Etwas war geschehen.
Er wusste nicht, was genau, aber irgendetwas fühlte sich anders an.
Langsam öffnete er die Augen. Der kalte Boden drückte gegen seinen Körper, als er sich aufrichtete. Seine Muskeln waren steif, doch das war nicht das, was ihn beunruhigte. Es war die Stille.
Misstrauisch richtete er seinen Blick auf die Tür.
Kein Tablett. Kein Essen.
Obwohl die ersten Sonnenstrahlen durch das vergitterte Fenster fielen und den Raum erhellten, lag nichts auf dem Boden.
Sein Magen zog sich zusammen.
"Habe ich etwas falsch gemacht? Werde ich jetzt noch härter bestraft? Ist das immer noch nicht genug?"
Er trat vorsichtig auf die Tür zu, einen Fuß vor den anderen setzend. Dann legte er sein rechtes Ohr dagegen.
Nichts.
Keine Sirenen. Kein Knarren von Türen. Keine Schritte.
Nur vollkommene Stille.
Plötzlich erzitterte der Boden unter seinen Füßen. Ein dumpfes Vibrieren kroch durch seine Beine bis in die Brust.
Schwere Schritte.
Sein Atem stockte. Reflexartig wich er einen Schritt zurück – doch sein Fuß rutschte weg. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er zur Tür und betete, nicht entdeckt worden zu sein.
Doch das Zittern wurde stärker.
Er schluckte schwer.
Dann – mit brutaler Wucht – krachte etwas gegen die Eisentür.
Ein einziger, ohrenbetäubender Schlag.
Dann noch einer.
Und noch einer.
Jedes Mal vibrierte der Raum unter der Gewalt des Aufpralls. Er krallte sich mit den Fingern an der Wand fest, wollte sich noch kleiner machen. Doch seine Augen blieben auf die Tür gerichtet.
Ein Spalt riss in der Metallplatte auf.
Er keuchte leise.
Dann, aus der Dunkelheit des Schlitzes, tauchte ein Auge auf.
Ein riesiges, giftgrünes Auge mit der schlitzförmigen Pupille einer Raubkatze.
Ein heißer Schauer rann über seinen Rücken. Eine einzelne Schweißperle glitt an seiner Stirn herab.
Das Auge verharrte einen Moment – dann zog es sich zurück.
Er wagte nicht, sich zu bewegen.
Sekunden verstrichen. Dann Minuten.
Er atmete leise aus und versuchte, seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen.
"Was zur Hölle war das?"
Nach einer gefühlten Ewigkeit bewegte er sich langsam zur Tür. Vorsichtig beugte er sich vor und lugte durch den Spalt.
Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Der Gang war verwüstet.
Türen waren herausgerissen, Metallrahmen verbogen, die kahlen Wände mit dunklen Kratzspuren übersät. Es war, als hätte ein Sturm aus purer Zerstörung hindurchgefegt.
Aber das Schlimmste war – niemand war mehr hier.
Absolute Stille.
Sein Blick wanderte nach links. Der Türrahmen seiner Zelle war völlig deformiert, die Tür saß nicht mehr richtig in den Angeln.
Das war seine Chance.
Mit aller Kraft stemmte er sich gegen das Metall. Zentimeter für Zentimeter bewegte sich die Tür. Ein erbärmliches Quietschen hallte durch den verlassenen Korridor.
Gerade weit genug, um sich hindurchzuzwängen.
Er zögerte einen Moment, dann streckte er vorsichtig den Kopf in den Gang.
Ein unheimliches Gefühl überkam ihn.
Der Gang zog sich endlos in die Dunkelheit. Kein Ende in Sicht.
Er zwang sich, tief durchzuatmen. Dann trat er durch den Spalt und entschied sich für eine Richtung.
Langsam, leise, immer auf der Hut, setzte er einen Fuß vor den anderen – und verschwand in der Dunkelheit.