Der Pfad der Verbundenen

Der Tag war lang gewesen und die Sonne neigte sich nun langsam ihren letzten Strahlen entgegen. Über den Bäumen lag ein warmes, goldenes Licht, das sich wie ein leises Versprechen über den Truppen breitete. Wir befanden uns noch immer auf der Hauptstraße gen Norden, der wir noch ein paar weitere Tage folgen würden, bevor wir in Richtung Westen umschlagen. Die Straße war ruhig und das Lager, welches nun nach und nach entstand, schien fast eine Reflexion des Morgens, ein Moment der Ruhe, bevor die Reise wirklich begann.

Die Zelte wurden rasch errichtet, mit schnellen, geübten Handgriffen von Abenteurern und Soldaten, aber immer wieder warf der ein oder andere einen nervösen Blick auf den Horizont. Die meisten der Rekruten waren noch weit davon entfernt von dem Vertrauen, das die Veteranen ausstrahlten. Ihre Ausrüstung, obgleich gut gepackt, schien ihnen schwer und unbequem. Das Knirschen der Rüstungen, das Klicken der Waffen und das Knistern der Feuer, all dies zog durch den Abend, ein leiser Vorbote von dem was sie erwartete.

Ich stand ein wenig abseits und prüfte still das Lager. Meine Augen wachsam und unaufdringlich. Ich erfasste die Positionen der Leute, wie die Zelte aufgestellt waren, wo die Feuer brannten und das unbestimmte Gefühl, dass da draußen noch mehr lauerte als nur die Nacht, sondern das was noch vor uns lag. Ich seufzte leisen und betrat mein Zelt. Es war mit routinierter Geschwindigkeit aufgestellt worden. Als ich mein Rüstung löste und langsam ablegte, spürte ich nicht ihr Gewicht, sondern das der Verantwortung deutlich. Mir wurde bewusst, dass es nicht länger nur mein Leben war, für das ich Verantwortung übernehmen musste, das Schicksal jedes einzelnen hier lag in meinen Händen. Und das war nur ein Vorgeschmack dessen was noch auf mich zu kommen sollte, wenn ich mich meinem Ziel des idealen Königreichs nähere. Aber ich war bereit dafür, in meinem alten Leben wäre diese Last nur schwer zu tragen gewesen, doch habe ich den Schwur gegenüber Leneth nicht vergessen. Dank ihr habe ich eine neue Chance, ein neues Leben und ich werde alles daran setzen es bestmöglich zu leben.

Nachdem ich die schweren Teile der Rüstung im Zelt gelassen hatte, drehte ich in normaler Kleidung eine Runde durch das Lager. Bei dieser Gelegenheit, teilte ich die Wachen ein und unterhielt mich locker mit Soldaten und Abenteurern gleichermaßen, indem ich mich einen Moment zu ihnen ans Feuer setzte. Ich hoffte, dass meine lockere und zuversichtliche Art ihnen ein wenig die Angst und den Druck nehmen würde. Es schien zu funktionieren, allmählich entstanden lockere Gespräche und gelegentliches Gelächter war zu hören.

Am anderen Ende des Lagers angekommen, wandte ich mich der Dämmerung zu. Ich Fragte mich wie viele von ihnen diese Reise überstehen werden. Ich prüfte die Gegend erneut mit meinem Magiegespür, ich wollte sicher gehen, dass ich nichts übersehen hatte. Es schienen zumindest keine Monster in unserer Nähe zu sein. Aber ich spürte etwas anderes, das mich innerlich aufwühlte.

All meine Sinne und Aufmerksamkeit blieben an einer magischen Kraft hängen, eine die ich wie keine Andere kannte. Zügig bewegte ich mich am Rand des Lagers entlang, vorbei an Zelten, Soldaten und Abenteurern. Bis ich eine vermummte Gestalt, die mit dem Rücken zum Feuer saß, am Lagerrand fand. Neben ihr Lag ein Bogen, halb im Gras versteckt, den ich genauso wie die magische Kraft vor mir, unter hunderten seiner Art wiedererkennen würde. Ich ging langsam auf die Gestalt zu und setzte mich ruhig neben sie, aber mit meinem Gesicht zum Feuer. Der Körper dieser Person war sichtlich angespannt, als ich neben ihr platz nahm hatte ich das Gefühl sie wäre kurz zusammengezuckt. Und? Wie lange hast Du vor dich vor mir zu verstecken? Fragte ich sie mit leiser und liebevoller Stimme, die allerdings einen hauch Ernsthaftigkeit mit sich führte. Sie antwortete mir nicht, aber ich konnte sehen wie ihre Hand begann zu zittern. Sie drehte sich leicht von mir weg, als wolle sie jeden Augenblick flüchten. Vermutlich hatte sie Angst, ich würde sie Ausschimpfen weil sie mir gefolgt war oder sie gar nach Hause zurück schicken.

Ich griff langsam nach ihrer zitternden Hand und hielt sie auf eine zärtliche Art fest. Willst Du nicht mit mir reden, Celine? Fragte ich mit leiser Stimme und lies etwas Enttäuschung in meinem Ton mitschwingen. Ihre Hand hörte auf zu zittern und griff fest nach der meinen, als hätte sie angst mich zu verlieren, wenn sie auch nur ein bisschen mehr locker lies. Sie drehte sich zu mir um und streifte langsam ihre Kapuze vom Kopf, wodurch ihr blondes Haar zum Vorschein kam. Durch das flackernde Licht des Feuers sah ihr Haar fast lebendig aus, wie kleine Sonnenstrahlen. Sie sah mich mit großen wehmütigen Augen an. Tränen, die kurz davor waren auszubrechen, spiegelten den flackernden Tanz des Feuers wieder. Ich sah ihr mit einem Blick in die Augen, der ihr nichts anderes als Freude und Glück zu vermitteln vermag. Dazu schenkte ich ihr ein einladendes Lächeln. Ihre Zurückhaltung zerbrach und sie warf sich mir, unter tränen, um den Hals. Ich nahm sie sicher in den Arm und legte meinen Kopf sanft an ihren. Es tut mir leid! Schluchzte sie.

Es gibt nichts wofür Du dich entschuldigen müsstest. Sagte ich beruhigend zu ihr. Ein paar Momente später hatte sich Celine etwas beruhigt. Sie löste sich von mir und sah mich mit verheulten Augen an. Ich wischte ihr die Tränen aus den Augen. Wenn unsere Plätze vertauscht wären, hätte ich vermutlich genau das gleiche getan wie Du. Sagte ich, um sie etwas aufzumuntern. Du wirst mich also nicht zurück Schicken? Fragte Celine mit einem leichten Kratzen in ihrer Stimme. Für kein Geld der Welt. Antwortete ich ihr und umarmte sie. Während sie in meinen Armen lag, sah ich mich um. Die anwesenden Abenteurer und Rekruten schauten uns gespannt zu. Sofort kamen in mir Unbehagen und ein wenig Wut hoch. Habt ihr nichts bessere zu tun? Fuhr ich sie verärgert an. Sie zucken zusammen und drehten sich von uns weg. Ich konnte ihr kichern genau hören.

Wir sollten das in eine privatere Gegend verlegen. Wo ist dein Zelt? Fragte ich Celine. Sie war auf einmal wie versteinert in meinen Armen. Was ist los? Fragt ich erneut und löste sie von mir. Als ich ihr Gesicht sah wurde mir alles klar. Sie hatte es vergessen. Ich wusste in dem Moment nicht ob ich lachen oder beschämt sein sollte. Wo hattest Du denn vor zu schlafen? Es ist ein zweiwöchiger Marsch bis wir Velgath erreichen. Fragte ich sie entsetzt. Mir wäre schon etwas eingefallen! Sagte Celine leicht trotzig und wandte ihren Blick verlegen von mir ab. Ich seufzte, musste aber leicht amüsiert grinsen. Wie dem auch sei, es ist ja jetzt kein Problem mehr. Du kannst einfach bei mir im Zelt schlafen. Als sie meine Worte vernahm, schnellte ihr Kopf zurück und sie sah mich mit einem Funkeln in ihren Augen an. Ich hatte das Gefühl in eine Falle getappt zu sein, die sofort zugeschnappt hatte. Hatte sie das geplant? Nein, das war unmöglich. Sie mag für ihr alter unglaublich frühreif sein aber das zu Planen ging zu weit. Dachte ich mir.

Wir verblieben noch eine Weile gemeinsam mit den anderen am Lagerfeuer und schlossen uns dem Abendessen an. Es war nichts besonderes, normale Feldration und eine dürftige, viel zu schwach gewürzte Suppe. Nicht desto trotz verbrachten wir einen angenehmen und aufmunternden Abend. Die Zeit verging, das Lachen am Feuer war leiser geworden und die Gespräche ebbten allmählich ab, als die Nacht sich endgültig über das Lager legte. Flammen warfen flackernde Schatten über Gesichter, die für einen Moment ihre Sorgen vergessen hatten oder sie zumindest gut genug versteckten. Ich stand auf, streckte mich kurz und lies den Blick ein letztes Mal über die Runde schweifen. Ich wandte mich Celine zu und hielt ihr meine Hand hin. Es wird Zeit. Sagte ich zu ihr. Sie nickte mir zu, griff nach ihren Bogen, kam an meine Seite und hakte sich in meinen Arm. Gemeinsam gingen wir durch das Lager. Unsere Schritte waren leise. Das entfernte Knistern des Feuers und das Zirpen der Nacht begleiteten uns, während wir uns zwischen den Zelten hindurch bewegten.

Zwischen uns lag keine unangenehme Stille. Es war die Art von Ruhe, die auftritt, wenn Worte längst überflüssig sind. An meinem Zelt angekommen hielt ich den Stoff für Sie zurück. Unsere Blickte trafen sich, als sie an mir vorbei ins Zelt ging. Ihre Augen strahlten vor Glück und Dankbarkeit. Allein ihre Nähe reichte aus, um mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ich folgte ihr ins Zelt. Es war ein großes trapezförmiges Zelt, eines Generals würdig. Ich fand es ein wenig übertrieben, aber da ich es nun nicht mehr alleine nutzen würde, war es wohl angemessen.

Wir legten uns nebeneinander und ich zog die Decke über uns. Das Licht der kleinen Öllampe, im Zelt, warf sanfte Schatten an die Stoffwände, bis ich es löschte und die Dunkelheit uns ganz umhüllte. Die Kälte und Einsamkeit der Nacht musste ich nun nicht ertragen. Dennoch war ich froh, dass sie zumindest an ihr Schlafkleid gedacht hatte, sonst hätte ich nicht so einfach an ihrer Seite einschlafen können. Der Lärm des Lagers war verstummt, nur das entfernte Knacken eines Feuers und das Rascheln des Windes in den Bäumen war noch zu hören.