verzog das Gesicht. "Sie hat mich gebeten, deinen Terminkalender für heute Abend freizuhalten. Du hast ein Blind Date. Sie hat auch einen Spa-Termin und eine Designer-Anprobe vor dem Dinner gebucht."

Jeans Finger ballten sich zu einer Faust auf dem Schreibtisch. "Ich kann das nicht glauben. Sie ist wirklich verzweifelt, dass ich zu diesem Blind-Dinner-Date gehe."

Emma seufzte. "Es tut mir leid. Ich konnte nicht nein sagen. Du weißt warum."

Jean atmete langsam aus. "Ich weiß. Es ist nicht deine Schuld. Ich kann dir keine Vorwürfe machen, wenn ich diejenige sein sollte, die es ihr ins Gesicht sagen sollte, aber es nie kann."

Dennoch ließ der Gedanke, ihren Abend mit einem weiteren sinnlosen Date mit irgendeinem eingebildeten Mann zu verschwenden, ihr Blut kochen.

Der Abend kam zu schnell.

Jean betrat das warme, kerzenbeschienene Restaurant und fürchtete sich bereits vor dem Abend. Sie wappnete sich für ein unbehagliches Gespräch, falsche Lächeln und noch einen Mann, der dachte, er würde ihr einen Gefallen tun, indem er auftauchte.

Aber als sie den Raum überblickte, stockte ihr der Atem.

An ihrem Tisch saß nicht ihr Blind Date.

Er war es.

Ihr Blut verwandelte sich in Feuer, als ihr Blick auf den Mann fiel, den sie am meisten verabscheute.

"Logan Kingsley."

Als ob er ihre Anwesenheit spürte, drehte er sich um... langsam, bewusst. Und dann breitete sich dieses verdammte Grinsen auf seinem Gesicht aus.

Jeans Füße bewegten sich wie von selbst und brachten sie direkt zu seinem Tisch. "Was zum Teufel machst du hier, Logan?"

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ein Bild der Arroganz. "Ich warte auf dich, Prinzessin." Er zwinkerte.

Jeans Kiefer spannte sich an.

Warum zum Teufel hat er das gesagt?