Das Wichtigste zuerst

"Prinzessin, Ihr seid wohlbehalten zurück!" Maisie schluchzte vor Erleichterung, als sie Atticus und Daphne wieder zum Schloss zurückkehren sah. Sie hatte nervös im Hof auf und ab geschritten, in Erwartung der Rückkehr der Prinzessin. Als sie realisierte, dass die Prinzessin zum Wintermarkt gereist war, war sie vor Schreck fast außer sich. Die Prinzessin hatte sich als Magd verkleidet und kein Geld dabei! Das Wetter war kalt, und sie trug keinen Mantel! Was wäre, wenn betrügerische Händler sie übers Ohr gehauen hätten? Was, wenn Männer mit bösen Absichten ihre Schönheit begehrten und sie entführten? Was, wenn die Prinzessin niemals zurückkehren würde?

Die arme Dienstmagd beruhigte sich erst ein wenig, als sie erfuhr, dass König Atticus sie begleitete.

"Du zitterst ja!", rief sie aus und hüllte die Prinzessin schnell in einen Mantel, besorgt über die Blässe ihrer Haut und Lippen. Als Maisie die nassen Flecken auf ihrem Kleid bemerkte, geriet sie in Panik. "Prinzessin, was ist geschehen?"

"Eine Schneeballschlacht", antwortete Daphne müde, ihr Geist noch benebelt von den Ereignissen des Tages. Versehentlich hatte sie einen magischen Kristall aktiviert, eine Schneeballschlacht mit Atticus begonnen und ihn in den Schnee gestoßen. Nun behandelte Atticus sie, als hätte sie die Pest, weigerte sich, auf dem Rückweg mit ihr zu sprechen oder sie auch nur anzusehen.

Das war noch seltsamer als die Entdeckung, dass eine Spielzeugverkäuferin unwissentlich magische Kristalle in ihr Spielzeug eingearbeitet hatte.

"Lassen Sie für die Prinzessin ein heißes Bad einlaufen", befahl Atticus, als er nach Innen schritt.

"Und Sie?" fragte Daphne, nicht aus Sorge, sondern aus einem unbestimmten Schuldgefühl heraus. Sie hatte ihn in die Schneewehe geschubst. Er musste frieren.

"Ich habe zu tun", erwiderte Atticus kurz angebunden, ohne sie anzusehen, als er die Treppe hinauflief.

Maisie blinzelte, sah dann fragend zu Daphne hinüber, als ob diese die Antwort auf das ungewöhnliche Verhalten ihres Lehnsherren kennen würde. Daphne konnte nur mit den Schultern zucken. War Atticus vielleicht allergisch dagegen, von Frauen im Schnee zu Boden gebracht zu werden?

War er wirklich so nachtragend, dass er sie nicht mehr mochte, nur weil sie ihn bei einer so belanglosen Sache wie einer Schneeballschlacht überrascht hatte?

Sie schniefte. Wie kleinlich.

"Ja, Majestät!" Maisie verbeugte sich hastig. "Prinzessin, hier entlang, es gibt einen prasselnden Kamin. Bitte warten Sie, während ich Ihr Bad vorbereite."

Daphne folgte ihr, ihr Blick noch immer auf Atticus' Rücken gerichtet.

"Da seid Ihr ja endlich wieder!" Sir Jonah war den Flur entlanggestürmt und deutete wütend auf König Atticus, der auf der Treppe haltmachte. "Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung vorzubringen?"

"Hallo Jonah, wie geht es? Freut mich, Dich zu sehen, möchtest Du vielleicht etwas gebratenes Fleisch ...", sagte Atticus sachlich, doch Daphne nahm den verlegenen Unterton in seiner Stimme wahr.

"Ich werde Dich zu gebratenem Fleisch verarbeiten!", verkündete Sir Jonah, während er die Treppe hinaufstieg. Atticus, der sonst so furchteinflößende König, schleuderte Jonah einfach die Tasche mit Kinderspielzeug entgegen, bevor er kehrtmachte und die Treppe hinaufstürmte, als hinge sein Leben davon ab.

Sir Jonah fing die Tasche auf und setzte ihm nach, dabei schrie er ihm zu, er solle stehenbleiben.

Daphne hob fragend eine Augenbraue.

"Sir Jonah war außer sich vor Sorge, als er herausfand, dass König Atticus ihn nicht informiert hatte, bevor er mit Euch fortgeschlichen ist", flüsterte Maisie. "Sein Gesicht könnte Milch zum Gerinnen bringen!"

Daphne kicherte, dann musste sie niesen. Und dann noch einmal.

Verdammt."Jonah, wenn du dich so verhältst, werden Gerüchte über uns kursieren", sagte Atticus, als Jonah ihn endlich in einem der leeren Räume des Schlosses stellte und die Tür hinter sich zuschlug. "Fühle ich mich jetzt wie ein Ehemann, der bei einer Affäre ertappt wurde?"

"Als ob ich jemanden heiraten würde, der das Schloss verlässt, ohne auch nur eine Nachricht zu hinterlassen." Jonah spottete und Atticus zuckte zusammen.

Er wusste, dass er etwas vergessen hatte, als er in Eile das Schloss verließ. Zu sehr war er damit beschäftigt, auf dem Jahrmarkt Zeit zu verbringen, das Volk auszuspionieren und seine neue Ehefrau zu necken. Die Vorstellung ihrer geröteten, geschwollenen Wangen und ihrer vollen Lippen brachte unbewusst ein Lächeln auf Atticus' Gesicht.

"Und jetzt lächelst du, als ob du stolz darauf wärst!"

Die Bemerkung ließ das Lächeln schnell vergehen. Atticus' Gesichtsausdruck verhärtete sich, und schuldbewusst spitzte er seine Lippen, als wäre er ein Kind, das beim Naschen erwischt wurde.

Jonah fuhr fort, wütend zu schimpfen. "Keine Notiz, keine Wachen, nichts als ein Pferd und eine als Zofe verkleidete Prinzessin bei dir. Eure Majestät, leiden Sie unter Gedächtnisverlust? Oder haben Sie das jüngste Attentat vergessen? Soll ich Ihnen enthauptete Köpfe zeigen, um Ihr Gedächtnis aufzufrischen? Oder soll ich Blut auf die frisch gewaschenen Teppiche spritzen?"

"Ich habe das Alles im Griff, also ehrlich gesagt ―", begann Atticus, doch Jonah ließ ihm keine Chance.

"Mir ist es egal, wenn du deinen Spaß haben willst. Es ist sogar eine gute Idee, wenn du mit der Prinzessin ausgehst, um ihre Gunst zu gewinnen", seufzte Jonah und massierte sich die Stirn. "Aber um alles in der Welt, könntest du mich nicht vorwarnen? Zumal wir doch gerade erst über die Notwendigkeit von Wachen gesprochen hatten! Hast du mir nicht zugehört?!"

"Doch, habe ich, und ich habe tatsächlich vergessen, dir eine Notiz zu schicken", gab Atticus kleinlaut zu und bemühte sich, bedauerlicher zu wirken, als er tatsächlich war.

Seine Mutter war schon lange verstorben, aber manchmal schien Jonah sie so lebendig zu machen, dass Atticus sich fragte, ob ihr Geist in ihm weiterlebte. Wenn Jonah in solch einer Verfassung war, nickte Atticus nur und gab seine Fehler zu.

"Aber keine Angst, mein Freund, du wirst bald genug Nachrichten bekommen", fuhr Atticus fort, und ein Funkeln kehrte in seine Augen zurück.

"Was meinst du damit?"

Atticus berichtete ihm dann alles, was auf dem Jahrmarkt geschehen war – von Daphnes magischem Erwachen bis hin zur Geschichte des Spielzeugverkäufers und wie er ihm Jonas Adresse gegeben hatte. Jonah sah nicht gerade erfreut aus, und sein Gesicht wurde mit jedem Wort, das über Atticus' Lippen kam, finsterer.

"Was für ein Kopfzerbrechen", beschwerte sich Jonah und schaute in den Beutel, den er erwischt hatte. "Nicht nur, dass wir es mit einem Schmugglerring zu tun haben, du hast ihr auch noch meine Adresse gegeben?"

"Nun, meine konnte ich ihr schlecht geben", sagte Atticus mit einem Schulterzucken. "Ich war verkleidet! Ich kann doch nicht einfach sagen: 'Bitte leiten Sie Ihre Hinweise an den König im königlichen Palast weiter'. Sie denkt, ich bin du. Wenn sie sich in dich verliebt, dann liegt es an mir. Ich habe mich wie ein perfekter Gentleman verhalten."

"Unsinn! Du hast wahrscheinlich meinen Ruf ruiniert!" kreischte Jonah. "Übrigens, 'ich' bin jetzt verheiratet und erwarte möglicherweise ein Kind. Warum sollte sie mir Liebesbriefe schicken? Und wenn sie es täte und ich darauf einginge, wäre das nicht das Ende meines Rufs?"

"Ach, das ist ein Problem für später. Im Moment übersehen wir etwas", sagte Atticus." Wenn du ein Schmuggler wärst, warum würdest du Kinderspielzeug auswählen?"

"Niemand würde es erwarten. Wir jedenfalls nicht." Jonah zuckte mit den Schultern und zog ein Spielzeug heraus, während er darüber nachdachte, was Atticus meinte. Es reagierte nicht in seinen Händen, also holte er ein anderes heraus.

Diesmal leuchtete das Spielzeug in einem hellen Grün auf – ein eindeutiges Zeichen für die Aktivierung von Erdelementen. Jonah dämpfte rasch seine Aura, wodurch das Spielzeug erlosch.

"Verdammt", fluchte Jonah, und seine Augen weiteten sich.

"Verdammt in der Tat."