Nur der Anfang

Adeline hatte sich kaum aus ihrem Kleid geschält, da eilte auch schon ein Diener zu ihrem Zimmer. Zwei Dienstmädchen halfen ihr gerade aus dem smaragdgrünen Gewand, als ein bestimmtes Klopfen an der Tür ertönte. Sie legte eine Hand auf ihre Brust. Der Reißverschluss war gerade erst geöffnet worden, und ohne ihre Hilfe hätte das Kleid fallen können.

„Meine Dame", drängte eine Stimme.

Adeline seufzte. „Schließt das Kleid wieder", wies sie an.

Die Dienstmädchen verdrehten geringschätzig die Nasen. Sie mochten es nicht, diese Schnorrerin zu bedienen. Niemand kannte ihre wahre Identität, außer, dass sie die Nichte der kinderlosen Viscountess Eleanor war.

Die Mägde hatten keine Wahl. Das war ihr Job. Egal, wie verächtlich sie die Schnorrerin fanden, die sich am Geld ihrer Viscountess gütlich tat, die Dienstmädchen schlossen das Kleid wieder.

Adeline trat vor. „Nun dürft ihr eintreten", sagte sie schließlich.

Jetzt, da Adeline zu Hause war, fühlte sie sich nicht mehr so nervös. Auf dem Ball hatte sich ihr Stottern noch verstärkt. Es waren zu viele Leute da. Das ununterbrochene Geplapper und das gekünstelte Lachen störten sie sehr. Es war schwierig gewesen, sich auf ihre Rede zu konzentrieren.

Auch das ständige Drängen von Tante Eleanor half nicht wirklich. Es war ein grober Versuch. Ihre Absichten waren gut gemeint, doch ihr Herz war nicht am richtigen Fleck.

„Meine Dame", sagte die Dienerin vor der Tür unsicher.

Sie wickelte die Finger um ihr hellgraues Gewand. Alle Dienstmädchen im Haus trugen diese Uniform. Früher, als die Familie Marden noch sehr wohlhabend war, wurden die Dienstmädchen in adrette Röcke gezwängt, während sie die umfangreichsten Hausarbeiten verrichteten.

Jetzt aber lebten sie in modernen Zeiten. Elegante Autos fuhren auf der Autobahn, Flugzeuge schwirrten durch die Lüfte, und Gebäude erstreckten sich in den Himmel.

Die Zeiten hatten sich gewandelt. Nun trugen die Diener graue Hosen und weiße Blusen. Die Kleidung war praktischer und trug sich leichter.

„Um was geht es?", erkundigte sich Adeline. Die Magd schien es eilig zu haben. Sie keuchte, als hätte sie einen Marathon gelaufen.

„Viscount Marden möchte Sie sprechen, meine Dame."

Adelines Hals schnürte sich zu. Viscount Sebastian Marden war kein freundlicher Mann. Im Gegensatz zu seiner geschwätzigen Frau war er ein strenger, schweigsamer Mann. Wenn er sprach, dann stets mit finsterer Miene. Er benahm sich, als ob die Welt ihn schlecht behandelt hätte. Nichts machte ihn glücklich. Nichts brachte ihn zum Lächeln.

„Also gut", sagte Adeline widerwillig. Sie faltete ihre Hände. Ihre Finger umklammerten einander fest. Andernfalls hätten sie gezittert, vor Nervosität.

„Bitte führen Sie mich zu ihm."

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Adelines Schicksal schien besiegelt. Sie würde dieses Haus nie lebend verlassen. Sie würde ihr Erbe an die Familie Marden abtreten müssen. Sie konnte nicht nachvollziehen, warum ihre geschwätzige Tante Eleanor den Viscount Sebastian geheiratet hatte.

Tante Eleanor war die ältere Schwester von Adelines verstorbener Mutter. Sie kamen aus bescheidenen Verhältnissen, mit einem Status, der niedriger war als der eines Viscount – was in der gesellschaftlichen Hierarchie schon sehr niedrig war. Es grenzte an ein Wunder, dass Adelines Mutter einen Prinzen geheiratet hatte.

„V-Viscount Marden", begrüßte Adeline. Sie neigte respektvoll den Kopf.

Adeline war gerade in den Raum getreten. Ihre Schultern zitterten schon. Es war schwer, vor ihm nicht einzuknicken.

Trotz seines Alters war Viscount Marden ein Mann mit beeindruckender Statur. Er war breitschultrig und trug salz- und pfefferfarbenes Haar. Es umgab ihn ein gesunder Glanz.

Viscount Marden war in seiner Jugend ein gut aussehender Mann. Zumindest prahlte Tante Eleanor stets damit. Zu seinem Unglück wuchs ihm jedoch eine große Warze auf der linken Wange. Aus ihr wuchs ein einzelnes Haar, was ihn zum Schandfleck machte.

Aber sein Ruf und seine Präsenz reichten aus, um einen Raum zu beherrschen. Besonders sein privates Arbeitszimmer, das mit poliertem Rosenholz möbliert und mit grünen Samtmöbeln ausgeschmückt war.

„Sie haben nach mir verlangt?", setzte Adeline hinzu.

Adeline hob ihren Blick und sah, wie der Viscount ihr den Rücken zukehrte. Er schaute durch das Fenster, obwohl außer einem pechschwarzen Wald, der sich hinter ihrem großen Herrenhaus im Nirgendwo erstreckte, nichts zu sehen war.

Adeline bemerkte den Gehstock in seiner Hand. Es war ein Spazierstock, verziert mit einem Löwenkopf an der Spitze. Er benutzte ihn, um eines seiner schwachen Beine zu stützen, weshalb einer seiner Arme stärker war als der andere.You have provided an English text with a subsequent German translation and instructed to optimize the German version based on the English original. Here's an improved German translation for the English content you provided:

„Du hast versagt", sagte Viscount Sebastian.

Seine enttäuschte Stimme ließ sie sich verkrampfen. Adelines Magen drehte sich vor Unbehagen. Plötzlich verspürte sie den starken Drang, die Toilette aufzusuchen. Ihre Nerven lagen blank.

„Völlig nutzlos", zischte er.

Adeline versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken. Sein stechender Blick würde sich nur verschlimmern, und sie würde zu einem stotternden Wrack werden. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, als Kind hatte Adeline nicht gestottert. Irgendwann in ihrer Entwicklung hatte sie diese Angewohnheit entwickelt.

„Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?", forderte er mit rauer Stimme.

Adeline hätte tausend Dinge sagen können. Der Auftrag war eine Falle. Es war eine unmögliche Aufgabe. Seine Majestät war nicht zugegen. Diese Worte kratzen nur an der Oberfläche. Sie könnte viele Erklärungen liefern.

Viscount Sebastian würde sie alle als Ausflüchte betrachten. Versagen war Versagen. Darauf folgte Strafe, damit dieselben Fehler nie wiederholt würden. Und er würde dafür sorgen.

„Ich – ich habe viel zu sagen", brachte Adeline heraus. „Aber du wirst sie nur als—"

„Ausreden betrachten", beendete er ihren Satz.

Viscount Sebastian schwang sich herum. Er zog es vor, ihr nicht ins Gesicht zu blicken. Sie war das Ebenbild ihrer wunderschönen Mutter. Schade, dass Adeline nicht deren Anmut und Eleganz geerbt hatte. Bei dem Anblick ihrer großen, grünen Augen, empfand sein Herz vor Neid brennende Qualen.

„Nun, sprich", signalisierte Viscount Sebastian.

Adeline wich zurück. Sie umklammerte den Saum ihres Kleides, denn ihr war bewusst, was kommen würde. Ein Versagen blieb ein Versagen. Selbst wenn er sie auf eine Mission zum sicheren Tod schickte. Irgendwo im Hinterkopf fragte sie sich, ob es ihm Freude bereitete, ihr wehzutun.

„Du – du hast gesagt, du tust mir nicht weh, falls ich versage", erklärte Adeline. „Du hast versprochen—"

„Ich sagte, ich werde nicht zornig", unterbrach Viscount Sebastian. „Es ist eine schwierige Aufgabe, die deine Freiheit garantiert. Aber du hast versagt. Und nun ist es Zeit, deinen Teil der Abmachung zu erfüllen."

Viscount Sebastian hatte nicht gelogen. Er war keineswegs zornig. Er hatte dieses Ergebnis erwartet. Er hatte sich darauf eingestellt. Es war bekannt, dass Seine Majestät sich selten in der Öffentlichkeit zeigte, erst recht nicht auf einem öden Ball der Gesellschaft.

„Jetzt unterschreib die Papiere", forderte Viscount Sebastian. Er wies auf seinen Mahagonischreibtisch, wo alles makellos organisiert war. Kein Blatt Papier oder Stift lag fehl am Platz. Er bevorzugte es so.

Adelines Schultern entspannten sich ein wenig. Ihre Beine brannten noch von vor zwei Tagen. Wie ein Hund, der in den Tod marschiert, schritt sie voran. Ihr Blick fiel auf das Papier.

„Ein Abkommen ist ein Abkommen", erinnerte er sie.

Seine Stimme klang jetzt heller, weniger enttäuscht. Welcher Mann wäre unglücklich darüber, mehr Geld zu verdienen? Dazu brauchte es nur ein einziges Blatt Papier. Wie einfach das doch war.

Adeline schluckte. Sie hob die Papiere auf, ihre Finger zitterten. Das hatte sie erwartet.

„Partei A stimmt zu, dass bei Nichterfüllung von Abschnitt 1 des Auftrags, Partei A sämtliche Erbansprüche auf das Vermächtnis von Kaline und Addison Rose, bestimmt für ihre einzige Tochter Adeline Mae Rose, verwirkt. Das Erbe von Adeline Mae Rose geht über auf Sebastian Marden."

Adelines Blick huschte zu Abschnitt 1 des Auftrags. „Partei A wird vollständig von den Bindungen an das Haus Marden und dessen Verwandte befreit, sollte Partei A die von Partei B gewünschte Person bis zum Ende des Balls vollständig ausgelöscht haben."

„Es ist Zeit, dein Vermögen zu übergeben", verkündete Viscount Sebastian gelassen. Er zeigte auf ihren Namen am unteren Rand des Papiers. In ordentlicher Handschrift prangten dort ihre Unterschrift und ihr Daumenabdruck in roter Tinte.

„Es – es gibt ein Problem, Viscount", sagte Adeline langsam.

Viscount Sebastian hob fragend die Braue. „Und was ist das Problem?"

Adelines Herz hämmerte in ihren Ohren. Sie hatte eine Lücke im Vertrag gefunden. Nun konnte alles entweder sehr, sehr schlecht ausgehen. Oder aber alles würde sich zum Guten wenden. Sie betete, dass es Letzteres war.

„Der Ball hat gerade erst begonnen, heute ist der erste Tag der Saison."