Kapitel 7-Kämpfen oder Sterben

Sein Körper bewegte sich schneller, als sein Verstand es begriff.

Er riss sich los, stolperte nach vorn, während die knochige Hand ins Leere griff. Etwas Warmes tropfte auf seinen Nacken.

Das Wesen hinter ihm gab ein rasselndes Geräusch von sich. Es klang… hungrig.

277 rannte.

Seine Lunge brannte bei jedem Atemzug, als würde er glühende Kohlen einatmen, aber er konnte nicht aufhören. Jeder Schritt hallte durch den Korridor, ein Echo, das ihn zu verhöhnen schien. Die Kreatur verfolgte ihn, ihre knöchernen Gliedmaßen schlugen unregelmäßig gegen die Wände, während sie mit grotesken Bewegungen hinter ihm her war.

Der Gang öffnete sich. Ein großer Raum.

Tote Lichter hingen von der Decke, einige flackerten noch. Die Wände waren verschmiert mit alten und frischen Blutspuren. Tische und Tragen lagen umgestürzt herum, als hätte jemand versucht, hier Barrikaden zu errichten – ohne Erfolg.

277 stolperte über einen Körper. Halb zerfressen, mit aufgerissenen Rippen, die aus dem Torso ragten wie die Splitter eines zerbrochenen Schiffswracks. Die Kreatur war noch hinter ihm, er hörte sie, aber dann… Stille.

Zu still.

Er blieb stehen. Zog tief Luft durch die Nase. Hörte auf das, was es ihm sagen wollte.

„Spürst du es?" flüsterte der Dämon in seinem Kopf.

277 schloss die Augen.

Da war noch jemand. Keine Kreatur. Kein Monster. Ein Mensch. Die Atemzüge waren anders – hektisch, flach. Versteckt. Er drehte sich langsam um.

Hinter einem umgestürzten Metallregal kauerte eine Gestalt. Kein zuckendes, deformiertes Biest. Eine Frau.

Seine Kehle schnürte sich zu.

„Hey…" krächzte er.

Die Frau zuckte zurück, ihre Augen weiteten sich vor Panik. Sie presste sich gegen das Regal, zog die Knie an die Brust, die Hände über den Mund gelegt, als fürchtete sie, dass ihr eigener Atem sie verraten könnte.

Dann hörte er es wieder.

Schaben. Kratzen.

Das Monster war nicht weg. Es wartete. Lauerte.

277 trat einen Schritt nach vorne, hielt die Hände hoch, um der Frau zu zeigen, dass er keine Bedrohung war.

„Ich… ich werde es ablenken", flüsterte er. Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch.

Die Frau starrte ihn nur an. Ihre Haut war blass, fast so grau wie das Fleisch der Kreatur, ihre Augen eingefallen, doch sie war eindeutig menschlich.

277 bewegte sich langsam zurück zur Mitte des Raumes.

Das Kratzen verstummte.

Ein Schauder kroch ihm den Rücken hinauf.

Er wusste, was passieren würde, bevor es geschah.

Ein kalter Hauch strich über seinen Nacken.

Der Dämon in ihm zischte voller Vergnügen: „Es spielt mit dir."

277 drehte sich um.

Die Kreatur hing von der Decke.

Ihre Gliedmaßen waren um ein rostiges Lüftungsgitter geschlungen. Ihr aufgerissener Kopf baumelte nach unten, die schwarze Masse pulsierte in ihrem Schädel, dunkle Fäden zuckten wie lebendige Adern.

277 spürte das Adrenalin durch seine Venen schießen.

Ein Fehler, ein einziger Schritt zu langsam – und er wäre tot.

Der Dämon kicherte. „Kämpfen oder sterben?"

„Ich hab noch genug Probleme mit dir", knurrte er und machte einen Satz zur Seite.

Die Kreatur stieß sich von der Decke ab, krachte auf den Boden, gerade dort, wo er eben noch gestanden hatte. Beton splitterte unter den harten, klauenartigen Füßen.

Ohne nachzudenken rannte er los – diesmal nicht weg vom Ding, sondern darauf zu. Überraschung war sein einziger Vorteil.

Er sprang auf das umgestürzte Regal, stieß sich ab und ließ die Metallstange in einem brutalen Schwung nach unten sausen.

Der Aufprall zerschmetterte die knochigen Auswüchse an dem entstellten Kopf der Kreatur. Sie jaulte auf, zuckte, wand sich, aber 277 ließ nicht locker. Wieder. Und wieder. Jede Bewegung kostete ihn Kraft, sein Körper schrie, aber er hörte nicht hin.

Er hämmerte weiter, bis das Ding sich nicht mehr rührte.

Bis es nur noch ein formloser Haufen aus zertrümmertem Fleisch und schwarzer Fäulnis war.

Schwer atmend ließ er sich zurückfallen, seine Finger verkrampft um das blutige Metallstück.

„Hörst du das?" fragte der Dämon in seinem Kopf.

277 tat es.

Ein fernes, unnatürliches Heulen. Erst weit entfernt. Dann… näher.

Etwas war wach geworden.

Er sah zur Frau.

Ihre Augen waren noch immer weit aufgerissen, ihr Körper so dünn, dass er sich fragte, wie lange sie hier schon überlebt hatte.

277 stützte sich auf das Metallstück und atmete zitternd aus.

„Wir müssen weg."

Die Frau bewegte sich nicht.

„Los", zischte er und packte sie am Arm. Sie zuckte zusammen, ließ sich aber mitziehen.

Hinter ihnen brach ein ohrenbetäubendes Kreischen aus.

Dunkle Silhouetten begannen, aus den Schatten zu kriechen.

277 zog die Frau mit sich, stolperte durch die Leichen, durch das Blut.

Vor ihnen lag ein weiteres Tor.

Verschlossen.

Die ersten Kreaturen tauchten aus der Dunkelheit auf – jede anders als die andere, jede mit ihrem eigenen verzerrten Körper, gezeichnet von den Experimenten des Wahnsinnigen.

Ein einziger Fluchtweg.

„Zurückgehen ist keine Option", knurrte 277 und umklammerte die Stange fester. „Wir kommen hier raus. Verdammt nochmal, ich sorge dafür."

Er trat gegen die Tür.

Noch eine Sekunde. Noch ein Schlag.