Kapitel 12: Der Sebteka Amoklauf 

Das war mal ein wenig ein ernsteres Kapitel. Wie verfahren wir nun?

Ich werde einfach mal alles, was in diesen Jahr vorgefallen ist mehr oder weniger zusammenfassen und verschleiern, falls jemand das Kapitel übersprungen hat. 

Im Sommer des nächsten Jahres packten wir unsere Taschen, um uns auf nach Sebteka zu machen. Es war kurz nach Kallis sechsten Geburtstag, kurz vor der Einschulung, also kurz vor dem Sternzeichen Jungfrau. Wenn wir aus Sebteka wiederkommen würden, wäre am nächsten Tag schon Kallis erster Schultag. Sie war deswegen so aufgeregt. Kalli konnte ja schon lesen schreiben und ein bisschen mit Glitzer umgehen, weswegen ich mir sicher war, dass sie gut genug für die Grundschule sein würde. Auch mit ihren Visionen und den anderen Charakteristischen Züge weiblicher Magier kam sie einigermaßen zurecht, eigentlich hätten wir uns das mit der Grundschule auch sparen können. Sie würde nach der Grundschule entweder bei Merlin oder bei mir in die Magielehre gehen. Wahrscheinlich bei mir, ich war schon ein von Rang Neun. Laut Merlin könnte ich mit sechzehn, siebzehn schon unsterblich sein. Für ein Teenager hörte sich das zu dem Zeitpunkt verlockend an, später sollte es ziemlich nervig werden, du wirst einfach von niemandem ernst genommen. Zum Geburtstag würden auch noch Rulan und die Dämmerungsmagier und Harus aus den Highlands anreisen, weswegen ich meinen besten Aufzug anziehen musste. Also packte ich sehr zu meinen Widerwillen, ein Kleid ein, ich hatte seit sechs Jahren keines mehr tragen müssen. Es war ein rubinrotes Kleid, das mir bis über die Knie ging. Darüber trug ich meine hellblaue Jeansjacke und meine schwarzen Springerstiefel, zusätzlich auch noch meine regulären Klamotten. Mein rot-weiß gestreiftes Oberteil, meine hellblaue Jeans und meine normalen, braunen Stiefel. Kalli rannte zu mir, hinter ihr ihre drei Frettchenschlangen. Wir hatten, wie Merlin bereits angekündigt hatte, mehr Tiere hergeholt. Unter meiner Hängematte lag ein verwaistes, blaues Kitsune Baby, dass ich Blue getauft hatte, auf meinen Fensterbrett lag ein Schnu, eine Katze mit Flügeln und Stachelschwanz, namens Sienna irgendwo flog ein kleiner Drache herum, auch verwaist, Elfen konnten so grausam sein, und das war erst der Anfang. Wo war ich? Ach ja, Kalli zupfte an meinen Shirt und fragte: 

„Loki, hilfst du mir meinen Koffer zu schließen?"

Ich wuschelte durch ihre schönen braunen Haare und nickte. Meine kleine Schwester wurde Tag für Tag hübscher und ich musste schon anfangen ältere Jungs von ihr fernzuhalten, mit älter meine ich allerhöchsten zwei Jahre älter, würde ein Erwachsener meine damals sechs Jahre alte Schwester anmachen, wäre das letzte, was er sehen würde Abendrots Klinge, und mir ist und war es so egal, dass ich dafür ins Gefängnis kommen könnte. Wie dem auch sei, klein Kalli zog mich zu sich ins Zimmer. Ich sah ihren Koffer und war wie erschlagen. Der Koffer quillte über vor Klamotten. 

„Kalli du solltest nur für ein Wochenende packen. Wir ziehen nicht um."

„Jaja, anders als du, habe ich keinen Kosmosbeutel und ich will mir ein paar Kleidungsoptionen offenhalten, so wie Thalia."

Oh nein, sie fing an, Thalia zu imitieren, obwohl sie eigentlich ganz anders war. Innerlich hatte ich schon befürchtet, dass meine Schwester genauso wird wie meine hirnlose und hohle Freundin. Ja, ich hielt es noch immer mit ihr aus. Ich mochte sie… aber eigentlich hatte ich eine andere Vorstellung von Beziehung, aber das habe ich ja auch schon erklärt. 

„Kalli, zwei oder drei sind okay, aber dein halben Kleiderschrank nimmst du bitte nicht mit. Wer soll diesen überfüllten Koffer überhaupt tragen? In meinen Kosmosbeutel tu ich das nicht und Merlin sicher auch nicht."

sagte ich und versuchte nicht allzu sehr genervt zu klingen. 

„Dann hilf mir bitte, mich zu entscheiden."

Innerlich verdrehte ich die Augen, ich lehnte mich über ihren Koffer und zog zwei drei schöne Kleider heraus. 

„Danke, ich liebe diese Kleider."

Sie packte die Kleider ein und packte danach etwas ein, dass mich doch aufatmen ließ, ihre Bücher und ein Holzschwert. 

„Ich bin so erleichtert, jetzt kann ich meine liebsten Sachen doch mitnehmen. Loki, können wir noch im Buchladen vorbeischauen? Ich will den nächsten Band davon?"

Fragte sie und zog einen Schmollmund. Moon sei Dank, sie hatte doch ihren eigenen Weg gewählt. Ich hätte mir nur gewünscht, dass sie nicht ganz so wie ich wäre. 

„Frag doch mal Merlin, ob er das Buch in seiner Sammlung hat. Und noch was, was hast du gemeint, als du gesagt, hast dass du erleichtert bist, dass du deine Lieblingssachen mitnehmen kannst?"

Sie sah mich kurz verwirrt an, bevor sie sagte:

„Naja, Thalia…"

„Tu mir ein Gefallen, mach nicht alles nach, was Thalia macht. Du bist gut so wie du bist."

Sie umarmte mich und lief danach zu Merlin, der gerade seine Haarpflegeprodukte einpackte. Ich seufzte und machte mich wieder daran, die Sachen für die Tiere einzupacken, ja die Tiere würden uns nach Sebteka begleiten. Naja, wenigstens hatte Kalli schon ihre Frettchenherde Reise fertig gemacht, sie kümmerte sich herrlich um die drei, ich kümmerte mich um den Rest. 

„Loki! Hol deinen Drachen ab!"

Schrie Ignis aus der Küche hoch, fast schon wie auf Stichwort. 

„Nicht schon wieder."

Motzte Roro. Mit einem Seufzen rannte ich runter und packte meinen Drachen unter den Flügel. Sie war eine Drachin, die Rubinrote Schuppen hatte, goldene Augen und Fledermausartige Flügel. Roro fauchte sie an. Wir hatten sie erst vorgestern gefunden, als ich Rulan und Rania eigentlich nur das Geschenk vorbeibringen wollte, was ich für sie für Thorsten besorgt hatte, deswegen hatte sie noch keinen Namen. Unten hatte sie die Küche auf der Suche nach Fleisch auseinandergenommen. 

„So junge Dame, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?"

fragte ich und hielt sie an den Flügeln vor mein Gesicht. 

„Blue und Sienna machen weniger Arbeit!"

Kreischte mir Ignis dazwischen. 

„Ich hab Hunger, verdammt!"

„Was haben wir gesagt, zu wem du gehen sollst, wenn du Hunger hast!"

„Zu dir, aber du bist einfach zu feige, um mir endlich einen Namen zu geben! Du nennst mich nur junge Dame, junge Dame, du ideenloses Wrack!"

„Fluch nicht so herum! Ich kann dich auch wieder aussetzen, ich gebe dir einen Namen, wenn ich dir einen gebe!"

Sie knurrte mich an. Ich war so kurz davor, diesen fiesen Drachen aus dem Haus zu werfen, aber mit aller Kraft! Doch bevor ich sie rauswerfen konnte, hielt mich Kalli auf. 

„Bitte nicht, Loki, sieh sie dir mal an, sie ist so süß."

Dieser kleine Drache fletschte und knurrte mich gerade an, ich war mir absolut sicher, wenn ich ihr eine Chance geben würde, würde sie mir das Gesicht zerfetzen. Aber Kallis kleinen Hundeaugen konnte ich nicht widerstehen. Also sagte ich:

„Wenn ich dir einen Namen gebe, lässt du mich dann in Ruhe?"

Sie nickte. Ich seufzte tief und sagte:

„Gut, hiermit heißt du Hood."

Der erste Name, der mir einfiel, war der Name des legendären Robin Hood, aber Robin passte nicht so ganz zu ihr, also Hood. 

„Was für ein bescheuerter Name!"

Ich seufzte das dritte Mal hintereinander. 

„So und nun packen wir weiter, wir sollten um sechs Uhr heute Abend dort sein."

Murmelte Merlin etwas verschlafen, ja Ignis hatte es gewagt ihn vor neun Uhr zu wecken. Merlin arbeitete lieber bis spät in die Nacht mit mir. Zurzeit lernten wir beide wahnsinnig viel, denn Merlin hatte etwas Besonderes mit mir vor. Wie ich schongesagt hatte, Merlin galt als Ausnahmetalent und inoffiziell als Stärkster Magier im modernen Elystria. Bisher habe ich in dieser Biografie nicht viel durchsickern lassen, warum das so ist. Agilita duplica ist zwar Merlins besondere Fähigkeit, aber er hatte noch einiges mehr drauf. Es gibt etwas namens verlorene Techniken. Das sind unter anderem die sogenannten Anuyomi-Techniken, schwerer Name, keine Ahnung, was sich die alten Okkultisten sich dabei gedacht haben. Die sogenannten Okkultisten, also die „Negativen" zur Zeiten der Urmagier, haben diese Techniken heraufbeschwört, um Kriege zu führen, für was den auch sonst. Als die Geschwister dann die Magie revolutioniert haben, haben sie bewusst nur zwei dieser Techniken, die Geisterbeschwörung und die Beschwörung niederer, sehr schwacher Dämonen, übernommen. Anuyomi ist wahnsinnig gefährlich für einen selbst. Okkultisten und Urmagier waren eh schon sehr instabil, mit Anuyomi wurden sie noch instabiler und zerplatzten einfach noch schneller, wenn sie die Kontrolle verloren. Um zu vermeiden, dass den Negativen die Anuyomi Techniken in die Hände fielen, vernichteten Moon und Solar alle Aufzeichnungen darüber. Naja, alle außer eine verbrannte Seite, die Merlin als Jugendlicher fand und heimlich einsteckte. Er war damals dreizehn und erzählte niemanden, nicht einmal Mewina oder Urian, die seine engsten Vertrauten waren, davon. Er experimentierte damit herum, bis er merkte, wie er sie einzusetzen hatte, ohne an einen Kontrollverlust zu sterben. Da ich mit Lektion acht, die nur aus einen Zauberspruch besteht, durch bin und diese mit Bravour gemeistert hatte, hat er mir versprochen mir die berühmten Merlin Techniken, wie sie nun genannt wurden, weiterzugeben. Darauf war ich so verdammt stolz. Merlin war immer sehr eigen, was seine eigenen Techniken anging. Vielleicht hatte er Angst, dass er danach nicht mehr als so unbesiegbar galt. Warum wollte er sie mir also nun doch beibringen? Sagen wir es mal so, ich habe ihn ganz schön mürbe gemacht. Kleiner Tipp, für alle, die was von Merlin wollen, fragt ihn jede Nacht um dieselbe Uhrzeit, tagsüber kann er das ab, aber nachts… Sein Schlaf war ihm halt schon immer wichtig. Ich nahm Hood mit nach oben und setzte sie zu Blue, die ihre kleine Halbschwester etwas müde ansah. Ich war froh, die Beiden hatten sich schnell angefreundet und Blue konnte sie wenigstens ein bisschen zurückhalten. Sienna, der alte Schnu Kater, gesellte sich zu mir und schmiegte sich an mich, während die Beiden kleinen sich rege unterhielten. Ich nahm ihn hoch und setzte ihn in ein tragbares Körbchen. Er miaute, als würde er Danke sagen wollen. Manche magischen Wesen lebten ewig, manche nur sehr lange, ich war froh, dass Roro mir ewig erhalten blieb. Blue und Hood würden auch ewig leben, aber die Frettchen von Kalli und der alte Schnu Kater vor mir hatten eine Lebenserwartung von circa zweitausend Jahren, wovon bei Sienna nur noch zehn, vielleicht fünfzehn Jahre übrig waren, die er aber in Ruhe und Frieden bei mir verbringen durfte. Ich bewunderte den alten Schnu, er hatte miterlebt wie damals Solar und Moon Nightmare und Day Light gefangen nahmen. Er hatte gesehen, wie die Anderswelt davor aussah. 

„Hey ihr beiden, kommt her."

Mein kleiner Drache ließ sich nicht einfach so einfangen und in eine Transportbox stecken, die Drachensicher ist und wo sie die nächsten Stunden nicht rausdurfte. Blue ging sogar freiwillig in ihre. 

„Komm schon Hood."

„Erst wenn du mir versprichst mir einen besseren Namen zu suchen!"

„Okay!"

Schrie ich sie an und stopfte sie rein. Super jetzt durfte ich noch zusätzlich nach einem neuen Namen für sie suchen. Ich packte die Materiellen Dinge in meinen Kosmos-Beutel und die Tiere auf eine Sackkarre. Hood meckerte und tobte, weswegen ich sie ganz nach unten stellen musste, damit das Gewicht der anderen Beiden sie runterdrückte. Kalli kam mit ihren Rucksack voll mit Frettchen und einen Koffer, den ich auch verstaute, entgegen und sagte:

„Merlin will dich kurz sehen. Er sagte es geht um Ana…Ani…"

„Meinst du Anuyomi?"

Fragte ich und lächelte. Die alte Sprache lag ihr nicht, gut, Magier der neuen Welt verwendeten sie nur noch für Zaubersprüche, kaum noch einer sprach sie, da muss ich mich mittlerweile ausnehmen, aber zu dem Zeitpunkt war da kein bisschen von der alten Sprache in meinen Hirn. Kalli nahm die Sackkarre:

„Schaffst du das?"

Sie nickte nur und ich sah in meinen inneren Auge meine Schwester mit den Transportboxen unten am Stufenabsatz liegen, aber irgendwie schaffte sie das. Es waren diese Momente, die mir bittersüß klarmachten, meine süße kleine Schwester, die gestern noch ein Baby war, wurde langsam erwachsen. Merlin erwartete seine Schülerin in der mittleren Bibliothek, der Sachbücher Bibliothek. In dieser Bibliothek befand sich der zweite Kamin im ganzen Haus. Der erste war im Wohnzimmer, also unten im Eingangsbereich und oben in den Zimmer und im Bad befanden sich Öfen, die uns im Winter warmhielten. Er stand vor ihm und sah in die Asche. 

„Hast du etwa Halluzinationen? Ignis sollte wirklich mal deinen Spezialtee untersuchen."

Er zuckte so zusammen, als hätte ich ihn gerade beim heimlichen Naschen erwischt. Nachdem sich der alte Sack vom Schrecken erholt hat, fragte ich ihn, warum er mich sehen wollte.

„Ganz einfach du alte Schleicherin, ich will dir die Aufzeichnungen von meiner Anuyomi Technik geben."

Er hielt eine selbst zusammengeschusterte Mappe aus Leder mit ein paar losen, zerknitterten und vergilbten Seiten darin vor meine Nase. Vorsichtig streckte ich meine zitterten Hände nach diesen Schatz aus, der nicht einmal ansatzweise vermuten ließ, dass es der Schlüssel zu Merlins Macht war. Doch bevor ich diese wertvolle, alte Mappe in Empfang nehmen konnte, zog er sie kurz nochmal weg und sah mich direkt an. Er war ungewöhnlich ernst und legte eine Hand auf meine Schulter. 

„Bist du dir absolut und hundertprozentig sicher, dass du die Grenzen des Todes, dem unendlichen Parafernium überschreiten willst? Den glaube mir dieser Weg wird dir mehr Steine in den Weg legen, als alle Lehren der hohen Geschwister es jemals tun werden."

Ich nickte eifrig, unwissend was alles auf mich zukommen würde. Merlin seufzte. 

„Ich weiß, dass du den größten Dickschädel haben kannst, wenn du was unbedingt willst, aber bei Moons Haaren kannst du nicht etwas-"

„Nope."

Sagte ich ungeduldig wie ein kleines Kind und schnappte mir die Mappe. 

„Danke Merlin!"

„Hey du Dieb, bleib stehen!"

Kurze Zeit später saßen wir auf Roro und waren in Richtung Portal zwischen Konihi und Kanori unterwegs. Ich las mir die Aufzeichnungen erstmal sporadisch durch, währenddessen wurde Merlin von Ignis zerpflückt.

„Du bist auch so ein Wahnsinniger, eigentlich sollte ich das Thorsten petzen, weil das so verdammt illegal ist. Wie kannst du Anuyomi einer vierzehnjährigen beibringen."

Fauchte sie und pickte zu. Merlin wehrte sie geschickt ab. 

„Liebe Ignis Loki hat sich bewusst dafür entschieden, mein Anuyomi zu lernen, ich traue es ihr schon zu, auch wenn es mir lieber wäre, sie würde es nicht lernen wollen."

Das letzte war direkt an mich gerichtet, auch wenn ich das nicht so zur Kenntnis nahm. Merlin hatte in der Mappe, wie auch immer, mehr über ein paar Dämonen, Unkreaturen oder wie man sie auch immer nennen wollte, Informationen über herausgefunden. Merlin hatte mir aber nur die Informationen über das, was er beschwören konnte, gegeben, keine Anleitung, wie ich sie beschwören konnte. Etwas beleidigt steckte ich die Mappe in eine von Roros Satteltaschen und sah durch meinen Kommi. Atrien, Thalia, Noman und ich hatten so eine kleine Gruppe im Nachrichtenportal erstellt, wo wir uns Nachrichten nicht mehr nur mit Briefen schicken mussten. Die Gruppe ging ab. Noman und Atrien waren so aufgeregt, Sebteka hatten wir noch nicht besucht, also Neuland. Thalia würde nicht kommen. Sie und ihre Meisterin hatten einen Auftrag angenommen, der sie in eine menschliche Kolonie schickte, sie sollten mithelfen, sie zu bewirtschaften. Gut, ich hatte endlich einmal Ruhe vor ihr. Das würde ein schönes langes Wochenende werden. Danach schaute ich in die Gruppe von Rulan, Rania und mir. Die Beiden, und noch zwei wichtige aus ihren Dorf, würden morgen früh zeitgleich mit Harus und seinen wichtigsten Beamten in Sebteka eintreffen. Mein Herz schlug jetzt schon wild umher. Ich lehnte mich trotzdem zurück, um wenigstens kurz durchzuatmen, Kalli legte sich zu mir. 

„Hey Loki, wach bleiben, lese dir lieber richtig die Informationen zu Anuyomi durch."

„Warum, da stehen nur die Unkreaturen drin, ich will wissen, wie du es damals geschafft hast Anuyomi zu kontrollieren."

Ignis verstummte plötzlich und wurde ungewöhnlich schweigsam und… nicht mehr wütend auf Merlin. Der Meister hingegen war keck und frech wie immer:

„Dazu kommen wir, wenn du so weit bist."

Und stupste meine Nase. Oh, wenn ich eines nicht leiden konnte, dann war es meine Nase gestupst zu bekommen! Aber ich wusste Merlin hasste es, wenn ich ihn ohne Vorwarnung nass machte. Ich sah ihn frech an und bei Moon ich schwöre er wusste was kommt, trotzdem erwischte ihn Aquarialis eiskalt, ihm wahrsten Sinne des Wortes. 

„Du Miststück!"

Er wehrte sich, in dem er Aquarialis zurückschleuderte. Ignis kehrte wieder zu ihren hitzigen Temperament zurück und schimpfte uns aus, während Kalli laut lachte. 

Kurz nach sieben, ja, mit Merlin kam man automatisch Minimum eine Stunde zu spät, kamen wir endlich am Treffpunkt mit Thorsten an, der uns schon erwartete. Sebteka war eine karge Wüstenlandschaft, aber die Städte waren dafür umso bunter, genauso wie die Klamotten. Thorsten trug die traditionellen Gewänder von Sebteka. Er schien wahnsinnig gestresst zu sein, aber nicht wegen unserer Verspätung. Er und Merlin begrüßten sich. Thorsten kotzte sich direkt bei Merlin aus:

„Merlin, du glaubst nicht, wie froh ich bin, wenn diese vier Tage rum sind, das alles ist so viel Stress."

„Tja und zusätzlich darfst du dir sämtliche meiner alten Leute Witze anhören. Dank meiner Zeit bei Riguldo der alten Sackfalte habe ich so viele auf Lager, wie du nie wieder in deinem unsterblichen Leben zu Ohren bekommen wirst."

Sagte Merlin und legte seine Hand auf Thorstens Schulter. 

„Bitte warte damit, bis nach dem Abendessen bei meinen Eltern."

„Macht deine Mama wieder ihren genialen Eintopf?"

„Extra für dich hat sie einen ganzen Topf auf das Buffet gestellt."

Ich schnappte mir die Sackkarre, ließ Roro auf den Kisten ruhen und zog sie hinter mir her. Merlin hatte Kalli auf den Rücken den Huckepack genommen und Ignis saß auf seiner Schulter. 

„Hattet ihr eine angenehme Anreise?"

Fragte mich Thorsten und lächelte. 

„Ja, im Übrigen, ich habe mich mit Rulan und Harus in Verbindung gesetzt und werde sie beide morgen früh abholen."

„Das ist gut, ich wusste ich kann dir die Aufgabe als Botschafter schon anvertrauen."

Sagte er stolz. 

„Hey spann mir nicht meine Schülerin aus!"

Rief Merlin. 

„Der hätte nicht einmal Zeit ihr auch nur einen kleinen Zauberspruch beizubringen."

Hörten wir eine bekannte Stimme fragen. Sajin und Noman waren auch schon angekommen. Noman und ich hatten uns seit drei Monaten nicht mehr gesehen und dementsprechend rannten wir uns in die Arme, als wir uns sahen. Wir waren gerade frisch bei Lektion neun angelangt, also lernten wir gerade sehr wenig miteinander, zusätzlich hatten wir beide noch unsere Arbeit, ich als Botschafter und er als fast vollständig ausgebildeter Arzt, er hatte jetzt schon Stammpatienten. Auch Merlin, Sajin und Thorsten redeten rege miteinander. Das Trio, der drei stärksten Magier von Elystria in einer großen Stadt, die nicht Kanori ist, wo regelmäßig berühmte Magier herumlaufen, erregte natürlich Aufmerksamkeit. Ein paar Kinder kamen zu ihnen und fragten so Dinge wie: Sind Sie wirklich große Helden? Könnt ihr uns eure besonderen Fähigkeiten zeigen? Weder Merlin noch einer seiner Freunde waren davon sehr angetan. Alle drei waren müde und wollten was essen. Der Rest einschließlich mir stand etwas Abseits. 

„Das glorreiche Quartett, die im Alleingang die Mitternachtsrebellion besiegt haben, leider fehlt Mewina..."

Murmelte Ignis. Ich kannte nur Gerüchteküche über die Vier. Wenn ich so darüber nachdachte, wusste ich kaum was über Merlins Vorgeschichte. Er erzählte oft über seine Zeit bei Riguldo, aber was davor war wusste auch ich nicht. Er, Urian, Mewina, Sajin, Ignis und Thorsten lernten bei Riguldo, Ignis die fünf Jahre älter ist, war natürlich über ihnen mit dem Stoff. Mehr, als ein paar witzige Geschichten, wie Merlin Riguldo regelmäßig mit seinem Wissen in die Pfanne haute, erzählte er mir nie. Doch schon bald sollte ich die ganze Hintergrundgeschichte meines Meisters herausbekommen. Denn nachdem sich die drei da erfolgreich rausgeschmuggelt hatten, hörte ich das schiefe Lachen einer Frau:

„Ha, Melina, ich dachte, du wärst immer noch so eine Rampensau!"

Ich habe Merlin noch nie auf einen Schlag so wach, panisch und erschrocken gesehen, wie in diesen Moment. Zuerst dachte ich, dass es daran lag, dass diese Frau gerade seinen Deadname benutzt hatte. Ja, Merlin ist tatsächlich Transgender, das habe ich auch erst im vergangenen Jahr erfahren, nachdem das, was in Kapitel 11.1 geschehen ist. Ich drehte mich auch um, um dieser Frau eines zu husten, dass ihr hören und sehen verging. Aber ich hielt inne. Hinter uns standen eine Frau und ein Mann, die Beiden erinnerten mich vom Kleidungsstil und ein bisschen vom Aussehen her an Merlin. Die Frau war größer als er, hatte lange, gelockte schwarze Haare und war dreckig im Gesicht, der Mann sah aus wie Merlin, nur mit Vollbart. Beide trugen bei dieser Hitze dreckige und geflickte Stoffkleidung mit Fell. Ignis hoppelte zu uns und stellte sich schützend vor mich und die anderen und Sajin, der sonst so ernste Sajin, sah aus, als hätte man ihm gerade ein Brett vor den Schädel geschlagen. 

„Was bei allen Sternen habt ihr hier zu suchen?"

Fragte Merlin und kramte in seinem Mantel herum. Wahrscheinlich suchte er Flixia, ich hatte ihn noch nie so panisch gesehen, also nahm auch ich die Beiden als Bedrohung wahr und gab Kalli weiter an Noman, um Abendrot rauszusuchen und mich näher zu Merlin zu stellen. 

„Ach Melina, bist du uns nach all den Jahren nach wie vor so feindselig eingestellt?"

„Ja verdammt."

Er hatte endlich Flixia gefunden und stand kampfbereit da, also stellte ich mich noch näher an ihn heran. 

„Also nochmal, was zur Hölle suchen zwei verstoßene Monsterjäger hier in Sebteka?"

Thorsten kam von hinten und meinte:

„Ich habe die Beiden auch eingeladen."

Sajin, Ignis und Merlin sahen ihn an, als hätte er den Verstand verloren, wir beiden Schüler wussten gar nicht, was los war. 

„Was zur Hölle läuft hier, Loki?"

Fragte mich Noman, der auch näher herangetreten war. 

„Ich habe keine Ahnung."

Gab ich ehrlich zu und nahm Abendrot locker in die Hand, damit ich leichter in Merlins Ohren flüstern konnte. 

„Merlin, wer sind die und was ist hier los?"

„Das würde ich auch gerne wissen! Thorsten, was bei allen guten Geistern! Warum hast du sie eingeladen, du weißt, was sie getan haben!"

„Das ist mir schon klar. Aber die Beiden haben nur das Beste für euch gewollt."

„Für uns Drillinge vielleicht, aber sie hätten beinahe A-Lyn und Alezsa verkauft! Sei froh, dass die Beiden mitten in der letzten Phase ihrer Ausbildung stecken und deswegen mit Riguldo der Feier fernbleiben!"

Verkauft? Bitte wer war das? Der Begriff Monsterjäger fällt nicht oft in der magischen Welt, aber wenn war er meist nur ein bisschen besser überschattet als der Begriff „Negative". Es waren früher zur Zeiten der hohen Geschwister echte Monsterjäger gewesen, mittlerweile, da alle Monster auf der dunklen Seite der Anderswelt lebten, waren es nur noch Söldner, die in der Menschenwelt umherreisten und diese einschüchtern, obwohl sie gegenüber Magiern eher drittklassige Zirkus Clowns waren. Sie wendeten sogenannte Schattenzauber an, die erstmal sehr gefährlich aussahen, aber eher wie Fumustis waren als wirklich gefährlich. Jedoch war das, was mich eher schockierte, war dass sie Alezsa und A-Lyn an die Negativen verkaufen wollten, es ließ mich sogar kurz Abendrots Griff fester umschließen. Vor allem wie konnten Fremde so nah an die Hüterinnen der Erben kommen? Merlin würde das nie zulassen, es sei den… er hatte den Beiden einmal sehr vertraut. Für ihn, Mewina und Urian? Er musste die Beiden schon lange kennen, schon vor der Zeit, bevor aus Urian Midnight wurde und Mewina verschwand. Und die Frau hatte ihn Melina genannt, das war sein Deadname, sie mussten ihn also schon kennen, seit er ein Kind war, denn nur Sajin, den Merlin seit seinen vierten Lebensjahr kannte, kennt noch den Namen Melina, Torsten hatte es auch erst später erfahren. Dann traf es mich. Ignis hatte einmal durch die Blume hindurch gesagt, Merlin hätte angeblich noch zwei ältere Geschwister, ein Zwillingspaar, genauso wie A-Lyn und Alezsa. Die älteste Schwester Sesestra und ihr jüngerer Zwilling, Kalum Woods. Deswegen sah man nie was von den Beiden, Merlin hatte, verständlicherweise, keinen Kontakt zu den Beiden, und leider ahnte ich bereits, wer zwei Mädchen kaufen würde, die wahrscheinlich die Hüterinnen waren, und ich denke ihr erahnt es wahrscheinlich auch schon, für alle, die die letzten Kapitel über geschlafen haben, ich meine natürlich die Negativen. 

„Merlin bitte, versuche dich etwas darauf einzulassen."

„Einzulassen! Einzulassen! Ist das dein Ernst! Die Monsterjäger sind eine Gefahr, die würden für Geld ihren eigenen Nachwuchs um die Ecke bringen!"

„Ein bisschen mehr Respekt kleine Schwester, die versucht ein Junge zu sein."

Sagte Sesestra und packte Merlin am Nacken. Daher, dass ich ihre Absichten nicht kannte, tauschte ich die Hand, in der ich Abendrot hielt, sodass ich es in der Rückhand der anderen hatte und es direkt mit der Spitze ihr Herz berührte. Sesestra sah mich wütend und hasserfüllt an. Sie wusste es schon, aber ich musste ihn schützen. Ich blockte sie mit dieser Technik, damit diese dreckige Monsterjägerin ja nicht näher an Merlin herankam, doch dieser hatte aus Wut gezeigt, was er kann, und überschattete deswegen meine Aktion. Er hatte die Assassine, eine Unkreatur aus Anuyomi, beschworen, ich zog mich also zurück. Die Assassine war wie in schwarzen Nebel gehüllt, sie war ein Geist, der in schwarzen Tüchern gekleidet war, einige, winzige Stellen ihres Körpers waren frei, aber durchsichtig. Der einzige Hinweis darauf, dass die Assassine tatsächlich eine sie war, war ihre leichte Oberweite und die breite Hüfte. Sie fühlte sich so vertraut für mich an, sie sah mich auch direkt an. Ich bekam eine Gänsehaut. Merlins Augen waren grün und glühten regelrecht, auf seiner Hand entdeckte ich ein seltsames Mahl, das Mahl der Assassine sah aus wie ein Skorpion. Ich hatte ihn noch nie ernsthaft Anuyomi einsetzen sehen, nur um es mir mal zu zeigen hatte sich mein Meister erbarmt. In dem Moment ahnte ich, Anuyomi war etwas, was man nicht allzu oft einsetzen durfte. Die Aura, die allein von der Assassine ausging, konnte einen Erdrücken, buchstäblich. 

„Nenn mich noch einmal Melina oder kleine Schwester und ich sage ihr, sie soll dich zerfetzen. Mein Name ist Merlin E. Woods und ich bin der mächtigste Magier Elystrias. Falls du es wagen solltest, mich noch einmal anzufassen stirbst du."

Zischte Merlin und wirkte nicht mehr, wie mein frecher Meister, er war schlagartig anders. Moon sei Dank schlief Kalli, sie hätte danach wahrscheinlich Todesangst vor Merlin, ich hatte sie in dem Moment. Das merkte seine Ehefrau. Ignis flatterte zu ihm und schmiegte ihren Kopf an seinen. 

„Merlin, bitte nicht hier."

Sagte sie etwas verängstigt, für Ignis war das kein normales Verhalten. Merlin schien wie aus einer Trance zu erwachen und ließ die Assassine, die ihn geschützt hatte verschwinden. 

„Wow, du bist richtig stark geworden, Kleine."

Sagte Sesestra, als hätte er gerade den Großteil seiner Starke gezeigt, das war noch gar nichts, um es so salopp zu sagen. Boah, sie hatte es nach wie vor nicht begriffen, Merlin war keine Kleine. Er war Wendern ein Kleiner, und dass über einen zwei Meter großen Mann zu sagen war maßlos falsch. Merlins Augen waren voller Wut und Hass. Er nahm mich bei der Hand, auch wenn es ihn schwer viel, er drückte nicht zu fest und zog mich zurück zu den anderen. 

„Warum Thorsten sind die hier?"

Fragte er wutentbrannt. Thorsten wirkte kurz eingeschüchtert. 

„Naja, sie führen eine große Gruppe Monsterjäger an. Also habe ich sie gerufen, um mit ihnen anzuknüpfen."

Sajin sah ihn ebenfalls entsetzt an, Merlin meinte aber, dass er machen solle, wie er meinte zu tun zu haben. Naja, er drückte es eher in Schimpfwörter aus, aber der Sinn dahinter sollte klar sein. 

„Komm schon Merlin, sei bitte nicht sauer."

„Sauer! Das ist nicht einmal ansatzweise das richtige Wort für das, was ich gerade fühle! Du hast mich hintergangen, das werde ich die so schnell nicht verzeihen."

Zischte Merlin zurück. 

„Merlin bitte, vermiese Thorstens Geburtstag nicht. Lass uns darüber diskutieren, wenn diese vier Tage rum sind."

Sagte Sajin und betonte das letzte streng gegenüber Thorsten. Sajin war Thorstens rechte Hand und wurde in alle politischen Aktionen normalerweise eingeweiht, aber Thorsten wusste, dass er ihn wahrscheinlich genauso davon abgehalten hätte wie Merlin.

„Und ihr Beiden, ihr kennt seinen Namen, falls ihr ihn noch einmal bei falschen Namen nennen solltet, werde ihr Bekanntschaft mit meinen Untoten machen."

Sagte Sajin und drohte den Beiden. Er schob uns etwas weiter. 

„Macht euch keine Sorgen wegen A-Lyn und Alezsa, die beiden sind bei Riguldo sicher."

„Das weiß ich Sajin. Loki, Noman, geht doch bitte etwas weiter voraus, die Erwachsenen wollen in Ruhe reden."

Bevor Noman protestieren konnte zog ich ihn nach vorne. Ich war verwirrt von Merlins Benehmen und wenn ich Merlin nicht einschätzen konnte, hielt ich mich lieber zurück, nicht weil ich Angst vor ihm hatte, sondern, weil ich das auch wollen würde. 

„Irgendetwas stinkt hier bis zum Himmel."

Bemerkte er auch. 

„Lass uns nachher die drei belauschen. Was auch immer los ist, ich will eine Antwort. Morgen kommen Harus und Rulan, bis dahin will ich, dass sich alle wieder zusammengerauft haben."

Noman nickte nur und nahm mir Kalli ab. Sackkarre hinter sich herschieben, während deine kleine Schwester auf deinen Armen schläft, ist etwas arg anstrengend. 

Oh Meister, du warst in den letzten Kapiteln so schweigsam. Sonst gehst du mir doch auch mit jeder Kleinigkeit auf den Sack.

Ich bin immer noch wütend auf Thorsten. Seine Nachlässigkeit hat ebenfalls dazu beigetragen, was am Tag darauf geschehen sollte. 

Er hatte nur gute Absichten. 

Tse, das macht die Toten auch nicht wieder lebendig. 

Wir kamen endlich bei Thorsten altem Haus an. Es war groß, größer als die anderen Häuser, an denen wir vorbeigekommen waren. Vor ihm stand ein Mann, der Thorsten sehr ähnlichsah, als er auf ihn zukam, erkannten wir, dass das Thorstens Vater war. Der Sohn wollte den Vater begrüßen, aber Carlos Lügenbrück ließ ihn bei Merlins Anblick links liegen. 

„Merlin, mein Junge, lange nicht mehr gesehen, wie geht es dir?"

Sagte er und nahm Merlin in den Arm, als wäre er sein leiblicher Sohn. 

„Carlos, schön dich zu sehen, du siehst gut aus."

„Du auch, wo sind Ignis und deine Kinder?"

Er winkte uns zu sich. Ignis hatte sich neben Roro auf meinem Kopf niedergelassen. 

„Oh, eine nette kleine Familie hast du, Merlin, Sajin, du bist ja auch schon da, Hallo."

Carlos Lügenbrück hatte etwas, was ich gerne als ansteckende gute Laune bezeichne. Er war ein sehr lieber Mann, auch wenn er gerade seinen eigenen, und einzigen, Sohn linksliegen gelassen hat. Sogar die Monsterjäger hatte er freundlich und höflich begrüßt. 

„Los kommt rein, meine lieben Gäste, Marta hat gekocht, sehr viel gekocht, es kommen ja noch die restlichen hohen Magier, esst also, bevor ihr nichts mehr abbekommt."

Er führte uns ins Haus, wo ein riesiges Buffet stand und eine Frau in einen wunderschönen Batik Kleid lief drum herum und rückte ein paar Teller zurecht, damit alles schön symmetrisch aussah. Es wirkte, als wäre sie in einer Trance, so konzentriert war sie auf ihre Arbeit, bis Carlos sich räusperte. Hastig drehte sie sich um. 

„Ach meine beiden Jungs, willkommen zu Hause."

Sagte sie und umarmte Sajin und Merlin gleichzeitig. 

„Hallo Marta, lange nicht mehr gesehen."

„Seit deiner Hochzeit, Merlin, Sajin, wo sind eure Schüler."

Sie schoben, mich, die die Sackkarre in der Hand hatte, und Noman, der die schlafende Kalli hielt, vor. Sie deutete auf mich und fragte Merlin:

„Ist das das Jeevah Kind?"

Ich nickte schüchtern. Es hatte leider einen traurigen Grund, warum ich das Haus und eigentlich den Bereich um Konihi nicht mehr verließ. Es war rausgekommen, dass ich ein Flüchtling der Jeevah Familie war, Merlin ging davon aus, dass Alezsa es preisgegeben hatte. Alle die mich kannten störte das nicht weiter. Kalaris zum Beispiel, der Sing Sang Händler, der mir schon als Kind Süßes und Scherzartikel in die Hand gedrückt hatte, er war nach wie vor so. Aber Fremde mieden mich, sie spuckten mich an, beleidigten mich, wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich eigentlich fast dasselbe diesen beiden Monsterjägern angetan, wenn auch eher im Kopf. Vorurteile sind scheiße, aber manchmal kann man nichts gegen sie tun, man kann nur dafür sorgen, dass sie im Kopf bleiben. Und wer weiß, vielleicht begegnet man eines Tages einer Person, die die Vorurteile zerstört, man muss sich einfach nur darauf einlassen. Das weiß ich mittlerweile und ich sehe einfach darüber hinweg, wenn sie mich beleidigen, zu dem Zeitpunkt ging mir das alles etwas näher, weswegen ich mich versteckt hielt und Kalli weiterhin als Woods vorstellte, als meine Adoptivschwester aus einer anderen Familie. Ich wurde sehr introvertiert und zog mich oft zurück, einfach weil ich nicht mehr konnte. Deswegen wäre ich weniger überrascht gewesen, wenn sie mich zurückgestoßen hätte, so wie meisten Magier, die mich nicht kannten. Doch sie gab mir eine Schale Essen und meinte:

„Iss, du armes Kind, schön, dass Merlin dich mitgebracht hat."

Überrascht und erleichtert nahm ich die Schale und setzte mich auf einen der Stühle, die anderen setzten sich auch hin. Noman setzte sich zu mir. Er und Atrien standen gerade auf dem Kriegsfuß, gut, das heute Abend bei Thorstens Eltern war nur für enge Freunde und die hohen Magier, außer Riguldo, wie schon erwähnt, Atriens Meister gehörte weder zu dem einen noch zu dem anderen, weswegen wir die beiden erst Morgen sehen würden. Ich saß da und aß, während Kalli auf meinen Schoß geschoben wurde.

„Das ist deine kleine Schwester, lass du dich von ihr als Bett missbrauchen." 

Er aß auch etwas vom Buffet. 

„Noman, wollen wir nach dem Essen hoch auf die Zimmer gehen? Marta zeigt uns sicherlich kurz, wo sie sind, dann können wir Kalli hinlegen und die Wesen verstauen."

Er nickte und schlang sein Essen runter. Ich stocherte in meinen herum, bis ich endlich alles unten hatte vergingen gefühlte Stunden. Es war köstlich, ich stopfte mich so voll, wie schon lange nicht mehr und nahm deswegen auch gut ein Kilo zu. Danach tippte mich Noman an, er hatte einen Teller für Kalli gepackt, stellte es auf die Sackkarre, die er mir abnahm. Marta hatte uns, der Woods Familie und Sajin mit Noman, ein großes Zimmer mit vier großen Betten und einem eigenen Balkon gegeben. Ich stellte mich kurz hinaus und ließ die angenehme Abendluft um meinen Körper wehen. Noman stellte sich zu mir. 

„Alles okay?"

„Ich fühle mich nicht sonderlich wohl."

Sofort zog er mich an sich und sah mich genauer an. 

„Was ist los? Hast du Schmerzen? Bist du erkältet?"

Ich schüttelte nur den Kopf. 

„Was ist los, Lolo?"

Mein Spitzname, wie ich schon sagte, wir benutzten damals nur die Spitznamen, um uns zu trösten. 

„Noman, kann ich mit dir offen und ehrlich über alles reden?"

Er sah mich ernst an und rückte dann näher zu mir. 

„Natürlich kannst du es, Lolo."

Es war gar nicht so einfach. Anders als Merlin wusste er nicht alles, was in den vergangenen eineinhalb Jahren geschehen war. Er wusste, dass mich die Leute verstoßen hatten, er wusste aber nicht alles, was ich in Kapitel 11.1 erzählt habe. Also gestand ich auch Noman alles. 

„Wieso bei allen hohen Geschwistern hast du das nicht schon früher gesagt?" 

„Ich… Ich konnte nicht. Noman, ich versuche so gut es geht Kalli davor zu bewahren, mir ist es egal… nein mir ist es nicht egal, ich ertrage es einfach und lass es mich im Nachhinein erdrücken, fakt ist aber, ich will euch da nicht mithineinziehen. Vor allem dich und Atrien nicht."

„Wieso nur uns Jungs nicht? Ist mit dir und Thalia alles in Ordnung?"

„Nein verdammt, das kommt auch noch dazu. Sie besucht mich einmal in der Woche und dann haben wir nur Sex! Ich habe mir von einer Beziehung mehr gewünscht als nur Sex! Sie nutzt mich nur aus, sonst hatte sie sich nicht, nachdem das alles angefangen hat, entfernt."

Noman sah wütend aus. Immer mehr. 

„Loki, ich bin dein bester Freund. Warum erzählst du mir das nicht?"

„Ich will kein Mitleid!"

„Das ist kein Mitleid, ich bin wütend, weil du mir wichtig bist, verdammt noch eins! Außer dir habe ich keine Freunde mehr! Thalia interessiert sich einen Scheiß für mich und Atrien hat gedacht, es wäre großartig mich vor allen bloßzustellen, wegen meiner Bisexualität! Und dann auch noch vor meinen homophoben Vater, seiner Familie, seinen Meister. Und er hat sogar versucht meine Beziehung zu Sajin zu ruinieren, in dem er… allen und ihn erzählt, dass ich ihn heiß finde…"

Er lehnte sich halb über das Geländer und seufzte verzweifelt. 

„Wir haben beide kein Glück…"

„Wir sind noch jung, Nom, das wird sicher werden. Ist nur schlimm, dass sich unsere Freundesgruppe so zerstreut hat. Schließlich kannten wir uns schon so lange, ich kenne euch länger, als Merlin und er ist wie ein Vater für mich. Was ist nur mit uns passiert?"

„Die Beiden… haben sich einfach nicht zurückhalten können. Es tut mir leid Loki, dass Thalia so eine üble Veränderung dir gegenüber gemacht hat. Als sie mir damals erzählte, dass sie dir gegenüber Gefühle hat, wusste ich nicht, dass es nur ein Gefühl ist."

„Du kannst nichts dafür. Das mit Atrien ist noch schlimmer. Dich einfach so zu blamieren."

„Sajin ist dazwischen gegangen, von daher… trotzdem bin ich immer noch sauer auf Atrien. Aber das soll dich bitte nicht davon abhalten mit ihm abzuhängen. Schließlich ist er auch dein Kumpel nach wie vor."

Bevor ich darauf was erwidern konnte, hörte ich wie Merlin und seine älteren Geschwister unter uns nach draußen traten. Noman und ich waren sofort leise und hörten genau hin. 

„So ihr beiden Nichtsnutze, was bei Moon habt ihr hier zu suchen?"

„Frag Thorsten, der hat uns eingeladen. Wahrscheinlich will er gute Beziehungen zu uns Monsterjägern aufbauen."

„Ja, weil ihr ja auch so sehr daran interessiert seid! Ich weiß um eure politische Einstellung und ich warne euch, solltet ihr noch einmal versuchen A-Lyn oder Alezsa an die Negativen zu verkaufen wird die Hölle über euch hereinbrechen."

„Merlin, das ist so ein bescheuerter Name, bitte wir wollen nur unsere Schuld bei dir und den Beiden begleichen, wir sind doch eine Familie! Außerdem haben wir Interesse daran."

„Familie! Ihr habt doch nie was getan, wenn diese Schwein von Vater mich und Mewina halb Tod geprügelt hat, während Urian sich mit Alezsa und A-Lyn versteckt hat. Nein, ihr habt dasselbe mir Sajin gemacht! Dieser Wichser von Vater hat unser ganzes Geld weggesoffen und anstatt euch Arbeit zu suchen, bietet ihr Starset unsere kleinen Geschwister an! Ihr habt nicht nur Schulden bei mir, nein, ihr habt bei mir auf ewig verschissen, kommt mir und meiner Familie ja nicht zu nahe."

„Du beschwerst dich über uns! Du bist doch selbst nicht besser, du bildest einen Jeevah aus und nennst sie deine Adoptivtochter!"

„Komm mir jetzt nicht so Schwester! Das mit Loki ist was komplett anderes! Sie ist geflüchtet! Sie wusste von Anfang an, was diese Negativwichser sind! Ihr auch, und ihr habt euch trotzdem mit ihnen zusammengetan!"

„Du verstehst es nicht Merlin, die Negativen hätten uns so viel Geld-"

„Geld, Geld, Geld! Ist das alles, an was ihr denken könnt! Ihr hättet beinahe unsere Familie zerstört und damit die gesamte magische Welt, ist euch das gar nichts wert, denn glaubt mir, die Negativen, so sehr sie es euch auch versichern, werden euch ganz sicher nicht verschonen."

Die Monsterjäger waren stumm, naja, die Schwester war stumm, der Bruder redete eh nichts. 

„Haltet euch von meiner Familie fern, vor allem von Loki."

Er ging rein und ließ die Beiden im Garten stehen.

„Wusstest du das mit Merlin?"

Ich schüttelte nur den Kopf. Etwas betrübt. 

„Ja Merlin wollte auch nicht, dass das jemals jemand erfährt."

Hörten wir Sajin sagen. Er stand hinter dem Vorhang zum Balkon und hielt seine Arme verschränkt. Trotz des dicken Stoffes sahen wir ihm an, dass wir ihn verärgert hatten. 

„Kommt rein, ich kläre euch über Merlin auf, ihr wisst jetzt eh schon so einiges, da kommt es auf den Rest auch nicht mehr an."

Seufzte er und zog den Vorhang zur Seite. Etwas unterwürfig betraten wir den Raum.

„Merlin wird mich umbringen, aber es bringt nichts, das alles totzuschweigen. Es ist eh schon lächerlich, dass wir mit ihm nicht mehr über Mewina reden können, ohne dass er das Thema wechselt. Dabei hast vor allem du Loki ein Recht darauf zu erfahren, wer genau dein Meister ist."

Ich und Noman setzten uns auf den Boden. 

„Merlin kommt aus einem Stamm Monsterjäger. Sein Vater war der Anführer, seine Mutter eine einfache Magierin aus Wahlia. Sie gebar drei Mal und dann auch noch zwei Zwillingspaare und einmal Drillinge. Sesestra und Kalum, Urian, Merlin und Mewina, Alezsa und A-Lyn. Ich wurde kurz vor ihrer dritten Schwangerschaft von meinen Eltern an diesen Stamm Monsterjäger verkauft. Die Mutter hatte Mitleid mit mir und nahm mich wie ihr eigenes Kind auf, daher, dass die Drillinge in meinen Alter waren, wurden wir schnell Freunde und ich bekam sehr viel mit. Das ältere Zwillingspaar spielte den jüngeren immer übel mit, was bedeutet, dass sich die fünf nie verstanden haben. Nach der Geburt des letzten Paares verstarb die Mutter, ab da wurde es immer schlimmer. Es war schnell klar, dass Alezsa und A-Lyn die zukünftigen Hüterinnen waren, also beschlossen wir zu verschwinden, sobald ein guter Zeitpunkt gekommen war, sprich, wenn die Mädchen ein, zwei Jahre alt werden würden. Doch leider wurde ihr Vater immer aggressiver. Merlin und Mewina haben Urian, Urian war ein kränkliches Kind, und die Hüterinnen geschützt und alles selbst eingesteckt, ich sollte meistens versuchen die älteren Geschwister ablenken. Bis wir endlich fliehen konnten vergingen zwei Jahre. Danach schleppten sich wir fünf uns durch halb Elystria auf der Suche nach Kanori, bis Ignis uns Moon sei Dank fand und uns Riguldo vorstellte. Ich weiß nicht genau warum, aber Merlin und seine Geschwister vertrauten ihm schnell, weswegen auch ich ihnen vertraute. Anders als du, Loki, hatten Merlin und Riguldo eine weniger harmonische Beziehung. Merlin war ein Genie. Er war der Beste von uns, leider benahm er sich ganz anders, als Riguldo es von seinen Vorzeigeschüler erwartete. Er war rebellisch, frech, Widersprach jedem, der es wagte ihm vorzuschreiben, wie er sich zu verhalten habe, einschließlich unseres Meisters. Auch das er Anuyomi umgeformt hat war ein Teil seiner rebellischen Phase."

Er hielt sich etwas genervt die Stirn.

„Ihr wisst Merlin und ich sind beste Freunde, ich habe für diesen Mann schon sehr schlimme Dinge getan, aber es war teilweise sehr nervig, dass er so gar nicht die Spur einhalten konnte."

Das war mir klar. Er sah mich an und musste leicht lächeln. 

„Merlin hat viel mit dir gemein Loki."

„Ja, das sagt man mir öfter."

Ich stand auf und meinte:

„Ich gehe kurz mit ihm reden."

Und verließ das Zimmer. Was genau ich von ihm wollte weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ich einen kurzen Anfall von, ich muss ihn beschützen. Als ich ihn endlich fand stand er rauchend vor dem Haus und sah so aus, als wäre er gerade von einem Drachen verschlungen und ausgeschissen worden. Normalerweise rauchte er auch nicht so offensichtlich, in seinem Mantel waren zwar immer diese langen schwarzen Stäbchen, die gelben Rauch abgaben, wenn man sie anzündete, aber er rauchte sehr selten. 

„Merlin, ich will das du mir Anuyomi beibringst. Heute Nacht noch."

Er gab einen verächtlichen Laut von sich und meinte:

„Eine Nacht für so etwas Komplexes wie Anuyomi, wenn du das schaffst, kauf ich dir alle Bücher die Serial in seinem Laden hat."

„Gut, du weißt, dass ich schon viel geschafft habe, ich will es lernen. Ich muss jemanden beschützen."

Er sah mich etwas verdattert an, grinste aber dann blöd wie immer und lachte mich aus. 

„Was lachst du so blöd?"

Fragte ich wütend. 

„Nichts, du siehst einfach so witzig aus, wenn du wütend bist. Wenn ich bedenke, als du bei mir mit deiner Lehre angefangen hast, war dein Ziel Rache, ich bin froh, dass du von deinem ersten Ziel abgekommen bist, und die Leute, die du liebst, schützen willst."

Ich sah ihn etwas verwirrt an. Woher wusste er, dass ich mich anfangs nur rächen wollte, ich hatte das nie laut erzählt. 

„Ein Meister soll seinen Schüler besser kennen als sich selbst."

Zitierte er Moon. Moon hatte das einmal zu seinen Schülern gesagt, besonders als er merkte, dass sich einer seiner Schüler, Riguldo, in Solar verliebt hatte. 

„Und ein Schüler kennt seinen Meister, wie der Meister den Schüler kennt."

Antwortete ich darauf, dass im Übrigen ist einhundert Prozent Loki. Ich lächelte ihn an und er zurück. Dann wurde er ernst und sah etwas besorgt in den Himmel. 

„Loki, ich sollte dich warnen, Anuyomi ist nicht gerade sehr einfach. Es wird selbst dir schwerfallen und du wirst, im Wahrsten Sinne des Wortes die Grenze des Todes überwinden müssen. Bist du bereit so weit dafür zu gehen?"

Ich nickte entschlossen. Merlin nahm noch einen Zug, danach löschte er die Zigarette an seinen Stiefel und warf sie weg. 

„Na dann, folge mir. Hast du dir die Aufzeichnungen durchgelesen?"

„Ich habe sie leider nur überflogen…"

Ich folgte ihn, wir gingen raus aus der Stadt. 

„Überflogen… Okay gut, dann erkläre ich dir meine vier Anuyomi Unkreaturen, ihre Vorgeschichten, ihre Eigenschaften und die Fallen. Die erste ist die Assassine, sie ist in Anführungszeichen die einfachste der Anuyomi Dämonen, obwohl sie hinterhältig ist, wie eine Assassine halt eben ist, und sie hat eine Erfolgsquote von fast einhundert Prozent. Angeblich soll sie eine der besten Assassinen Esyias gewesen sein. Bis sich ihr Clan Oberhaupt gegen sie stellte und sie tötete, weswegen ihre Wut und ihr Hass sie zu einem dieser Unkreaturen machten. Ihre Falle, die schwarze Kugel, fängt einen Gegner und macht ihn und sich selbst so klein, dass man sie leicht aufheben und übergeben kann."

Er führte mich ein einen nahegelegenen Steppenwald. Die Bäume und Büsche waren wie ausgetrocknet, und doch lebendig und es wirkte auf mich beängstigend schön. 

„Die zweite Gruppe heißt die Monster. Es sind drei frühere Magier, die sich dem Okkultismus so arg verschrieben haben, dass es sie am Ende auffraß. Der erste Magier hieß Lou, der Zweite T-Scheng und der dritte Wifian. Woher sie kamen, ob sie sich kannten oder wie sie zueinanderstanden, weiß man nicht. Sie sind unberechenbar, manchmal ist Wifian etwas tollpatschig, aber sie sind blutrünstig und du darfst sie nie unter keinen Umständen ohne die Gruppe, die Fremden rufen. Erklär ich dir gleich warum. Ihre Falle heißt die endlosen Räume, sie schließen den Gegner in einen Labyrinth aus Räumen ein, wo nur sie sich auskennen und wo nur sie wissen, wo sie ihre Opfer finden."

Wir setzten uns auf einen toten Baum, der umgeknickt war. 

„Die dritte Gruppe heißt die Fremden. Früher waren es drei Gelehrte, die die Partner der Monster waren. Jen, Zandu und Shen. Sie sind ruhige, aber doch sehr kämpferische Unkreaturen. Man braucht sie einzig und allein nur dafür, um die Monster kontrollieren zu können. Ohne sie würden die Monster dich töten. Sie haben keine Falle, helfen aber den Monstern im endlosen Raum Labyrinth."

Merlin machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. 

„Dann gibt es ihn. Den König. Er ist der Herrscher der Anuyomi Welt, die mächtigste Unkreatur überhaupt. Er wurde dort geboren und mit ihm diese Welt, er ist älter als Solar und Moon, älter als die Urmagier, älter als die magische Spezies selbst. Sein Durst nach Blut ist stärker als der der Monster und der Assassine zusammen. Stärker als der der Negativen. Loki diese Kreatur ist die Bosheit in Person, wenn du ihn rufst, entzieht er dir deine gesamte Kraft und du kannst, ähnlich wie bei Sajins besonderer Fähigkeit, nichts einsetzen, bis du dich wieder erholt hast. Dafür zerstört er deine Feinde, als wären es einfache Insekten. Seine Falle heißt Teerteich. Sie verschlingt alle Menschen, die sich in einen Umkreis von drei Kilometern um ihn herum aufhalten, außer dich, restlos und verfüttert sie an andere Unkreaturen des Anuyomi."

Er sah mich an, als würde er erwarten, dass ich meine Bitte zurückzog, doch ich war entschlossener denn je. Er seufzte und meinte:

„Deinem Gesichtsausdruck zu Urteilen hast du dich bereits so sehr auf die Sache fixiert, dass ich dich davon nicht mehr abbringen kann."

Ich nickte nur. Er seufzte noch einmal und begann dann mit der Erklärung:

„Der erste Schritt zu Anuyomi ist die Verdoppelung des dritten Auges, damit du noch mehr Informationen assimilieren kannst. Damit kannst du beispielsweise ein Buch ansehen und weißt automatisch um was es in dem Buch geht. Das dritte Auge hingegen kann dir nur zeigen, wo das Buch ist. Du kannst damit sogar auf eine andere Ebenen blicken. Versuchen wir es mal. Erwecke dein drittes Auge."

Ich stellte mich auf festen Untergrund und aktivierte es. Ich sah Merlins Aura und auch andere Auren in Sebteka und in den Präfekturen drum herum. Weiter ging es nicht. Merlin stand auf und urplötzlich nahm ich ihn anders wahr. Viel, viel stärker. 

„So sieht das sechste Auge bei mir aus."

So eine starke Aura hatte ich das letzte Mal bei Moon wahrgenommen, und ich übertreibe nicht. Der alte Moon und Merlin waren gerade auf Augenhöhe. 

„Und wie soll ich das machen?"

„Wachse. Denk an etwas, was du schon immer sehen wolltest, was aber für dich unerreichbar ist. Ich habe damals ganz stark an Esyia gedacht, weil das das Land ist, was nie ein Magier zuvor erreicht hat."

Großartige Erklärung Meister. Merlins Unterricht ist mehr wie ein Flickenteppich, ja auch heute noch. Wir sind uns selbst nicht sicher warum, wahrscheinlich ist aber, dass er will, dass wir uns selbst entfalten, Ignis dachte, er wäre einfach nur faul. Also gut, ich konzentrierte mich ganz stark auf Esyia, er berührte mich an der Schulter und urplötzlich sah ich die Küste eines mir fremden Landes. Die Berge waren spitzer, als die bei uns, und von Wolken umschleiert, die Bäume blühten rosa und Fischer mit Reishüten holten Fischnetze auf Kanuförmige Boote ein. Sie hatten Stoffgewänder an. Nein, ich hatte es wirklich geschafft. Ich sah Esyia. Der Traum meines Vaters… Ich stand direkt davor und wollte weitergehen, als Merlin mich antippte und mich bat mich umzuschauen. Ich stand wir auf einer Glasplatte über mir sah ich eine weitere, auf der Menschen liefen. Das war Samris und unter mir war die Anderswelt, ich sah Moon und seine Kleinwächter direkt unter mir laufen. Das war genial. 

„Merlin, damit kannst du überall hin. Du bist ein Genie!"

Doch ich sah ihn nicht. 

„Merlin?"

„Entschuldige, ich kann nicht allzu lange dort verweilen, wie du, deine Kraftreserven sind besser. Du kannst dich in Ruhe umsehen, vergiss aber bitte unsere Wette nicht. Ich kaufe dir alle Bücher, die du willst, wenn du es schaffst, Anuyomi in vierundzwanzig Stunden zu beherrschen. Ansonsten werde ich dir Anuyomi nicht beibringen."

Sofort löste ich das sechste Auge, wie ich es von nun an nannte und stand bei Merlin. Wie konnte er nur so unfair sein. Das war kein Teil der Abmachung. Aber gut, seitdem wir angefangen hatten, war gerade einmal eine Stunde vergangen. 

„Damit kannst du sie besser wahrnehmen. Der zweite Schritt ist es für dich, die Zeichen auswendig zu lernen und ihre Bedeutung zu verstehen." 

Er zeichnete einen Kreis und ein Dreieck mit einen toten Stock auf den staubigen Boden und fragte:

„Mit welchen Zeichen beschwört man die Kreatur und mit welchen die Kreatur und ihre Falle?"

Ich hatte Merlins Handrücken vorhin nur kurz gesehen wusste aber:

„Kreis für die Kreatur, Dreieck muss dann nach dem Ausschlussverfahren für Kreatur und Falle sein."

„Gut aufgepasst."

Lobte er mich und kritzelte weiter auf den Boden herum. Als nächstes zeichnete er ein paar Symbole. 

„Daher, dass du gut aufgepasst hast, kannst du mir auch sicherlich sagen, welches davon zu der Assassine gehört?"

Ich deutete auf das, was mich an einen Skorpion erinnerte. 

„Gut, jetzt muss du aber raten, welches davon zu den Monstern gehört."

Vor mir auf den Boden waren Symbole, die mich an eine Schlange mit Stacheln erinnerte, ein abgetrennter Löwenkopf und eine Eule, die ihren Kopf mach hinten gedreht und schief gelegt hatte. Die Eule war ein Zeichen für Intelligenz, das war mir klar, also musste sie zu den Fremden gehören. Dann der abgetrennte Löwenkopf. Der Löwe stand für das Majestätische und Stärke, was mich nach erstmaliger Überlegung an den König erinnerten, aber das ganzes Tier, hier war nur der Kopf eines Löwen abgebildet. Das könnte auch die Monster zeigen, die jeden starken Gegner zu Fall bringen. Die Schlage verschlang ähnlich wie der König seine Gegner im Teerteich verschlang. Also deutete ich auf den Löwen und sagte:

„Das sind die Monster. Die Eule sind die Fremden und die Schlange ist der König."

Er lächelte und sagte:

„Du siehst also die Tiere hinter den Zeichen. Das bedeutet, dass sie ein Auge auf dich geworfen haben. Sieh mal nicht so genau hin." 

Ich platzierte meine Sichtweise so hin, dass ich die Symbole unter mir nur noch im Augenwinkel sah. Es waren Schriftzeichen der alten Runensprache der Okkultisten. 

„Du hast ein Talent für die alte Sprache, da müssen wir dranbleiben. Also dann, der dritte Schritt."

Er verwischte die Zeichen und zog dann ein riesiges Viereck um mich herum, die Spitzen der Ecken beschriftete er mit seltsamen Zeichen. 

„Bleib in der Mitte stehen und schau dich mit meiner Version des dritten Auges um. Wenn du an den vier Ecken die verschiedenen Unkreaturen entdeckst, können wir mit dem letzten Schritt beginnen."

Sagte er etwas bitter berührt. Warum sollte ich später noch früh genug erfahren. Ich versetzte mich wieder in den Zustand hinein, wie ich schon eine halbe Stunde zuvor. Ich sah sie und es verschlug mir den Atem. Hier, in diesem Zustand sah ich sie, wie sie mal ausgesehen haben, außer den König, den sah ich so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, schemenhaft, ein Schatten, ohne Glieder und gruselig wie sonst was. Die anderen sah ich als das, was sie einmal waren. Magier. Sie sahen mich mit ihren toten Augen an, aber ich machte keine Anstalten, dass ich mich fürchtete. 

„Siehst du sie?"

„Ja Merlin."

„Gut, dann komm raus."

Ich schüttelte mich kurz und stand wieder bei Merlin, der ein Messer in der Hand hielt. Die Grenzen des Todes überwinden. Ich erwartete, dass mein Meister mich tötete, stattdessen drückte er es mir in die Hand und sagte: 

„Das musst du mit diesen Messer selbst machen. Töte dich, damit die Unkreaturen aus Anuyomi mit dir verschmelzen."

Ich wollte schon dazu ansetzen, mir das Messer ins Herz zu rammen, da hielt er mich auf und meinte:

„Du hast die Wette eh schon gewonnen. Mach das erst, wenn wir zu Hause sind und Kalli in der Schule ist, damit sie dich nicht so sehen muss."

Ich nickte und steckte es in meine Hosentasche. 

„Also komm, lass uns zurück zur Party gehen, ich habe mich etwas beruhigt."

„Merlin?"

Er sah mich an und lächelte frech wie immer. 

„Tut mir leid, was dir passiert ist."

Sagte ich ihm. Er sah kurz etwas verwirrt aus, bis er dann verstand. 

„Danke Loki, aber mach dir keinen Kopf um mich."

Sagte er und legte seine Hand auf meine Schulter. 

„Ich pack die Wichser schon, pass du mir nur auf Kalli und Ignis auf." 

Ich glaube Merlin, wir hatten so dasselbe Gefühl, was die Beiden anging.

Absolut, aber gut, wir sind Meister und Schüler, wäre schlimm, wenn wir nicht gleich ticken würden.

So wie du und Riguldo?

Jetzt sag schon. 

Wir reden nicht über mich und Riguldo.

Immer dasselbe.

Das Haus von Thorstens Eltern war voll mit den hohen Magiern, sofort fühlte ich mich beklemmt in der Brust, so sehr, dass ich kaum atmen konnte. Noman kam auf mich zu, mit zwei Gläsern voller Dessert. 

„Komm Loki, lass uns raus in den Garten gehen."

Sagte er und gab mir ein Glas Dessert. Ich sah kurz hoch zu Merlin, der mich ein wenig mehr in Nomans Richtung drückte. Er verstand, was ich durchmachte, und zwang mich nicht in die Menge zu gehen. Er hingegen stellte sich zu Sajin und Thorsten, die sich unterhielten, während Noman mich raus in den Garten zog. Wir saßen im dunklen Garten, schließlich war die Sonne schon lange untergegangen, wir hörten ein paar Zikaden brummen und eine leichte, erfrischend kühle Brise zog an uns vorbei. Wir aßen ein süßes Dessert aus Nektar, Karamell und Erdbeermarmelade. Marta Lügenbrück hat sich sehr viel Mühe mit dem Essen gegeben, es war sehr viel und wahnsinnig lecker, da gab mir auch Noman, unser Nahrungsverweigerer, recht. 

„Loki, ich würde gerne nochmal mit dir über Thalia reden…"

„Noman, ich weiß, es hört sich schlecht an… eigentlich ist es das auch-"

„Dann mach verdammt nochmal mit ihr Schluss! Sie ist nicht die Person, die du brauchst. Sie war dein erstes Abendteuer und als Kind warst du auch in sie verliebt, aber jetzt ist Schluss, es zerstört dich zurzeit zusätzlich, aber anders als die Meinung anderer über dich kannst du das ändern!"

„Kann ich nicht, Nom!"

„Warum nicht!"

Ich überlegte lange, warum ich nicht konnte. Eigentlich war der einzige Grund, warum ich noch bei ihr war, die Tatsache, dass wir schon seit Kindheit an sowas wie ein Paar waren. Gewohnheit, wenn man das Kind beim Namen nennen will. Ich sah Noman an, der eine plausible und ehrliche Antwort erwartete. 

„Der Grund ist Nom, dass ich schon immer bei ihr war…"

Er sah mich fragend an und legte den Kopf schief. 

„Es ist, wie du gesagt hast… Wir sind schon seit meinem neunten Lebensjahr auf eine ganz komische Art und Weise zusammen. Es ist zu einer reinen Gewohnheit geworden, dass ich bei ihr bin… wahrscheinlich für sie auch, deswegen haben wir uns auseinander gelebt… Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass ich schon in so einen jungen Alter sowas hatte, das wollte ich eigentlich nie, aber ich habe sie doch so sehr geliebt, dass ich ihr nicht sagen konnte, warte bitte."

Sein ernster Blick durchlöcherte mich sogar in der Dunkelheit. Aber dann hörte ich ihn seufzen und er sagte: 

„Das ist auch zum Teil die Schuld von Atrien und mir. Wir haben dich ein wenig in die Beziehung gedrängt. Tut mir so unendlich leid, Lolo."

Er legte kurz eine dramatische Pause ein, bevor er meine Hand nahm und sagte: 

„Aber deswegen ermutige ich dich hier und jetzt, beende es. Ruf sie von mir aus morgen früh an oder warte bis ihr wieder zu Hause seid. Am besten das, damit alles noch einmal bei dir Review passieren kann. Von mir aus bleibe ich auch bei dir."

Ich lächelte und setzte mich näher zu ihm, um meinen Kopf an seiner Schulter abzulegen, er umschlang meine Taille mit einem Arm und zog mich näher an sich. Bevor ihr irgendwas Falsches denkt, ich war, und bin, nach wie vor auf Frauen, aber Noman war für mich so ein bisschen Matt Ersatz geworden. Ich fühlte mich einfach wohl bei ihm, schließlich war er mein bester Freund. 

Am nächsten Morgen saßen nur meine Leute, Noman, Sajin und Thorsten mitsamt Eltern beim Frühstück, was Marta und Ignis zusammen gemacht hatten. Es war das Beste Frühstück, was ich je in meinen Leben hatte. Ich aß wahnsinnig viel. Mein Hunger war nach der gestrigen Unterhaltung mit Noman wieder zurückgekommen. Ich hatte doch ein wenig mehr Hoffnung als am Vortag, das merkte auch mein Meister. 

„Nana, liebe Loki, du isst aber viel mehr als zu Hause."

Durch mein Mampfen hörte man ein:

„Das Essen ist superlecker, danke Marta."

Angesprochene lächelte und meinte: 

„Liebe Loki, sehr gerne, du bist jederzeit willkommen bei uns zu Essen, Merlin, dein Schützling ist entzückend. Sie erinnert mich an dich und Mewina in dem Alter."

Sagte Marta entzückt. 

„Ja, wir sind uns sehr ähnlich. Wie der Meister so der Schüler."

Sagte er und sah sehr stolz mit sich selbst aus. 

„Ja, zur unendlichen Sorge deiner Frau!"

sagte Ignis und pickte Merlin. Dann wand sich Thorsten mit einer Bitte an mich: 

„Loki, wenn du heute Harus und Rulan abholst, erinnere dich daran mir Bescheid zu geben, ich möchte die Beiden erst einmal privat empfangen."

„Wie du wünscht, Thorsten. Apropos, ich sollte mich so langsam fertig machen, Kalli, du auch, schließlich wolltest du mich begleiten. Ich verabschiede mich schon mal und danke für das Frühstück."

Kalli jubelte und rannte sofort in unser Zimmer. Ich ging mit einen weichen lächeln hinter ihr her. Sie war so ein unschuldiges Kind, was unbesorgt sein konnte. Doch etwas fühlte sich in dem Moment unheimlich an. Das war aber nicht meine kleine Schwester, es war jemand anderes. Ich fühlte die Aura der beiden Monsterjäger und stellte mich etwas schützend neben Kalli, zwischen sie und die Beiden. 

„Loki, wer sind die?"

Ich hatte mit ihr schon ein wenig vorgelernt und ihr die Aurensuche beigebracht. Sie nahm jedoch bisher nur wahr, wenn jemand da ist, nicht, wer es ist.

„Das sind die Monsterjäger, die Geschwister von Merlin, mach dir keinen Kopf, Monsterjäger sind uns, was Stärke angeht, weitaus unterlegen. Lass uns ins Zimmer gehen."

Im Zimmer spielten Blue und Hood zusammen mit Roro fang die Eule, Sienna lag auf dem Balkon und sonnte sich. Kallis Frettchen sahen dem ganzen mit neugieriger Miene zu. 

„Komm Kalli hol schonmal dein Kleid."

Die Monsterjäger waren nach wie vor nah bei uns. 

„Roro mach dich fertig, du kommst mit."

Er nickte und schüttelte Blue und Hood ab. 

Diese Wichser! Beobachten zwei junge Mädchen beim Umziehen.

Stimmt doch!

Das ist deine einzige Sorge Meister!

Ich stand in Kanori an meiner Seite Harus und ein paar seiner Leute. Kalli sah mich begeistert an. In meinen neuen Kleid, die Haare zu einem Pferdeschwanz hochgebunden und gewaschen, ich wirkte wie ein richtiges Mädchen, das hatte meine kleine Schwester noch nie gesehen, und Roro, der es sich auf meiner Schulter bequem gemacht hatte, trug auch eine Schleife um den Hals und präsentierte sich stolz. Wir warteten auf Rulan, der von Konihi aus anreisen würde. Die Monsterjäger hatte uns nach wie vor im Blick, aber sie waren so weit weg, dass Kalli sie nicht mehr spüren konnte. Die Magier um mich herum mieden mich und machten mich dumm an, ich hielt jedoch aus, bis eine Gruppe Jugendliche in meinen Alter auf mich zu kamen. Sie wollte mich angreifen, vor den Menschen, als zwei Leute dazwischen gingen. Atrien und sein Meister. Atrien schlug einen der Jugendlichen und schrie: 

„Bleibt ja weg von der Botschafterin Loki!"

Sie verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. 

„Lolo! Schön dich wiederzusehen."

Sagte er und umarmte mich. Roro wäre beinahe von meiner Schulter gefallen. 

„Hallo Atri, lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir?"

„Ganz gut… Ist Nom bei dir?"

„Nein, er wartet in Sebteka. Du weißt, dass er nach wie vor wahnsinnig wütend auf dich ist?"

Er nickte nur. 

„Ich und mein Meister gehen schon einmal vor. Ich sollte mit ihm reden, bis nachher, falls ich bis dahin noch lebe."

Sagte er im Witz und winkte zum Abschied. Harus stand da, als hätte er das nicht gesehen, was mir ein wenig Peinlichkeit ersparte. Dann sah ich endlich Rulan, Rania und ein paar andere wichtige Dämmerungsmagier. Rania trug ebenfalls sehr ungern Kleider, wie Rulan sie in eines bekommen hatte, weiß ich bis heute nicht. Ihres war wunderschön, es sah aus wie aus Eis gemacht und ihre Haare waren geflochten. Rulan hatte einen feinen Anzug an, als er mich und Kalli entdeckte kam er sofort zu uns. 

„Wow, Kanori hat sich so verändert, seit meiner Kindheit. Wie schön wieder hier zu sein."

Ich verbeugte mich leicht und grüßte Rulan zurück, als ich seinen Namen erwähnte wurde Harus natürlich hellhörig und die Beiden wurden somit in ein Gespräch verwickelt. So waren beide Parteien etwas beschäftigt, und da sie in gewissen Sinne eh schon befreundet waren, würden keine Probleme für mich entstehen. Ich sagte Thorsten Bescheid, dass wir auf den Weg waren, und führte die Gruppe zum Portal. Kalli war so ein Schatz, die ganze Zeit über. Plötzlich legte jemand seine Hand auf meine Schulter. Es war Rania:

„Das wir Beide mal in Kleider schlüpfen würden…"

Sie und A-Lyn trainierten regelmäßig mit mir und ich konnte gut und gern behaupten, dass beide knallharte Mädels waren, die lieber Lederjacken, anstatt Röcke trugen. Zähle ich da auch dazu? Ich glaube ja, auch wenn es damals noch eine Jeansjacke war. 

„Das ist schon ein sehr wichtiges Ereignis, unsere Meister würden wollen, dass wir uns von unserer besten und höfflichsten Seite zeigen."

Sie flüsterte: 

„Das wir eine haben, ist erstaunlich."

Wir kicherten. Ja, wir verstanden uns sehr gut. Irgendwie waren wir doch Schwestern. Thorsten wartete am Portal von Kanori nach Sebteka auf uns. Ich übergab die Gruppe an Thorsten. Irgendwie viel eine leichte Last von meinen Schultern. Außer einfachen Botengänge hatte ich nie so als Botschafter gearbeitet, vor allem nicht in einem Kleid. Rania stand noch bei mir und Kalli. 

„Daher, dass die Erwachsenen jetzt unter sich sind, wollen wir Noman und Atrien suchen und schauen, was wir auf dem Fest schon machen können?"

Fragte ich und stieß auf zwei freudige Gesichter. Roro flog los und Kalli lief wie ein aufgeregter Hundewelpe vor und streckte ihre Arme aus, wie ein Küken, dass fliegen wollte. Rania erzählte, was sie alles in letzter Zeit im abendroten Land erlebt hatten. 

„Und dann kam da dieser Engel und stellte sich als Lady Azrael vor, die Herrin der Anderswelt… auch wenn wir ihr zuerst nicht geglaubt haben, als sie uns bewies, dass sie tatsächlich die Anderswelt kreiert hatte, hat Vater sie gebeten den Elfen zu sagen, sie sollen weniger wildern. Ich soll dir auch ihren tiefsten Dank ausrichten, dass du dich um die Waisenkinder gekümmert hast."

„Ach das ist kein Problem… Es ist erstaunlich, es gibt tatsächlich sowas wie einen Gott der Anderswelt. Ich würde sie gerne einmal kennenlernen."

„Azrael lebt leider sehr zurückgezogen, auch wir wissen nicht wo, aber sie ist sehr nett, etwas gebrochen durch den Verlust ihrer Geschwister. Naja, wie dem auch sei, wie geht es euch?"

Kaum hatte sie die Frage gestellt, hörte ich Kalli schreien. Sofort fuhr ich herum, und zog sofort Abendrot aus meinen Kosmosbeutel, Rania hielt auch ihr Schwert, Morgentau, in der Hand, bereit, jederzeit loszulegen. Ich rannte zu ihr, sie war ein gutes Stück vorgerannt, Rania stand mit ihrem Schwert direkt hinter mir. 

„Kalli!"

schrie ich, plötzlich sah ich Sesestra wie sie meine kleine Schwester am Kragen vor sich hielt, meine Eule wurde in ein Netz gefangen gehalten. Sofort schubste ich sie um und Rania fing Kalli auf, die furchtbar vor Schreck zitterte. Sesestra hatte ich erfolgreich umgeworfen und tackerte sie auf den Boden fest. 

„Was zur Hölle wolltest du von meiner kleinen Schwester!"

Sie knurrte nur und meinte: 

„Verfluchtes Jeevah Kind, ihr beide sollt in das Loch zurück, wo ihr hergekommen seid."

Rania merkte, dass da noch jemand von hinten kam, es war Kalum, der versuchte Kalli, wieder an sich zu reißen. Rania wehrte ihn ab und schlug ihn nieder. 

„Was ist euer Ziel, was zur Hölle wollt ihr von Kalli!"

„Dein großer Bruder hat ein hohes Kopfgeld auf euch Beide ausgestellt. Er will, dass ihr lebend zurück ins Dorf Jeevah gebracht werdet."

Das war es also… sie wollten uns, wahrscheinlich wollte Urian mich nach wie vor für Nightmare trainieren und Kalli sollte verheiratet werden und Kinder bekommen. Ich bemerkte nicht, dass noch jemand am Rande des Kampffeldes stand und das ganze Szenario beobachtete. Er griff noch nicht ein, aber er würde es noch. Zuerst aber befreite er Roro und nahm ihn auf die Schulter.

„Damit eins klar ist, sag das auch deinen Auftraggeber, wenn einer von euch Negativbastarde es auch nur in Erwägung ziehen sollte, meiner kleinen Schwester zu nahe zu kommen, dann werde ich denjenigen so schlimme Dinge antun, dass sogar Nightmare die Augen vor Furcht schließen muss."

Dann trat Sajin endlich hervor und sagte: 

„Nana, Loki, so schlimm muss es auch nicht sein. Ich übernehme diese Beiden ab hier, kehrt in die Stadt zurück und sagt Thorsten das seine sogenannten Ehrengäste jetzt erstmal in Untersuchungshaft sitzen." 

Er riss Sesestra unter mir hervor und nahm im selben Zug Kalum. 

„Ich erkläre ihm alles später. Bringt euch in Sicherheit."

Wir nickten nur und gingen zu Thorsten. Er führte nach wie vor die Gruppe durch die Wüste auf dem Weg in die Stadt zurück. Als er uns sah war er sofort besorgt, kein Wunder, unsere schönen Kleider, Ignis hatte das von mir und Kalli selbst gemacht, Rulan das von Rania, waren voller Wüstensand. Ohne zu zögern, schilderte ich Thorsten, was genau geschehen war. Er war zutiefst bestürzt über den Vorfall und entschuldigte sich bei uns dreien vielmals und unaufhörlich, beinahe hätte sich der Höchste vor uns verneigt, ich konnte ihn aber davon abhalten, bevor er sich noch mehr vor seinen Gästen blamierte. Ich nahm Kalli auf den Arm und flüsterte ihr gut zu, damit sie endlich aufhörte zu zittern. Roro schmiegte sich auch an sie heran. Sein Flügel war gebrochen. Noman konnte das aber leicht heilen. 

Merlin tobte vor Wut, als er davon erfuhr, Ignis noch mehr. Sie hatte ihre Flügel über Kalli gelegt und schrie Thorsten zusammen, Merlin zwar auch, aber Ignis dominierte die Szenerie absolut. Ich saß mit Noman auf dem Bett, während er Roros Flügel behandelte und meine anderen Tiere saßen um ihn herum und sahen dabei zu. Blue hatte sich neben mich gelegt, damit ich ihren Kopf kraulen konnte. 

„Das ich seit neusten ein Tierarzt bin wundert mich."

„Klappe… au, pass doch auf!"

Schrie Roro, als Noman plötzlich seinen Flügel nahm und ausbreitete. 

„Entschuldige, aber ich habe noch nie eine Eule behandelt. Ich werde deinen Flügel erstmal einrenken und dann schienen, du muss dich danach aber schonen. Nicht fliegen, den Flügeln nicht benutzen und schon gar nicht deine Größe verändern. Das Wettrennen nächste Woche müsst ihr wohl oder übel auch ausfallen lassen."

Meinte Noman, schade, ich hätte sonst meinen Titel in der Jugendliga verteidigen können, naja, dann halt nächstes Jahr, Roros Gesundheit war wichtiger. 

„Oh Solar und Moon, Loki halt mich fest."

Stöhnte er und kippte gegen mich, um seinen Kopf in meinem Torso zu versenken. 

„Tu dein Schlimmstes, Noman."

Nuschelte er. Ich hielt meine Eule fest und konnte auch nicht hinsehen. Ein Knacken, gefolgt vom Schrei einer Eule, der sogar das Geschimpfe von Merlin und Ignis übertönte und es war vorbei. Meine Eule sackte auf mir zusammen, während Noman seinen Flügel schiente. 

„Am besten er ruht sich den restlichen Tag hier im Kühlen bei seinen Freunden aus. Atrien war im Übrigen vorhin hier. Er hat gefragt, ob wir nachher mit ihm zusammen abhängen wollen, hat sich im Übrigen mit keinem Wort bei mir entschuldigt."

„Sollen wir dann überhaupt was mit ihm unternehmen? Wenn du nicht willst, müssen wir nicht."

Noman saß stumm vor mir, im Hintergrund Ignis, die Thorsten nach wie vor ausschimpfte.

„Lieber nicht, lass uns lieber mit Kalli an den kleinen See hier gehen."

„Ein bisschen der Magiermenge entkommen… sag aber bitte Atrien Bescheid, dass wir nicht kommen, der wartet sonst vergebens dort auf uns."

Er nickte und holte seinen Kommi aus der Tasche seines Anzugs. Noman hatte sich verändert. Seine schulterlangen, blonden Haare waren etwas dunkler geworden, er war sehr groß für sein Alter und leicht muskulös, genug, um nicht mit einen dünnen Ast zu verwechselt zu werden, aber nicht zu sehr, dass er aussah wie der Stamm, seine Augen waren zwar von den schlaflosen Nächten gezeichnet, doch die dunklen Augenringe hoben seine blauen Augen, die noch strahlender waren als je zuvor, noch mehr hervor. Er hatte etwas bräune, Sajin schleppte ihn oft vor die Tür. Hört sich jetzt wahrscheinlich komisch an, und ich betone es erneut, ich stehe nach wie vor auf Frauen, aber Noman war der attraktivste Mann, den ich jemals kennenlernen sollte, dass wird er mir, nachdem er das gelesen hat, zwar richtig unter die Nase reiben, aber die drei Male, die ich mit ihm geschlafen habe, waren mindestens genauso gut, wie die Nächsten, die ich mit anderen Frauen verbracht habe, auch wenn zwei davon unter Einfluss von Alkohol geschehen waren. Er sah mich an. An mir hatte sich nicht viel verändert, er meinte, daher, dass ich kaum Hormone im Körper hatte, sah ich zu androgyn aus, nur im Kleid erkannte er, dass unter den normalen Klamotten ein Mädchen war. Er schien das auch nur in einen Kleid zu merken. Ich war sein Kumpel, aber doch auch eine Frau. Er hätte sich nie in mich verliebt, aber ich denke, dass er mich genauso attraktiv fand, wie ich ihn. 

„Weißt du Kalli will heute Abend wahrscheinlich bei Ignis bleiben, sollen wir uns jetzt schon verziehen."

Er nickte und stand auf, nur damit er mir die Hand reichen konnte, um mich hochzuziehen. Das war mir jetzt doch zu kitschig, also stand ich ohne Hilfe auf. 

„Merlin, ich bin weg."

Er sah mich mit diesem, lass mich nicht mit dieser Irren allein, Blick an, aber ich sprang hinter Noman den Balkon runter. 

Wir saßen an einen kleinen Tümpel, Teich konnte man das nicht mehr nennen. Wir saßen einfach da und sahen der Sonne bei ihren Lauf über den Himmel von Sebteka zu. 

„Atrien hat nur okay zurückgeschrieben… ich denke nicht, dass er jemals Reue zeigen wird."

Unterbrach er die Stille, ich wusste nicht so recht, was ich darauf antworten sollte. Ich war damals nicht dabei, als Atrien Noman in der Taverne vor seinen Eltern und Nomans Vater bloßgestellt hat, aber er hat das Verhältnis zwischen Noman und seinem Vater, was vorher schon sehr schwer war, so schwer, dass Noman lieber mit Sajin das Moon und Solar Fest feierte als mit seinen Vater, noch weiter zerrüttet. An sich war Homo-, Bi- oder Transsexualität nichts Verbotenes in unserer Welt, zu dieser Zeit jedoch waren noch nicht alle damit einverstanden, wenn ihre Kinder eines davon waren, heute auch noch nicht alle, aber damals waren es noch mehr. Nomans Vater war einer davon, Noman hatte sich bemüht, die Beziehung aufrecht zu erhalten, aber Atrien hatte dem wohl den Gnadenstoß verpasst. Noman hatte seitdem keinen Kontakt mehr zu seinem Vater gehabt und war dementsprechend sehr wütend auf Atrien. 

„Lass uns nicht darüber reden… Vielleicht weiß er nur nicht, wie er sich bei dir zu entschuldigen hat."

„Schwache Ausrede, Lolo…"

Ich seufzte und legte mich auf den Rücken. 

„Die Feier geht bald los, wir sollten uns so langsam auf den Rückweg machen." 

Sagte er und stand auf. Wieder reichte er mir die Hand, um aufzustehen, aber ich stand wie immer allein auf und klopfte den Dreck aus meinen Kleid, damit Ignis nicht mit mir schimpfen musste. Wir machten uns auf den Weg zurück in Thorstens Heimatstadt, als ich in dieser endlosen Wüste plötzlich eine mir vertraute Präsenz spürte. Noman schien sie auch zu spüren, nur er nahm sie feindseliger wahr als ich. Ich benutzte das sechste Auge und sah mich etwas genauer um, aber was ich sah, schlug mir direkt in den Magen. Es war wie Rulan gesagt hatte, vor zwei Jahren, bei meiner ersten Nahtod Erfahrung. Matt lebt und er wurde von Nightmare so wie seine Begleiter kontrolliert. Noman hatte seine Waffe schon aktiviert, ich holte Abendrot aus meinen Kosmosbeutel. Trotzdem gingen wir weiter, damit wir den hohen Magiern und den Sicherheitstruppen Bescheid geben konnten. 

„Los komm, Lolo…"

Ich ließ das sechste Auge aktiviert, damit ich sie weiterhin beobachten konnte. Sie beobachteten uns nur, nicht einmal explizit mich, aber sie planten etwas, und der Anzahl an Negativen zufolge, war es etwas Großes. 

Loki, du musst mit dem sechsten Auge aufpassen, du kannst schnell die Orientierung verlieren oder gar deine Sehfähigkeit generell. 

Das sagst du mir erst jetzt! Nach über eintausendfünfhundert Jahren!

Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch extra erwähnen muss! 

Das ist mal wieder typisch Merlin!

Die Sonne war schon am Untergehen als Noman und ich keuchend endlich Sebteka erreicht hatten. Die Feier war schon voll im Gange und keiner schien zu merken, dass wir beobachtet wurden. Wir kämpften uns durch die Mengen und suchten nach unseren Meistern. Aber die tanzenden Menschen und die spielenden Kinder waren einfach zu viel Kraft, gegen die wir ankämpfen mussten. 

„Lanueris, neben Merlin."

Lanueris, der Zauber der Teleportation, der einen ungefähr einen Kilometer weit brachte. Neben mir hatte Noman dasselbe auf Sajin bezogen gemacht. Wir standen neben unseren Meistern, die an einer halbkreisförmigen Tafel saßen und aßen. 

„Da seid ihr ja, setzt euch."

Sagte Sajin, als wäre es das normalste der Welt, dass, wie aus dem Nichts, zwei fertige Schüler auftauchten. 

„Dafür ist keine Zeit, Meister. Die Negativen sind hier, und zwar ein ganzer Haufen von ihnen. Loki hat das verbesserte dritte Auge von Merlin benutzt, um sie zu sehen. Wir müssen so schnell wie möglich die Gäste wegbringen."

Sajin sah alarmiert zu Merlin, als ob er uns nicht glauben würde, aber nachdem auch Merlin das sechste Auge eingesetzt hatte, nickte er nur zustimmend. 

„Ich suche Thorsten und sage den restlichen Hohen Bescheid, schnapp dir Ignis und fang an die normalen Bürger in Sicherheit zu bringen, am besten…"

Da hörten wir einen Knall und Schreie. 

„Verdammt, sie sind da."

„Loki, Noman, macht ihr das, was ich Merlin aufgeben wollte. Wir müssen kämpfen."

Ich wollte protestieren, aber Ignis drückte mir bereits Kalli in die Arme. Sie flog tapfer neben Merlin in die Schlacht. Es sollte das letzte Mal sein, dass ich die Beiden an diesen Abend sehen sollte. Wir rannten weg und trommelten wie Herdenschutzhunde Magier zusammen. Ich sah, als ich ganz am Rande der Magiermenge lief, mehrere Kinder stolpern und half ihnen mit Staterio wieder auf. Wir hatten keine Ahnung wohin. Über und neben uns hörten wir magische Bomben explodieren, Magier schrien wie wild umher. Ich hatte Abendrot in der Hand, Kalli auf den Rücken. 

„Loki!"

Schrie neben mir Rania, die sich durch die panische Menge zu mir gekämpft hatte. 

„Vater geht kämpfen, gib mir bitte Kalli und geh mit Noman zu ihm, wir Dämmerungsmagier kümmern uns um die Zivilisten!"

Ich warf ihr Kalli zu. 

„Ich tu das ungern Rania, passt auf euch auf."

„Keine Sorge, wir arbeiten gerade an einen Portal zu den Highlands, Harus hat uns das angeboten. Pass eher auf dich auf."

Sie nahm meinen Platz ein und ich drehte um, Noman entdeckte ich kurz danach. Es war unheimlich. Dadurch, dass die Zivilisten weg waren, hörten wir das Knacken und Krachen der einstürzenden Häuser, die so viel Staub aufwirbelten, dass wir Schwierigkeiten beim Sehen hatten. Vor uns fiel ein Haus auf die Straße, wir konnten uns gerade noch so rechtzeitig in Sicherheit teleportieren. Ich sah eine Person, die die Bombe geworfen hatte, aber es war kein Negativer, es war ein Monsterjäger. In dem Moment traf mich eine bittere Erkenntnis. Der Vorfall mit Sesestra und Kalum, das war kein Zufall. Sie wollten mich und Kalli. Ich setzte das sechste Auge ein, Kalli war weg, in Sicherheit, mit unseren Tieren und vielen Zivilisten, fast eintausend. Aber irgendwo in Sebteka waren noch mindestens doppelt so viele. Uns Beiden halben Kindern war klar, dass wir sie finden und retten mussten, bevor noch mehr starben. 

„Ictusa!"

Ich warf den Monsterjäger gegen einen Felsen, bevor er überhaupt reagieren konnte. 

„Los komm, suchen wir die restlichen Zivis!"

Technisch gesehen waren wir selbst nichts mehr als Zivilisten, aber in dem Moment mussten wir zu magischen Kriegern werden, der erste Vorgeschmack von dem, was noch kommen würde. Ich sah Noman, wie er neben mir rannte. Wir wehrten Attacken ab, die aus diesen Staubnebel kamen, plötzlich merkten wir, dass wir langsam, aber sicher umzingelt wurden. Wir stellten uns Rücken an Rücken, als Negative der Jeevah Familie hervortraten, darunter er. Matt. Seine Augen waren von roten Adern durchzogen, er hatte seine Unsterblichkeit mit zwanzig bekommen, ansonsten hatte er sich nicht verändert, nur dass er böse aussah, seine Mimik, seine Gestik, seine Aura, all das erinnerte gar nicht mehr an den süßen und liebevollen Bruder, den ich einst hatte. 

„Nanu, seht, was wir gefunden haben, den Verräter der Jeevah Familie. Meine kleine Schwester Loki Esyia Jeevah."

Sagte er und ich hörte eine Spur Urian heraus. Noman wusste von dem, was mir Rulan erzählt hatte, alle hohen Magier wussten davon. Trotzdem tat ich so, als würde ich meinem Todfeind, im Moment war er das ja auch, gegenüberstehen. 

„Mein Name ist Loki Esyia Woods. Was sucht ihr hier, was wollt ihr hier?"

Fragte ich und nahm Abendrot in beide Hände und machte mich zum Angriff bereit. 

„Wir suchen dich. Ergib dich und schließe dich uns wieder an, dann darf dein Freund weiterleben."

„Lass dich nicht drauf ein Loki. Ich habe einen Plan."

Sagte mir Noman mit Animoralis. 

„Dein Plan, Noman wird dich nicht weiterbringen."

Ich fiel vom Glauben, wie konnte Matt hören, was wir per Animoralis besprachen? Animoralis war undurchschaubar. 

„Ihr könnt eure Gedanken so gut wie ihr könnt abschirmen, dank meiner besonderen Fähigkeit der Tingulis Magie kann ich euch hören, jederzeit hören. Du entkommst mir nicht Loki, also sein Leben, oder deines? Einen von deinen Freunden haben wir schon erwischt. Schöne Grüße von Atrien."

Mir fuhr es kalt den Rücken runter, Noman auch. 

„Was hast du mit ihm gemacht!"

Schrie ich. 

„Sagen wir mal, Mortiers hat seine Arbeit gemacht."

Mortiers ließ die Seele und den Körper explodieren, um es verständlich auszudrücken. Als Beweis hielt er uns die letzten Fetzen von Atriens Seele vor. 

„Er hat bis zum Schluss nicht sagen wollen, wo ihr seid, ein mutiger, aber doch schwacher und dummer Junge. Wir hätten ihn früher oder später sowieso erledigt."

Er ließ die Seelenstücke fallen und sie lösten sich restlos auf. Ich spürte ihn, Noman auch, so unfassbar es scheint, es war, als ob er noch einmal bei uns war, uns umarmte, sich bei Noman entschuldigte, dann mit sich selbst im Reinen war und sich endlich verabschieden konnte. Ich stand da, Noman hinter mir brach zusammen und viel weinend auf die Knie, und ich fühlte mich, als würde auch ein Teil meiner Seele zerreißen. Atrien… war Tod… einfach so. Aus diesen gefühllosen Nichts breitete sich die Wut aus, wie ein beißendes Feuer. Ich hielt Abendrot so fest in der Hand, dass es beinahe zerbrach. Aber anstatt anzugreifen und den Tod des nächsten Freundes zu riskieren, steckte ich Abendrot zurück in den Kosmosbeutel und hielt die Hände hoch. Ich ergab mich, Matt lächelte boshaft und packte mich am Unterarm, um mich hinter sich her zu schleifen. Er hielt sein Wort und ließ den verstörten Noman einfach dasitzen. Matt war nicht Matt, trotzdem entstand durch den Mord an einem meiner ältesten Kindheitsfreunden ein tiefer Hass auf ihn… der sich leider sehr lange zog. Mir war alles in diesen Moment egal, aber dann spürte ich in meiner Lederjacke Merlins Messer. Ich hatte es einfach beim Umziehen mit eingepackt, weil Kalli und mir die Gefahr durch die Monster Jäger bewusst war. Noman war in Sicherheit, also konnte ich einen Bruch des Deals mit Matt riskieren und Anuyomi endlich für mich freischalten. 

„Oh nein, du Miststück, das tust du nicht!"

Matt wusste genau, was ich vorhatte, da griff ihn ein kleiner Drache an. Es war Hood, unter ihr lief Blue. Blue war das Kitsune des Wasser und der Seele, so der offizielle Titel. Hinter ihnen sah ich Rania und Noman. Rania hatte Kalli auf den Rücken, warum auch immer sie sie mitgenommen hatte. 

„Weg von ihr, elendiges Pack!"

Sagte Rania, doch durch den Angriff der Wesen hatte mich Matt losgelassen, die Chance nutzte ich, nahm das Messer und stach mir direkt ins Herz. Ich hörte meine Freunde schreien, Kalli kreischte sofort los und meine Welt um mich herum wurde schwarz. 

Ich stand in einer Umgebung, die mich an das erinnerte, was ich durch das sechste Auge sah. Vor mir standen die Unwesen, die Merlin mir vorgestellt hatte, im Hintergrund erkannte ich schemenhaft mehr von ihnen. Langsam und etwas unterwürfig stand ich auf. Der König schwebte hervor und sagte in einer Stimme, die mir die Zehnnägel aufrollte:

„Du bist also Merlins Spross. Willkommen im Land von uns Unkreaturen. Lass uns etwas plaudern."

Er hob seine Arme einladen hoch und nahm meine Hände. 

„Los komm, lass uns etwas gehen."

Er führte mich in einen wunderschönen Weg mit Bäumen entlang, die rosa Blüten trugen, die vereinzelt auf den Weg schwebten. Der König führte mich an seinen Arm den Weg entlang, die restlichen sieben Unkreaturen im Hintergrund. Ich trug nach wie vor mein Kleid, es sah nicht so aus, als hätte ich mich gerade erstochen. 

„Loki Esyia Woods. Eine Ehre. Oh, entschuldige, ich kenne deine Zukunft, die Welt von Anuyomi ist sehr verwirrend, so wie die Gedanken seines Herren. Ich rede um den heißen Brei, verzeih, aber es ist selten, dass ich einen Lebenden sehe. Wie du siehst, die Unkreaturen hinter mir sind nicht sehr gesprächig. Ich bin gelangweilt von meiner Existenz, aber dank Merlin gibt es wenigstens ein kleines Spickfenster für mich. Und schon bald ein zweites, wenn du den Bedingungen zustimmst."

Das letzte sagte er mit einem boshaften Unterton. 

„Bedingungen?"

Fragte ich unsicher und löste mich vorsichtig aus seinem Griff. Nachher war das so wie einen Pakt mit dem Teufel einzugehen, um es für die Menschen verständlich auszudrücken. 

„Ganz einfach, du darfst jederzeit mich und die restlichen Unkreaturen rufen, im Gegenzug wirst du zu einer werden, falls du sterben solltest."

Ich stand wie erschlagen da. Es war wirklich ein Deal mit dem Teufel. Aber was bedeutete in unserer Welt schon der Tod? Genau gar nichts, da wir unsterblich waren, also konnte ich nicht so schnell auf natürliche Weise sterben. Wenn ich gut auf mich aufpassen würde, würde ich auch nicht so schnell in einen Kampf den Löffel abgeben. Erinnert euch bitte an diese Worte. Ich seufzte und hielt ihn meine Hand zum Besiegeln meines Schicksals hin. 

„Sehr schön, endlich ein bisschen mehr Entertainment."

Er schlug ein. 

„Du musst einen mitnehmen, welches Zeichen malst du als erste auf deinen Handrücken?"

Ich sah zu der Assassine. Sie nickte und machte sich kampfbereit. Merlin hatte Blut verwendet, um sich ihr Zeichen auf den Handrücken zu schreiben. Ich machte es ihm nach, ohne Falle, einfach weil ich wütend war, wollte ich alle, einschließlich meines großen Bruders, tot und unter der Erde sehen. Sie spürte meine Wut und es machte sie stärker. 

„Dann schick ich euch beide zurück. Viel Glück."

Dann öffnete ich die Augen, die beide hellgrün leuchteten. Das Zeichen hatte ich noch auf der Hand und ich hörte wie die Negativen, die Matt begleitet hatten, zu Boden gingen. Ich fühlte mich unendlich stark. Overpowert, wenn wir es so nennen wollen. Ich sprang auf Matt zu und griff ihn zu aggressiv an, er konnte sich kaum verteidigen und wich mehr aus, bei seinen elendigen Versuch zu fliehen. 

„Ich bring dich um!"

Kreischte ich und verfolgte ihn durch die Ruinen von Thorstens Heimatstadt. Meine Freunde hatten so viel Angst, dass sie wegliefen und Merlin suchten. Die Assassine merkte, was ich wollte, alle Monsterjäger und Negativen, die in dieser verdammten Stadt waren, sollten schneller ins Gras beißen als eine hungrige Kuh. Die Einzige, die blieb, war Hood, sie versuchte mir zu helfen, auch wenn das bedeutete, dass sie mich angreifen musste, sonst würde ich wahrscheinlich durch Anuyomi zerdrückt werden. Sie versuchte mich aus der Fassung zu bringen, während sich die Assassine meinen Willen ausführte und die restlichen Negativen tötete oder verscheuchte. Hood griff mich im Gesicht an, weswegen ich kurz abließ und sie zu Boden warf. Matt nutzte seine Chance und verschwand. Ich schrie Hood an:

„Was soll der Scheiß, du widerliches scheiß Reptil! Ich hätte diesen Typen endgültig den Gar ausmachen können!"

„Loki, komm bitte runter!"

Schrie sie und biss mir in die Knöchel. Ich trat sie einen Meter weit. Plötzlich übergoss mich jemand mich kalten Wasser. Blue war noch da. Ich weiß bis heute nicht warum, aber das kalte Wasser brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen und ich fiel auf die Knie. Meine Augen füllten sich mit Tränen, die ich rausließ, ich kam langsam runter, Merlin hatte die Fremden und die Monster gerufen, zusammen mit der Assassine konnten wir die Negativen in die Flucht schlagen. Alles war so verschwommen vor mir. Blue und Hoods schmiegten sich an mich, um mich zu beruhigen und Noman kam aus dem Nichts und nahm mich auch in den Arm. Durch die Erschöpfung löste ich die Verbindung mit der Assassine. Danach wurde mir schwarz vor Augen. 

Das Sebteka Massaker, wie es später genannt werden sollte, forderte fast über dreihundert zivile Opfer, darunter Atrien Kalumi und sein Meister… Thorsten Lügenbrücks Ruf wurde befleckt, da er die Schuld auf sich nahm, um die Tatsache zu verschleiern, dass Matterius Jeevah der III eigentlich seine kleinen Schwestern mitnehmen wollte. Einige Leute verlangten sogar, dass der hohe Magier Sajin Lumunis zum Höchsten gemacht wird, da seine besondere Fähigkeit nachweißlich stärker war als die von Thorsten. Loki und ich sollten die Solarische Tapferkeitsmedaille verliehen bekommen und der Ruf meiner Schülerin wurde somit wieder reingewaschen. Loki gefiel die Idee nicht sonderlich… verzeiht, ihr wollt sicherlich Lokis Geschichte nicht von ihrem Meister erzählt bekommen, aber Loki und Noman ist der Tod von Atrien doch sehr nahe gegangen, vor allem als Atriens Seele sich bei ihnen friedlich verabschiedet hatte. Gerade ist sie mit Roro ein paar Runden fliegen gegangen. Gebt ihr ein paar Minuten, damit sie sich fassen kann. 

Merlin hat es euch bereits eröffnet, es gab eine Medaille für mich. Großartig, super… ehrlich gesagt hatte ich keine Lust darauf. Vor allem, weil ich mich am Abend zuvor von Thalia persönlich mit den Worten: Es tut mir leid, aber das zwischen uns hat keine Zukunft mehr, getrennt hatte, und am Vormittag desselben Tages fand eine Trauerzeremonie für Atrien statt. Ich saß in einen Vorraum, Ignis hatte mir ein neues Kleid gemacht, auch wenn ich mich nach wie vor sträubte es anzuziehen, als ich so vor mich hin reflektierte machte das aber auch nichts mehr aus. Der ganze Vorfall hatte mich etwas in den Augen der anderen Magier rehabilitiert, es gab wieder Magier, die mich nicht anspuckten oder dumm anmachten. Mir ging es trotzdem besser, es war, als wäre ein gigantischer Felsen von mir gefallen, mit allem, aber gerade hatte ich noch Muskelkater und es brauchte ein bisschen, bis wieder alles in Ordnung war. Jetzt erstmal in Ruhe die letzte Lektion beenden, aber davor diese verdammte Auszeichnung entgegennehmen. Merlin kam zu mir und setzte sich neben mich. 

„Na, großer Tag, oder?"

„Meine erste Auszeichnung… aber ich bin ehrlich sehr erschöpft."

„Dann nehmen wir uns ein paar Tage Auszeit. Witzig, eigentlich sollte Sebteka unsere Auszeit werden und jetzt sitzen wir hier und können den besten Streich spielen, den wir je gespielt haben."

Er reichte mir zwei Phiolen und grinste frech. 

„Ignis wird wütend werden…"

„Hat uns das je abgehalten."

Er schüttelte die Phiolen leicht, um mich aufzufordern, endlich die Phiolen zu nehmen. Also nahm ich sie und steckte sie in eine Tasche, die das Kleid hatte. Wir wurden gerufen und traten vor die Tür, wo Noman und Sajin warteten. Noman und Sajin waren am Vormittag auch bei Atriens Trauerfeier gewesen, dass hing ihm in den Knochen, auch wenn er es mir zur Liebe versuchte zu unterdrücken. 

„Also gut, lasst es uns hinter uns bringen."

Sagte Sajin wohlwissend was Merlin und meine Wenigkeit vorhatten. Wir traten auf eine Bühne, die in den Innenhof des früheren Schlosses von Tag und Nacht ragten, heute war es auch der Sitz der Hohen und des Höchsten. Wir standen sage und schreibe drei Stunden, bis Thorstens Lob- und Einschleimrede endlich zu Ende war. Das Schlimme an der ganzen Sache war die Tatsache, dass ich gerne so schnell wie möglich nach Hause wollte. Als er merkte, dass wir unseren Streich spielen wollten, drückte er uns die Medaillen in die Hand. Die bestanden aus schwarzen Amethyst an einen gelben Band, eine furchtbare Mischung, wenn ihr mich fragt. Um den Feierlichkeiten zu entgehen, öffneten wir die Phiolen. Ignis brannte vor Wut, aber dadurch, dass wir früher gehen durften, war ihr das im Nachhinein herzlich recht. Ich saß an meinem Fensterbrett. Blue und Roro saßen neben Perla, die die ganze Zeit zu Hause bleiben durfte, Sienna lag unten im Wohnzimmer am Kamin… nur Hood kam zu mir. Sie sah mich ernst an. 

„Was willst du?"

Seufzte ich. Ganz ruhig, aber ernst fragte sie:

„Gib mir einen besseren Namen."

„Jetzt nicht…"

„Doch, jetzt!"

Forderte sie still und gleichzeitig ernst. 

„Hood, ich will nicht, mir geht es gerade sehr schlecht, falls du das noch nicht bemerkt hast. Einer meiner Freunde ist gestorben…"

„Gib mir einen neuen Namen."

Ich wurde wütend und warf ein Buch nach ihr, verfehlte sie aber um einen halben Meter. 

„Wieso kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen!"

Schrie ich sie an. Ruhig und bestimmt verlangte sie wieder:

„Gib ihn mir, der Name, der dir auf dem Herzen liegt."

Ich sah sie schockiert an, dann kamen mir wieder salzige Tränen in die Augen, die ich aber unterdrückte. Dieser kleine Drache war wahnsinnig empathisch. Ich nahm sie in den Arm, sie legte ihre schuppigen Flügel vorsichtig und liebevoll um mich und dann sprach ich ihn aus. Ihren neuen, besonderen Namen. 

„In Gedanken an meinem Freund sollst du ab sofort Atria heißen, die weibliche Form des Namens Atrien."

Sie legte ihren Kopf auf meiner Schulter ab, schloss die Augen, Qualm kam aus ihrer Nase, aber sie sagte entspannt. 

„Das ist ein Name, den ich mir gerne geben lasse, danke meine Herrin."

Eine harte Zeit, aber du und Noman habt sie zusammen gut gemeistert. 

Ja, aber das schlimme ist, dass man, wenn man so viele Leute verloren hat, die man mochte und gut kannte, spürt man den Tod irgendwann nicht mehr. 

Sag das nicht Loki. Ich weiß, wie dich das Ableben deiner Freunde zerstört hat… aber das Jahr hat dir auch irgendwie gut getan, als du dich von Thalia getrennt hattest, war es, als ob du tief durchatmen konntest. 

Ja, es tat gut, mal nicht älter zu sein, als man eigentlich ist. 

Und dann kam der Bürgerkrieg. 

Leider leider…