Vorbereitung auf den Kampf

Der Himmel über Velgath und seinen brachliegenden Feldern war schwer und bleigrau. Der Boden sog bei jedem Schritt die Stiefel halb ein, durchweicht vom schweren Gewitter und dem gelegentlichen Regen der letzten Tage. Die Stadt lag in der Ferne wie ein schwarzer Schatten, keine Bewegung auf den Mauern, kein Licht, kein Leben. Wir errichteten das Lager in sicherem Abstand, dort, wo der Wind den beißenden Gestank der Verwesung gerade noch nicht hertrug. Die Soldaten und Abenteurer arbeiteten schweigend. Es war kein gewöhnliches Schweigen, eher die Sorte, die sich mit einem üblen Gefühl in der Magengegend niederlegte und jeden Gedanken schwer machte.

Ich stand am Rand des Lagers und sah nachdenklich zur Stadt. Irgendetwas stimmte nicht. Nicht nur wegen der Untoten. Die Luft selbst fühlte sich Falsch an. Was mich besonders stutzig machte war die Magie die in der Luft von Velgath lag. Normalerweise ist die Magie in der Luft weit verteilt und selbst für mich kaum wahrnehmbar, doch konnte ich die Magie in der Luft von Velgath deutlich spüren. War dies aufgrund der Untoten? Oder ist dies das Resultat irgendeiner merkwürdigen Art von Magie? Ich hatte keine Ahnung, ich wusste nur, dass wir es die nächsten Tage sicherlich herausfinden würden.

Ich kehrte der Stadt den Rücken. Es war Zeit, die Truppen aufzustellen und einzuteilen. Dafür lies ich jeden einzelnen Mann antreten. Nach einer Weile hatten sich alle versammelt. Ich trat vor und sprach laut und fest, damit mich auch der Letzte klar verstehen konnte. Wir werden uns in vier Einheiten aufteilen. Zwei Einheiten bilden die Vorhut. Eine wird das Lager verteidigen und als Reserve dienen. Die letzte Einheit unterstützt die Front, sichert ihren Rücken und deckt, wenn nötig, den Rückzug. Sagte ich und machte eine kurze Pause, damit sie alle die Struktur erfassen konnten.

Alle Nahkämpfer teilen sich jetzt gleichmäßig auf vier Gruppen auf. Achtet dabei auf eine ausgewogene Mischung aus Soldaten und Abenteurern. Befahl ich und trat einen Schritt zurück. Ich beobachtete, wie sie sich in Bewegung setzten. Die Soldaten stammten frisch aus der Ausbildung. Sie hatten Talent, das konnte ich sehen, aber keine Kampferfahrung. Ich musste sicherstellen, dass sie überleben würden. Erfahrene Abenteurer, ich bitte euch: Gebt euer Wissen weiter. Lasst sie lernen. Und ihr, mutige Rekruten, hört zu, stellt Fragen, macht euch die Erfahrung eurer Kameraden zunutze. Ich werde es nicht dulden, dass einer von euch aus Eitelkeit oder Stolz fällt. Sagte ich und ein stilles Nicken ging durch die Reihen.

Als nächstes: Die Heiler treten vor und teilen sich gleichmäßig auf die vier Gruppen auf. Ordnete ich an. Es waren genau vier Heiler, wenn ich den Priester nicht mitzählte. Das war auch der Hauptgrund für die gewählte Anzahl an Einheiten. Der Priester trat an mich heran, einen hauch von Unsicherheit in der Stimme. Und welcher Gruppe soll ich mich anschließen? Ich kann ebenfalls heilen. Fragte er mich. Dazu komme ich gleich. Antwortete ich knapp und wandte mich wieder an die Truppen. Die Heiler übernehmen das Kommando über ihre jeweiligen Einheiten. Sagte ich und ein Erstaunen, Empörung und vereinzeltes Murmeln ging durch die Reihen. Einer der Soldaten schüttelte fassungslos den Kopf. Ein Heiler soll uns Befehligen? Flüsterte er, nicht leise genug. Ruhe! Rief ich, die Stimme hart wie Stahl.

Vielleicht habt ihr keine Ausbildung in Taktik. Vielleicht habt ihr noch nie eine Schlacht von oben gesehen. Aber ihr seid das Rückgrat eurer Einheit. Ihr kennt den Zustand eurer Männer, ihr wisst, wann eure Kraft zur Neige geht. Ohne euch kann euer Trupp nicht vorrücken und wenn ihr zusammenbrecht, muss die ganze Einheit zurückweichen. Sagte ich und ließ ihnen einen Moment, um das zu verdauen. Das Murmeln wandelte sich langsam in gemurmelte Zustimmung. Ich lies den Blick über die Gruppen wandern. Als ich die schwächste ausgemacht hatte, deutete ich auf sie.

Diese Einheit wird das Lager verteidigen. Alle Bogenschützen schließen sich ihr an. Im Häuserkampf wärt ihr im Nachteil, aber auf Distanz könnt ihr das Lager gegen streunende Untote oder Monster sichern. Außerdem könnt ihr einen Rückzug so besser decken. Die Magier teilen sich gleichmäßig auf die drei übrigen Gruppen auf. Sagte ich, aber erst als alle an ihrem Platz standen, trat ich wieder vor. Ich wählte die schwächste der verbleibenden Einheiten und deutete auf sie. Ihr werdet die Unterstützungseinheit. Der Priester und ich schließen uns euch an und übernehmen das Kommando.

Ich sah in jede der Gruppen. Prägt euch euren Heiler gut ein, er ist euer Anführer. Heute noch setzt ihr euch zusammen und besprecht eure Aufstellung. Sagte ich und wandte mich erneut an die Heiler. Ich erwarte nicht, dass ihr alle Entscheidungen alleine trefft. Greift auf die Erfahrung eurer Gruppe zurück. Wenn ihr nicht weiterkommt, dann kommt zu mir. Ich stehe euch zur Seite. Ich machte eine Pause und atmete tief durch. Morgen früh beginnen wir unseren ersten Angriff auf die Stadt. Seid ausgeruht und vorbereitet. Sagte ich und warf einen letzten Blick durch die Reihen, dann erhob ich meine Stimme zum Abschluss: Das wäre alles. Wegtreten! Die Einheiten begannen sich zu formieren. Gespräche entflammten und die Stimmen wurden lauter, das Lager erwachte.

Als die Truppen ihre Besprechungen beendet hatten, dämmerte es bereits und die Stadt warf ihren langen und kalten Schatten unheilvoll über unser Lager. Die Feuer wurden entfacht und über ihnen die Abendessen zubereitet, zudem spendeten sie eine unbedingt notwendige Wärme. Die Männer sammelten sich mit Decken über die Schultern geworfen an den Feuern um sich zu wärmen, während die kalten Abendbrisen und die feuchte Luft jedermann in die Knochen zogen. Ich kehrte noch vor dem Abendessen in mein Zelt zurück, um mir noch einmal die alte Stadtkarte von Velgath anzusehen, die ich aus der Schlossbibliothek mitgenommen habe. Ich wollte sicher gehen, den best möglichen Plan für den morgigen Tag bereit zu haben.

Warum tust Du mir das an? Fragte Celine, ihre Stimme schnitt durch die Dunkelheit, in unserem Zelt, und durch meinen ganzen Gedankenwust wie eine vertraute Klinge. Sie stand vor mir, in mehrere Decken gehüllt, ihre Hände leicht zur Faust geballt. Ich wusste genau worauf sie anspielte, aber hatte keine Ahnung was ich darauf Antworten sollte. Ein leichter Seufzer entglitt mir. Ich ging auf sie zu und griff sanft nach ihren Händen, sie waren kühl. Ich öffnete ihre Fäuste langsam und legte ihre Hände in meine. Ich kann Dich nicht mit an die Front nehmen. Sagte ich ruhig.

Ich bin nicht den ganzen Weg mit dir gekommen, damit Du mich im Lager zurück lässt. Ich gehöre an deine Seite, ob Dir das passt oder nicht! Fuhr sie mich an. In ihrer Stimme waren ihre Wut, Enttäuschung und ihr Schmerz deutlich wahrzunehmen. Ihre Worte trafen mich schwer, denn ich konnte genau nachempfinden was sie fühlte. Mir würde es nicht anders gehen, wenn unsere Rollen vertauscht wären. Ich kann weder die Truppen gewissenhaft führen, noch mit ganzer Kraft kämpfen, wenn ich die ganze Zeit um deine Sicherheit besorgt bin. Versuchte ich sie zu beschwichtigen und an ihre Vernunft zu appellieren.

Sie schnaubte, halb vor Wut, halb vor Schmerz. Und Du glaubst, mir fällt es leicht hier zu bleiben und zu warten? Während Du an der Front dein Leben aufs Spiel setzt und ich nichts anderes tun kann als zu hoffen, dass du leben zurück kommst? Fragte sie mich und sah mich mit fast schon verzweifelten Blick an. Nein. Gab ich zu. Aber Du weißt auch, dass ich kein Mensch bin. Vertrau ein wenig in meine Stärke. Sagte ich leise und zuversichtlich zu ihr. Ich zog sie sanft näher zu mir und legte meine Stirn an ihre. Ihr Kopf war ganz warm von den ganzen Gefühlen, die in ihr aufkochten. Darum geht es nicht. Ich weiß wie stark Du bist und ich habe vertrauen in Dich. Aber das ändert nichts daran wie ich fühle! Sagte sie weniger wütend und mehr einsichtig, dennoch konnte ich deutlich hören wie nahe sie den Tränen war.

Ich umarmte sie innig. Erinnerst Du dich, an das was ich dir geschworen habe? Fragte ich sie leise. Das Du immer zu mir zurückkehren wirst? Fragte sie mich zurück und schniefte kurz. Und genau das werde ich tun und keine Macht der Welt wird mich je davon abhalten können. Versprach ich ihre erneut. Ich legte eine Hand auf ihren Kopf und streichelte sanft über ihr Haar. Sie schwieg, löste sich von mir und sah mir einen Moment lang tief in die Augen. Dann griff sie langsam mit beiden Händen meinen Kopf und zog ihn zu sich. Ich widersetzte mich ihr nicht, dann schloss sie ihre Augen und Küsste mich. Auch ich schloss meine Augen und erwiderte ihren Kuss. Wir lösten uns wieder von einander und öffneten unsere Augen. Pass bitte auf dich auf. Sagte sie resignierend, leise und schwach, während sie mir tief in die Augen sah. Das werde ich. Versprach ich ihr.

Nachdem Celine sich beruhigt hatte holte ich uns Abendessen, welches wir an diesem Abend in unserem Zelt zu uns nahmen. Die Soldaten waren angespannt genug, auch ohne, dass sie mitbekamen wie viele Sorgen sich die Prinzessin machte. Nach dem Essen legten wir uns ins Bett und kuschelten uns wärmend aneinander. Das Einschlafen fiel uns Beiden schwer, dennoch schwiegen wir. Die Würfel waren gefallen und es war alles gesagt. Was blieb war, die Sache zu Ende zu bringen.